Vor 40 Jahren eröffnete Dr. Hermann Kraus in der Hauptstraße 5 seine Allgemeinarztpraxis, dort, wo heute die Apotheke zu finden ist. Zuvor hatte Grettstadt nach dem Tod von Dr. Karl Dorda 15 Jahre ohne eigenen Hausarzt auskommen müssen. Die Ortsbürger mussten die Ärzte in Gochsheim, Sulzheim und Schwebheim aufsuchen, wenn sie gesundheitliche Probleme hatten. Im Jahr 1984 zog Familie Kraus dann in die neu erbauten Wohn- und Praxisräume in der Sonnenstraße 13/15.

Die Gebäude sind dem fränkischen Fachwerk nachgebildet und mit viel Liebe zur Tradition gestaltet, so fanden alte Türen, unter anderem auch aus Grettstadter Bauernhöfen ebenso eine neue Aufgabe wie der Hausspruch über der Eingangstüre. Sehenswert war auch der Garten um die Gebäude, bei dessen Anlage und Bearbeitung Dr. Kraus von seiner Gattin unterstützt wurde. Als "Rasenmäher" kamen jahrzehntelang Kaninchen bzw. Stallhasen zum Einsatz.
Die Grettstadter genossen es, dass ihr "Doc" fast immer für sie da war, selbst an Wochenenden und nachts, wobei seine Ehefrau neben ihrer Tätigkeit als Buchhalterin der Praxis, Haushalts-"Chefin" und Mutter von vier Kindern zusätzlich gefordert war. Zu seinem Zeitplan gehörten selbstverständlich auch Hausbesuche und der Kontakt zu den Patienten in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Aber auch an der Beisetzung verstorbener Patienten nahm der Arzt teil, wann immer es ihm seine Zeit erlaubte.
Schönschrift und Zauberkasten
Eine liebenswürdige Besonderheit: Dr. Kraus legte großen Wert auf deutlich lesbare Schrift, auch bei seinen eigenen Eintragungen. Er führte seine Patientenkartei auch dann noch händisch weiter, als die Computer ab 1990 fester Bestandteil der Praxis waren. Selbst bei großem Andrang ließ er es sich nicht nehmen, Kinderpatienten nach der Behandlung mit dem allseits bekannten Spruch "Hokuspokus fidibus" und Zauberstab zaubern zu lassen. Erst wenn diese ihre Belohnung aus dem Zauberkasten geholt hatten, war der Arztbesuch für die Kleinen beendet.
Das Betriebsklima passte und so war die Fluktuation unter seinen Arzthelferinnen sehr gering: Zehn Helferinnen waren in den fast 40 Jahren neben seiner Gattin Hermi Kraus in der Praxis beschäftigt. Fester Bestandteil des Teams waren über die Jahrzehnte hinweg Martina Bätz und Gertrud Becker, was nicht unerheblich zum Erfolg der Praxis beitrug.

Im Eingangsbereich der Praxis war "Hermis Kunststübchen" aufgebaut, wo verschiedenste, teilweise mit Früchten aus eigenem Anbau kreierte Marmeladen und Gelees ebenso wie selbstgestrickte farbenfrohe Söckchen, Schals und andere Handarbeiten sowie mit viel Liebe und Fantasie gestaltete Glückwunschkarten erhältlich waren. Den stattlichen Erlös führte Hermi Kraus zu 100 Prozent wohltätigen Zwecken zu, so einer Krankenstation in Nicaragua. Die Doc-Marionette über dem Tresen war eine Reminiszenz an den Herrn des Hauses.
Arzt mit sportlichen Ambitionen

1981 waren Dr. Hermann Kraus und seine Gattin Hermi Gründungsmitglieder der Volleyballabteilung des TSV Grettstadt, nachdem sie zuvor schon in Würzburg am Heuchelhof diese Sportart betrieben hatten. Beide spielten auch in Gochsheim leidenschaftlich Volleyball. Wegen Knieproblemen musste Dr. Kraus diese Sportart 1989 aufgeben. Daraufhin wandte er sich dem Radsport zu, wo er nach Jahren intensiven Trainings zahlreiche Rennen bestritt. 1994 nahm er erstmals an der Ärzte- und Apotheker-WM im Radsport teil. 1998 wurde er dort Deutscher Meister im Straßenfahren (Rennrad) und 1999 konnte er den Weltmeister-Titel im Mountainbike-Fahren feiern. Insgesamt holte er über 50 Pokale, wobei er besonders stolz auf seine 17 Siegertrophäen ist.
Medizinische Versorgung Grettstadts heute
2017 plante Dr. Hermann Kraus seinen geordneten Ausstieg aus dem aktiven Berufsleben, indem er Dr. Winfried Schorb aus Haßfurt die Praxis übergab. Er selbst blieb zunächst weiter tätig und bezog ein neu errichtetes Wohngebäude, direkt gegenüber seiner bisherigen Wirkungsstätte. Die Patienten des Hausarztes freuten sich, dass ihr Doktor weiterhin verfügbar war. Als sich Dr. Kraus schließlich nach 37 Jahren ganz aus der Hausarztpraxis zurückzog, bedauerten dies seine Patienten sehr. Ihm selber tut es heute noch leid, dass er sich - situationsbedingt – nicht gebührend von seinen Patienten verabschieden konnte.

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