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SCHWEINFURT: Hausärzte kurz vor Systemausstieg?

SCHWEINFURT

Hausärzte kurz vor Systemausstieg?

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    Wer dieser Tage zu seinem Hausarzt muss, glaubt seinen Augen nicht zu trauen. An der best sichtbaren Tür oder Wand prangt ein Plakat mit der Aufschrift „Können Sie sich die CSU leisten?“ Ein bislang nicht für möglich gehaltener Aufstand der Hausärzte gegen die staatstragende Partei des Freistaats steht scheinbar vor der Tür.

    Wie sauer die niedergelassenen Doctores auf den CSU-Gesundheitsexperten in Berlin, Wolfgang Zöller und die bayerische Gesundheitsministerin Christa Stewens sind, ist kürzlich beim ihrem Bezirksverbandstreffen im Evangelischen Gemeindehaus deutlich geworden. Der Landesvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands, Dr. Wolfgang Hoppenthaller und sein Stellvertreter Dr. Dieter Geis (Randersacker) warfen den beiden CSU-Politikern schlicht Wortbruch vor.

    Entgegen ihrem Versprechen, sich dafür einzusetzen, dass die Hausärzte künftig in ihrem Interessenbereich alleinige Verhandlungspartner der Krankenkassen sind, stünde die Kassenärztliche Vereinigung (KV) jetzt doch wieder im Gesetz drin. Verursacht worden sei dies ausgerechnet durch einen Änderungsantrag der CSU. Die KV ist laut Geis von Fachärzten dominiert, die nur ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen durchdrückten und die Hausärzte seit Jahrzehnten bei der Einkommensverteilung benachteiligten.

    So gut wie jede Praxis arbeite drei bis vier Wochen im Quartal umsonst, weil bei der pro Patient gedeckelten Vergütung im Falle des Mehraufwands schlicht die Punktzahl pro Handreichung sinke: „Wenn 30 Prozent mehr kommen als die Vergütung hergibt, zieht man bei den Punktwerten 30 Prozent ab“, kritisierte Hoppenthaller. Die Folge sei, dass immer weniger Hausarzt werden wollten, dass sich in der Fläche bald ein gravierender Ärztemangel einstellen werde, weil Praxen schließen müssten, und dass die Praxen vieler Kollegen, die in den nächsten Jahren altersbedingt aufhören, unverkäuflich würden. Damit sei auch ein Teil ihrer Altersvorsorge in Gefahr. Die Perspektive für die Patienten könne sein, dass sie statt „ihren“ Hausarzt künftig wechselndes Personal in anonymen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Gemeindeschwestern fänden.

    Die zentrale Forderung der Hausärzte lautet deshalb, dass ihr Verband für seine Mitglieder alleine Verträge mit den Kassen aushandelt. „In diesem KV-dominierten System haben wir keine Chance“, rief Hoppenthaller unter dem Beifall seiner Kollegen, „unsere einige Chance ist, aus dem Zwangssystem auszusteigen.“ Für die Fachärzte-Dominanz in der KV fand am Rande der Veranstaltung ein Arzt folgendes Bild: „Das ist so, als ob im Opel-Vorstand dreiviertel der Vertreter von VW wären.“

    Die Hausärzte strebten deshalb ein autonomes, eigenes Verhandlungsmandat gegenüber den Kassen an. Dabei denken sie auch an Druckmittel, die bisher eher von Beschäftigten der Industrie-Branchen bekannt sind: eine Art Totalverweigerung im Abrechnungssystem. Wenn etwa die Hausärzte massenhaft ihre Kassenzulassungen zurückgäben, könnten sie Kassenrezepte ausstellen oder auch von Hand Privatrezepte – und jedes einzeln abrechnen. „Mal sehen, wie lange die das durchhalten“, sagte Geis. Ob das funktioniert und wie das praktisch gehen soll, darüber diskutierten die rund 60 Teilnehmer kontrovers, doch eine Mehrheit schien mit dem Gedanken der Ärzte-Revolte zu sympathisieren.

    Landeschef Hoppenthaler, CSU-Mitglied, sagte, das Wesentliche sei Solidarität: „Wir Hausärzte müssen lernen, dass unsere Macht groß ist, wenn wir zusammenhalten.“ Über die CSU-Politiker Zöller und Stewens, „die uns im Regen haben stehen lassen“, sagte er, deren Verhalten könne er sich nur mit einem Wort erklären: „Beraterverträge“.

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