gerolzhofen Das Auto als so genannter Faradayscher Käfig schützt zwar weiterhin bei Gewittern vor tödlichen Blitz- und Stromschlägen, ist also sicherer als viele andere Orte. Allerdings ist man nicht davor gefeit, im Fahrzeug durch die Folgen eines Blitzes verletzt zu werden. Guido Plener aus Oberschwarzach hat dies, wie mehrfach berichtet, bei dem schweren Gewitter am Freitag, 23. Juli, auf schmerzhafte Weise in Form von Verletzungen an Kopf und Auge erfahren. Der Hersteller seines Passats Kombi, die Volkswagen AG, ist dem Phanömen nachgegangen und hat jetzt die Vermutungen, die Physiker und Mediziner bereits nach dem Vorfall angestellt hatten, im großen und ganzen bestätigt
Der Lehrer an der Ludwig-Derleth-Realschule befand sich seinerzeit auf der Heimfahrt von einer Schulfeier. Das was ihn durchs geschlossene Schiebedach kurz nach Gerolzhofen etwa 30 Meter vor der Schnellstraßenunterführung nach Wiebelsberg am Kopf traf, war nicht der Blitz selbst, sondern dessen negative "Begleiterscheinungen" aufgrund der Überspannung in der Luft. Guido Plener: "Es war wie wenn ein Messer durchs Dach kommt."
Die Erklärung für das Unvorstellbare: Ein wirksamer Faradayscher Käfig ist nur gegeben, wenn das Netz engmaschig genug ist. Im Auto sind aber heutzutage viele andere Materialien verbaut. Wenn etwa das Schiebedach aus Glas und die darunter befindliche, verschiebbare Sonnenblende aus Plastik besteht, dann ist das eine relativ große nicht-metallische Fläche, die vom idealen Faradaykäfig deutlich abweicht.
Christian F. Haacke, bei VW in Wolfsburg zuständig für die Produktkommunikation in Sachen Touran, Sharan und eben Passat, bestätigt, es komme sehr selten vor, dass sich die unglücklichen Umstände, wie in diesem Fall, verketten. Um die perfekte Wirkung eines Faraday-Käfig zu erreichen, müsse den Physikern zufolge eine gewisse so genannte Gittergröße erreicht werden. Die werde allerdings, wie es Guido Plener am eigenen Leib zu spüren bekam, beispielsweise durch ein Schiebedach unterbrochen.
Wolfgang Reusch vom Physikalischen Institut der Universität Würzburg erklärt die Wirkung so: "Wenn Sie sich eine Hohlkugel aus Metall vorstellen, die Löcher hat, dann wird das elektrische Feld durch diese Löcher im Innenraum wirksam."
"Erschwerend" kommen bei diesem Fall hinzu, dass das Fahrzeug in Bewegung war und aufgrund der Nässe - es goss wie aus Kübeln - die Dichtungen feucht sind. Christian F. Haacke: "Die gewaltigen Energiemengen, die bei einem Blitzschlag frei werden, suchen sich dann den Weg an ungünstigen Stellen!".
Zu einer geringeren Leitfähigkeit des Autos können auch Winterreifen beitragen. Sie haben zum einen einen geringeren Rußanteil als Sommerreifen. Letzterer dient vor allem der Verschleißfestigkeit. Zum anderen sorgt die Aufstandsfläche mit Gummi auf der Straße für einen höheren Widerstand.
Und so hat in der Tat der Blitz am 23. Juli nicht in das Auto von Guido Plener, sondern daneben eingeschlagen und den gewaltigen Druck, durch die hohe Feuchtigkeit in der Luft durch das Schiebedach ins Fahrzeuginnere weitergegeben. Dafür spricht auch, dass die Brandwunde bei Plener fehlte, die zurückbleibt, wenn ein Blitz im menschlichen Körper ein- oder austritt.
Wie Opfer von Blitzschlägen oder Elektro-Unfällen war der 45-Jährige zunächst auf die Intensivstation gekommen, um die Herztätigkeit zu kontrollieren. Dabei hatte er einen deutlich erhöhten Blutdruck gehabt. Erhöht war auch der Myoglobinwert in den Muskelzellen, was sonst nur nach sportlicher Aktivität der Fall ist. Was das Auge anbelangt, so haben die Ärzte einen erhöhten Innendruck und kleinere, so genannte Mikrorisse in der Regenbogenhaut sowie Risse und Platzwunden am Lid festgestellt.
Egal aber, ob nun ein Insasse verletzt oder nur das Auto getroffen wurde: Nach einem Blitzeinschlag sollte unbedingt die Werkstatt aufgesucht werden, um das Fahrzeug prüfen zu lassen: Reifen oder Elektronik können Schaden genommen haben.