„Säugling im Stall gefunden!“ schreit es die Zeitung mit den vier großen Buchstaben in alle Welt hinaus: „Polizei und Jugendamt ermitteln.“ Wäre „Bild“ vor 2000 Jahren schon gedruckt worden, die Sache mit dem obdachlosen Josef und der hochschwangeren Maria (14) hätte sicher keine gute Presse gefunden.
Die Hirten standen offenbar unter Drogeneinfluss, zitiert Hans Driesel in der Alten Reichsvogtei den Artikel, von wegen, ein geflügelter Mann im Nachthemd habe sie zum Stall geführt. Auch die minderjährige Mutter offenbar ein Fall für die Psychiatrie (von wegen Jungfrauengeburt und Gott als Vater). Beim Kind in der Krippe müsste sich sofort das Jugendamt einschalten, bei den drei illegalen Migranten aus dem Morgenland die Ausländerbehörde. Weihnachten – schon damals ein Skandal! „Lichterglanz & Eiertanz“ nennt sich die musikalische Lesung im Rahmen der Ausstellung Kunst13: Romantisches, Besinnliches und Pathos aus klassischen Federn stößt hier auf viel Ironie und leise Kritik. Die „schönste Zeit des Jahres“ war zudem oft ein Politikum: Von Erich Kästner, der den Nikolaus 1930 am liebsten nach München geschickt hätte, um dort Hitler den Germanenhintern zu versohlen, „dass es raucht“, bis hin zum Geheimrat Goethe – der sich zur Revolutionszeit für den Nachwuchs eine Spielzeug-Guillotine wünschte (die Mama war strikt dagegen).
Bertolt Brecht, Heinrich Heine, Kurt Tucholsky, Heinz Erhardt: Sie alle haben auf ihre Weise über Weihnachten gedichtet. Griffig ausgewählt die Kurzgeschichten: Kästner plaudert mit einem gestressten Weihnachtsmann, der wohl nicht ganz so echt war. Am Ende des Interviews – von einem Hausierer unterbrochen – ist das Interieur geplündert und der Nikolaus mit vollem Sack und Komplizen verschwunden. Die verlöschenden Lichter am Weihnachtsbaum: Für Eugen Roth sind sie ein Spiegel des Lebens, am Ende knipst man ganz profan das Deckenlicht an. Als amüsant-rührenden Kinderkrimi beschreibt Hans Fallada einen Tannenbaum-Klau im verschneiten Wald. Und für den deutsch-sorbischen Schriftsteller Erwin Strittmatter hatte die Winterzeit einen eher herben Geschmack: Um „die Sache mit den Sperlingen“ zu DDR-Zeiten geht es in einer Jugenderinnerung – als es kleine Spatzen, nicht Gänse waren, die in Großvaters Schuppen Federn und Leben lassen mussten.
Marina Klinger begleitet an der Harfe – ein junges Talent an den Saiten. Bei „Stille Nacht, Heilige Nacht“ wird man 2010 noch sentimental. Driesel schickt sein treues Publikum mit Versen der Schweinfurter Autorin Martina Müller-Wagner zurück in die Kälte: Nur keine Hektik und Leere, kein Konsumterror zum Christfest. Es bleibt die Hoffnung, dass die Schokoladen-Nikoläuse sehr leicht in Osterhasen umzuwandeln sind, wie Driesel sinniert. Die Sache mit dem Lichterglanz ist eben immer auch ein Eiertanz.