Der Publizist Frank Schirrmacher ruft in seinem „Methusalem-Komplott“ zur Mobilmachung gegen die Stigmatisierung des Alters auf. Solche Rückendeckung scheinen die drei Protagonisten der Komödie „Wind in den Pappeln“ des französischen Theaterautors Gérald Sibleyras nicht nötig zu haben: Es sind drei Veteranen des Ersten Weltkriegs, wehrhaft, streitlustig, stets zum Angriff bereit. So scheint es. Das Gastspiel des Renaissance-Theaters Berlin bot dem Seniorenpublikum einen nachdenklichen Spaß.
In einem Veteranenheim der französischen Armee verbringen Gustave (Jürgen Thormann), René (Harald Dietl) und Fernand (Jörg Pleva) ihren Lebensabend. Obwohl sie längst Freunde geworden sind, liegen sich die drei ständig in den Haaren oder rebellieren gegen Heimleiterin Madeleine. Um diese Streitereien, Aufschneidereien, Lügen, aber auch um die Verunsicherung der alten Männer, um ihre geplatzten Lebensträume geht es: Liebevoll vorgegeben vom Autor, mit leichter Hand inszeniert von Torsten Fischer und glänzend gespielt von drei Virtuosen des Boulevard: Gekonnt jonglieren sie mit bissigen Aperçus, sicheren Pointen und umwerfender Situationskomik.
Schnell lernt man die drei sympathischen Querköpfe kennen: Jörg Pleva ist der von einem Granatsplitter im Kopf geplagte Fernand, der bei jedem Ohnmachtsanfall ein Stück verwirrter wird. Post nimmt er grundsätzlich nicht an, Gustave liest und beantwortet seine Briefe. Jürgen Thormann spielt diesen Gustave als zynischen Grantler. Als er hört, dass sich der Heimbewohner Chasagne umgebracht hat, reagiert er auf seine Weise: „Ist es schlimm?“ Dritter im Bund ist René, Oberst a.D., beinamputiert. Harald Dietl überspielt dies Handicap mit aufrechter Haltung und diszipliniertem militärischem Denken. Auf einem seiner Spaziergänge entdeckt er ein Dorf mit einem Mädchenpensionat. Abends berichtet er seinen Freunden davon, weckt damit Sehnsüchte nach dem längst entschwundenen süßen Vogel Jugend.
Die Realität sieht anders aus: Unsere Helden beobachten mit dem Feldstecher aufsteigende Gänseschwärme, erfreuen sich an den sich im Wind wiegenden Pappeln, die ein paar Kilometer entfernt stehen. Wenn schon ihr ursprünglicher Plan, nach Indochina abzuhauen, nicht klappt – bis zu den Pappeln müsste man es eigentlich schaffen.
Die Vorbereitung zur Exkursion (warme Decken, ein Seil, Training, den immer wieder ohnmächtig werdenden Fernand zu tragen) sind eine weitere Quelle für herb-bittere Melancholie, letztlich Resignation und Hoffnungslosigkeit: der Ausflug fällt aus. René: „Was hätte uns da schon erwartet?“ Und Gustave schließt langsam die Vorhänge am Fenster – morgen werden sich unsere wackeren Helden des Alters wieder an den Pappeln erfreuen. Großer Applaus.