Afrikanische Verhältnisse herrschen in Holzhausen: Statt grasender Rinder und Pferde tummeln sich am nördlichen Ortsrand Blauhals-Strauße auf der Weide der Familie Faulstich. Es sind Zuchttiere, die für den Nachwuchs der Weidestraußen-Herde am Bio-Hof von Thomas Dömling in Rannungen sorgen. Eine Kooperation, die als neues Geschäftsfeld die Produkte vom Bio-Strauß – Eier, Federn, Fleisch, Leder – vermarkten will.
Hans sollte man mit Vorsicht begegnen. Zwar ist der 150 Kilo schwere und 2,50 Meter große Straußen-Hahn ein Fluchttier, das sehr schnell rennen kann, wie sein Halter Jochen Faulstich erklärt. Aber in der Brutzeit, von März bis September, ist er leicht aggressiv. Er muss ja sein Revier verteidigen. Neugierig läuft er am Zaun entlang und glotzt misstrauisch aus großen Augen den Besucher an.
Drei Hennen buhlen um die Gunst des Hahns
Das Revier ist eine 3600 Quadratmeter große, doppelt eingezäunte Weide am Hang hinter dem Faulstich-Hof in der Friedhofstraße in Holzhausen. Gegen den stattlichen Hahn mit dunklem Gefieder, das an den Flügelenden weiß glänzt, sehen die drei braun-grauen Hennen zunächst weniger imposant aus. Bis sie plötzlich ihre Flügel spreizen und damit dem Hahn ihre Begattungsbereitschaft signalisieren. Eine Henne legt sich sogar unterwürfig auf den Boden. Allein die Anwesenheit des Besuchers hält den Hahn davon ab, seine Pflicht zu tun.
„Die Eier legen die Hennen im Sand ab.“ Jochen Faulstich zeigt auf ein Sandfeld in der Grasweide. Jeden dritten Tag kann die Henne in der Brutzeit ein Ei legen, ergänzt Ehefrau Katrin. Die meisten Eier werden im Brutautomaten ausgebrütet, so dass nach einigen Wochen junge Straußenküken schlüpfen. Diese wachsen auf den großen Weideflächen des Happachtaler Hofes bei Rannungen heran. Bio-Bauer Thomas Dömling, der Onkel von Katrin Faulstich, bewirtschaftet den Aussiedlerhof im Vollerwerb. „Ich suchte eine Alternative zur herkömmlichen Tierhaltung“, erklärt er rückblickend auf die Umstellung seines Betriebes 2015 von konventioneller auf biologische Wirtschaftsweise. Weil durch Straßenbau seine Flächen zerschnitten worden waren, bot sich eine Weidewirtschaft an.
Die Küken wachsen afu Öko-Weideflächen heran
Der Zufall wollte es, dass am Nebenerwerbsbetrieb von Dömlings Schwester Roswitha Faulstich und ihrem Mann Erich in Holzhausen zwei Küken als Geburtstagsgeschenk ankamen. „Wir hatten schon immer Geflügel am Hof“, erläutert Tochter Katrin ihre ungewöhnliche Geschenkidee. Ihr Onkel sah in der Hobbyhaltung des Strauß‘ das Potenzial einer größeren Weidetierhaltung.
Im August 2016 startete die Kooperation: Straußenzucht und Ausbrüten der Eier in Holzhausen, Aufzucht der Jungtiere auf den größeren Öko-Weideflächen bei Rannungen.
Ein Straußenhalter-Seminar stand für Jochen Faulstich und Thomas Dömling ganz am Anfang. Es ist Grundvoraussetzung für die gewerbliche Tierhaltung. Das Fachwissen konnten die beiden mittlerweile um eigene Erfahrungen ergänzen. „Der Blauhals-Strauß ist eine süd- und nordafrikanische Mischung, ein domestizierter Farmhaltungsstrauß“, erklärt Faulstich. Mit der mitteleuropäischen Witterung und ihren kalten Wintern hat der flugunfähige Laufvogel keine Probleme. „Er hat eine höhere Körpertemperatur.“ Das Gefieder hält beim Sitzen den Rumpf vom Erdboden fern. „Da schmilzt im Winter der Schnee unter dem Körper“, hat der Nebenerwerbslandwirt beobachtet.
Nach 14 bis 16 Monaten sind die Tiere schlachtreif
Denn der Strauß ist das ganze Jahr über auf der Weide, muss er angesichts seines Bewegungsdranges auch sein. Dort findet er 85 Prozent seines Futters, Gras und Klee. Lediglich hofeigenes Bio-Getreide sowie eiweißreiche Erbsen und Ackerbohnen werden zugefüttert.
Viel langsamer als in konventioneller Haltung wachsen die Tiere auf der Weide. Nach 14 bis 16 Monaten sind sie schlachtreif. Allerdings gibt es in Deutschland noch keine Bio-Zertifizierung für Strauße; ein Feld, das Bio-Landwirt Dömling als Pionier derzeit bearbeitet und mit einer Zertifizierungsgesellschaft die Standards entwickelt.
„Beim Strauß kann man alles verwerten“, erläutert er. Das Fleisch erinnert im Geschmack an Rinderfilet und dunklem Entenfleisch. Es ist reich an Eiweiß und Eisen, aber arm an Cholesterin und Fett. „Hildegard von Bingen hat schon dieses Fleisch für schwächelnde Menschen empfohlen“, weiß Katrin Faulstich. Auch Straußenöl mit hochkonzentrierten ungesättigten Fettsäuren stellen die Straußenhalter her. Naturheilpraktiker schwören auf seine hautpflegende, antibakterielle Wirkung.
Verwertet werden auch die Straußenfedern, die Lederhaut und die splitterfreien Knochen – als Hundebeschäftigung. Natürlich sind auch die ein bis zwei Kilo schweren Eier für Nudelherstellung und Eierlikör gefragt sowie deren keramikartige Schale für Dekorationszwecke.
Ein Kilo Straußenfleisch kostet zwischen 35 und 40 Euro
Derzeit besteht Dömlings Weidestraußen-Herde aus 21 Tieren, 25 Küken kauft er in diesen Tagen noch dazu. „Wir haben schon viele Nachfragen nach unserem Fleisch“, sagt er, vor allem aus der Gastronomie, aber auch von Privatleuten. „Der Markt ist auf jeden Fall da.“ Allerdings weiß der Bio-Bauer, dass das Straußenfleisch mit 35 bis 40 Euro pro Kilo ein Nischenprodukt ist, das er überregional via Internet vermarkten muss. „Hier in der Region ist die Kaufkraft nicht ausreichend.“ Ab September nächsten Jahres soll die Delikatesse dann in größerem Stil angeboten werden.
Hinweis: Am Tag der offenen Gartentür in der Gemeinde Dittelbrunn, am Sonntag, 25. Juni, hat die Familie Faulstich in Holzhausen, Friedhofstraße 5, ihren ländlichen Garten geöffnet und informiert zur Straußenhaltung.