Samstagabend, gegen 23 Uhr in der Schweinfurter Innenstadt. Es regnet, ziemlich stark sogar. Doch die Stadt ist voll mit Menschen, die lachen, grinsen, sich fröhlich unterhalten, durch die Straßen eilen, immer der Musik nach. Die Party machen und den Regen Regen sein lassen. Die den Honky-Tonk-Spirit leben.
18 Orte, vom Waschsalon über den Pralinen-Spezialisten bis zum stylischem Modehaus, von der klassischen Kneipe über das coole Burgerrestaurant bis zum ehrwürdigen Stattbahnhof – 18 Locations, 19 Bands, das Honky Tonk, einst 1993 von Ralf Hofmann und seinem Partner Dominik Brähler erfunden, ist wieder zu seinen Wurzeln in der Wälzlagerstadt als klassisches Kneipenfestival zurückgekehrt. Und es hat sich vollauf gelohnt.

Ralf Hofmann war einen Tag nach dem Festival nicht nur wegen seines 52. Geburtstages gut gelaunt, die Feierstimmung hielt auch an wegen eines Honky Tonks, an das er sich noch lange und gerne erinnern wird. "Offenbar", so Hofmann schmunzelnd, "gibt es in Schweinfurt doch noch so etwas wie die Rückkehr zur guten alten Zeit. Das diesjährige Honky Tonk war genau das: Zurück zum klassischen Kneipenfestival."
Mehr als 3000 Besucher dürften es nach dem Kassensturz gewesen sein, die sich ein Bändchen gekauft haben und dann beim Kneipen-Hopping von einer Band zur nächsten auf ihre Kosten kamen. Das Konzept, das in zahlreichen deutschsprachigen Städten seit vielen Jahren durch Hofmanns Agentur erfolgreich exportiert wurde, geht in Schweinfurt auch deswegen so gut auf, weil man aus der einen Location heraustretend gleich die nächste Gelegenheit für Live-Musik zumindest schon hört und nach wenigen Metern auch sieht.
Hofmann spricht trotz des schlechten Wetters von einer "deutlichen Steigerung der Besucherzahlen gegenüber dem vergangenen Jahr." Natürlich habe es durchaus einige gegeben, die das Festival im Sommer vermissten, wo es auch einige Jahre lang stattfand.
Doch der Klimawandel hatte Auswirkungen, die auf Dauer nicht tragbar waren: Drei der letzten vier Festivals von 2014 bis 2017 waren von gravierendem Wetterunbill betroffen – entweder tropische Hitze oder starkes Gewitter und Kälte. Dazu kamen gestiegene Kosten wegen notwendiger Sicherheitskonzepte, da man auch zahlreiche Open-Air-Bühnen hatte und Probleme mit der Terminfindung, wenn Fußball-Großereignisse waren. Die finanziellen Einbußen waren auf Dauer zu groß, ein neues Konzept musste her.

Hofmann wurde durchaus auch in diesem Jahr darauf angesprochen, dass die Festivals im Sommer doch auch toll waren. "Aber wenn wir dann erklärt haben, warum es so besser ist, haben die Leute es auch verstanden", so der L19-Agenturchef.
Es sei in jedem Fall "tausend Mal entspannter gewesen, es gab keine Vorkommnisse und alles lief reibungslos", freut sich Ralf Hofmann. "Die Veranstaltung lebt vor allem von seinem heterogenen Publikum", für jeden sei etwas geboten, und man lasse sich auch gerne auf Neues ein. Besonders freut sich Hofmann, dass Kneipen wie das "und...", die zum ersten Mal dabei waren, gestopft voll waren, weil die dafür vorgesehene Band "The Blueballs" mit ihrem Rockabilly wie der Deckel auf den Topf passte.

Die Mischung der Bands war wie immer bunt, natürlich vor allem dem Rock, Soul, Blues gewidmet. Ein Geheimnis des Erfolgs ist die richtige Auswahl der Band für den entsprechenden Ort: Im "Zart & Bitter" in der Rückertstraße waren die Profimusiker Suzan Baker und Dennis Lüddicke mit ihrer ruhigen Mischung aus Jazz, R'n'B, Pop und Rock genau richtig, während anderswo zum Beispiel G-String im "Fiddler' Green" einheizten.

Eine Preziose gab es ebenfalls, auch wenn man vielleicht nicht gleich damit rechnet, dass es ein Honky-Tonk-Auftritt wert ist: Die Pop-Gesangsklasse der Schweinfurter Musikschule zeigte ihr Können in einer vollen Disharmonie, nicht nur Leiterin Canan Semel war beseelt bei der Sache. "Ich finde das sehr erfrischend, auch das ist Honky Tonk und gehört bei uns dazu", freute sich Hofmann.

Ebenfalls ein Muss und fester Bestandteil beim Honky Tonk ist der Stattbahnhof, wo im kleinen Saal ein kleines Punkfestival mit "Leave Home", "Sinfrei" und den "Scallwags" das Publikum ebenso anzog wie spät in der Nacht Ralf Hofmanns Lieblingsband: "Four Roses."
Die sind genau so, wie Honky Tonk sein sollte: Nicht die Hübschesten, vielleicht auch nicht die absoluten Supermusiker, aber einfach eine richtig gute Live-Band, bei der der Funke zum Publikum sofort überspringt. Und genau die Richtigen, um in den eigenen Geburtstag hineinzufeiern und ein erfolgreiches Honky Tonk 2019 ausklingen zu lassen.
