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SCHWEINFURT: Henning Scherf: Der Omi-Knutscher

SCHWEINFURT

Henning Scherf: Der Omi-Knutscher

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    Die Journalisten in seiner Heimatstadt Bremen nennen ihren Ex-OB den „Omi-Knutscher“ und so daneben liegen sie damit nicht: Henning Scherf – 78 Jahre alt, 2,04 Meter groß, hellwach, Hanseat mit Schalk im Nacken – hat sich seit seinem Abschied aus der Politik ganz dem Kampf für ein positiveres Bild des Alters und für alternative Wohnformen verschrieben.

    Vor seinem Vortrag im Landratsamt Schweinfurt geht er durch die Reihen, begrüßt jeden mit Handschlag oder gar einer freundschaftlichen Umarmung. Und es sind viele Hände, die zu schütteln sind: Etwa 200 Leute hatten sich innerhalb kürzester Zeit angemeldet, das Amt musste sogar einige Absagen verteilen.

    Scherf wohnt mit seiner Frau seit 30 Jahren in seinem eigenen Wohnprojekt. Alte, Junge, Kinder, Singles, Paare – alle mit einer eigenen Wohnung, aber unter einem Dach. Sie helfen sich gegenseitig, essen regelmäßig gemeinsam, verbringen Zeit.

    Motto: Grau ist bunt

    Darüber und über das Alter als wertvolle Zeit („Grau ist bunt“) hat Scherf mehrere Bücher geschrieben und reist quasi als Botschafter durch die Republik. „Die Kraft, die alte Leute entwickeln können, ist etwas Kostbares“, sagt Scherf. Seine Herangehensweise ganz grundsätzlich: Das Glas ist halb voll, nicht halb leer.

    Seine Wohngemeinschaft entstand, als damals die Kinder aus dem Haus waren. Scherf und seine Frau waren da gerade mal Mitte 40, sie hatten früh geheiratet und eine Familie gegründet. „Da dachten wir uns: Es muss noch was gehen.“

    Mit zehn anderen sanierten sie schließlich ein altes Haus. Drei Parteien sind Eigentümer, die anderen Mieter. Das habe in 30 Jahren keine Probleme gemacht, versichert der SPD-Mann. Kosten wie Strom, Wasser und Gas zahlt jeder selbst, so gibt es auch keinen Streit, wie lange einer duscht.

    Die Rentner kümmern sich um die Kinder der Auszubildenden

    „Wir sind uns sehr nah, wir tragen einander“, sagt er. Wie in einer Familie übernehmen alle Aufgaben für die Gemeinschaft, die Alten werden hier gebraucht. Ein Beispiel: Eine Mutter aus Nigeria, die allein aus ihrem Land geflohen ist und drei Kinder hat, wohnt auch im Projekt.

    Sie macht eine Ausbildung, die sechs Rentner aus dem Haus holen reihum die Kleinen von Schule und Kindergarten ab, helfen bei den Hausaufgaben oder passen auf. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich so einem Kind noch mal so verbunden fühlen könnte.“ Scherf liebt seine eigenen Kinder und Enkel sehr, aber sie leben eben nicht in Bremen.

    Die Gemeinschaft geht so weit, dass auch bleiben kann, wer pflegebedürftig wird. Schon zwei Jahre nach dem Start sei damals die „Nagelprobe des Projekts“ gekommen, als eine Mitbewohnerin todkrank wurde. „Sie hat gesagt, sie will bleiben und wir haben es geschafft.“

    Alle zusammen haben die todkranke Mitbewohnerin gepflegt

    Scherf war damals noch Regierungschef im Stadtstaat Bremen, aber auch er war alle neun Tage dran, nachts auf die Frau aufzupassen. Alle haben sie gepflegt, auch die Männer. „Sie hat das zugelassen. Es hat uns alle sehr zusammengeschweißt.“ Ein Mitbewohner, der älteste, liegt gerade im Krankenhaus im Koma. Die Wahrscheinlichkeit, dass er als Pflegefall in die WG zurückkehrt, ist groß.

    Unermüdlich wirbt Scherf dafür, aktiv etwas gegen das Gefühl von Einsamkeit und Überflüssigkeit im Alter zu tun. Die Alten wollten noch teilhaben, gebraucht werden. Auch die Wohlfahrtsverbände hätten mittlerweile verstanden, dass kein Mensch in Riesen-Heime auf der grünen Wiese will. In Schweinfurt hat Scherf deshalb auch viele Beispiele weiterer Projekte dabei.

    Etwa das Grüppchen alter Damen, alle verwitwet mit eigenen Häuschen. Sie wollten zwar nicht zusammenziehen, aber sie kochen reihum für einander. Oder die „Claudius-Höfe“ in Bochum, wo auf einem verkommenen kommunalen Grundstück ein generationenübergreifendes Ensemble mit Wohnungen, WGs, Hotel und Restaurant entstanden ist, das einen ganzen Stadtteil aufwertet.

    Scherf nimmt die Leute für sich ein

    Die Besucher im Sitzungssaal, darunter auch viele Bürgermeister aus dem Landkreis, hängen an seinen Lippen. „Ich will dafür sorgen, dass Sie im Landkreis so was anfangen“, macht Scherf klar. Hans Fischer, Altbürgermeister von Schwebheim, fragt: „Geht das auch auf dem Land?“ Aber ja, meint der Ex-OB. Auf dem Dorf kenne man sich schließlich – und das sei eine wichtige Voraussetzung für so ein Projekt.

    Zum Schluss setzt sich Scherf ganz hinten in eine Reihe, da sitzt die 88-jährige Ehrentraud Roll, die mit ihrer Schwiegertochter hier ist. Toll, dass sie in ihrem Alter hierher gekommen sei, sagt der „Omi-Knutscher“ und legt den Arm um sie.

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