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Gerolzhofen: Honorarreform schlägt auf den Magen

Gerolzhofen

Honorarreform schlägt auf den Magen

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    Schmerzhafte Einschnitte für Ärzte wie Patienten hat nach Ansicht von Harald Herterich – der Gerolzhöfer Chirurg und Sportmediziner ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Chirurgen (ANC) in Unterfranken das zum 1. Januar bundesweit eingeführte neue Honorar-System zur Folge, mit dem die Ärzte gegenüber den Kassen abrechnen. Immer mehr Fachärzte drohen seitdem auf ihren Kosten sitzen zu bleiben. Herterich zufolge verlieren seine Kollegen in Unterfranken im ungünstigsten Fall bis zu 40 Prozent ihrer Umsätze. Für seine eigene Praxis rechnet er zwar mit keinem so hohen, aber immer noch deutlichen Minus. Wir unterhielten uns mit dem ANC-Vorsitzenden in Unterfranken darüber, warum die Fachärzte auf 180 sind und Sturm laufen.

    Frage: Ziel der Honorarreform war es, mehr Geld ins Gesundheitssystem für die ärztliche Versorgung der Bevölkerung zu pumpen. Von bis zu drei Milliarden Euro für Deutschlands Ärzte ist die Rede. Warum der Protest? Eigentlich müssten sie sich jetzt beruhigt zurücklehnen?

    Name: Wer auch immer dieses Geld verfrühstückt, ist nicht genau nachvollziehbar. In Bayern bedeutet das für die hier tätigen Fachärzte in der Gesamtheit eine Steigerung von 4,2 Prozent von 2007 bis 2009. Das ergibt rein rechnerisch eine jährliche Steigerungsquote von zwei Prozent. Diese zwei Prozent für die Gesamtheit vermindern sich aber noch um den Betrag für neue und junge Praxen in ausgewiesenen, unterversorgten Gebieten. Andere werden seit Jahren nicht mehr zugelassen. Letztlich ist in diesem Betrag eine Sonderförderung für Feingewebliche Labors, Blutlabors, nuklearmedizinische Einrichtungen und ermächtigte Krankenhausärzte enthalten.

    Was bleibt dann unter dem Strich tatsächlich für Praxen wie Ihre übrig?

    Harald Herterich: Zieht man die genannten Faktoren von den erwähnten Steigerungsraten ab, bleibt für die so genannten „Versorgerärzte“, das sind die Ärzte wie ich, die tagtäglich von den Hilfe suchenden Patienten mit ihren Beschwerden aufgesucht werden, zum zehnten oder zwölften Mal in Folge eine nominale Nullrunde, das heißt nach Abzug der Inflationsrate eine Minusrunde. De facto kommt von all dem Geld nichts bei uns an. Das ist es, was uns ärgert.

    Wenn die niedergelassenen Fachärzte die Verlierer der Gesundheits- und Honorarreform sind, indem sie am wenigsten oder gar nicht von den zusätzlichen Milliarden profitieren, wer sind dann die tatsächlichen Gewinner der Honorarreform?

    Harald Herterich: Das sind die Bundesländer, aus denen Sie nichts hören, und die Pathologen und erwähnten Labormediziner.

    Bei der Reform der Gebührenordnung wurden die Beträge bis auf den letzten Cent festgelegt. Dies macht erstmals die Honorare in Deutschland direkt miteinander vergleichbar und transparent. Ist das kein Fortschritt?

    Harald Herterich: Ja, versprochen war die bundesweite Angleichung der Pauschalen. Ergebnis ist aber, dass sich die Mittel, die in Bayern für fachärztliche Behandlung im Einzelfall ausgegeben werden, häufig am untersten Rand des Spektrums in Deutschland bewegen, also die Reform zu Lasten der südlichen Bundesländer geht. Der regionale Spielraum ist seitdem weg. Diese Pauschalen vermindern sich in Regionen mit einer niedrigeren Ärztedichte wie in Unterfranken, aus der sich dann eine überdurchschnittliche Fallzahl pro Arzt ergibt, durch eine so genannte Abstaffelungskomponente. Das bedeutet, dass die Pauschale durch einen Mengenfaktor weiter verringert wird und sich bis zu 50 Prozent unterscheidet.

    Das klingt kompliziert? Können Sie das näher an einem Beispiel erklären?

    Harald Herterich: Ganz konkret: Während ich hier in Unterfranken pro Patient eine Pauschale von 24,87 Euro erhalte, kann ein Kollege irgendwo anders in Deutschland bis zu 39 Euro veranschlagen. Noch drastischer ausgedrückt: Am Ende kommt in Euro und Cent heraus, dass praktisch das Augenlicht eines Unterfranken dem Berliner Gesetzgeber von den Behandlungskosten her bis zur Hälfte weniger wert ist als das Augenlicht eines Hamburgers, Berliners oder Niedersachsen. Man könnte diese Berechnung ebenso auf die Bandscheibe, die Gebärmutter, die Gallenblase oder die Lunge anwenden, um nur einige weitere Beispiele zu nennen. Von dieser Warte aus gesehen sind die Diskussion und der Protest von uns Fachärzten vor allem im Interesse unserer Patienten und der Versorgung in einem ländlich großräumigen Gebiet wie Unterfranken dringend erforderlich.

    Warum im Interesse der Patienten? Kann Ihnen dies nicht egal sein?

    Harald Herterich: Denken Sie nur daran, wo sich künftig Fachärzte, vom Augenarzt bis zum Chirurgen, nach ihrer Ausbildung niederlassen werden. Sie werden ihre Entscheidung stark von den wirtschaftlichen Aspekten abhängig machen. Im Wettbewerb um den Medizinernachwuchs sind bei einem schon heute insgesamt bestehenden Nachwuchsmangel die Regionen zusätzlich benachteiligt, in denen die wirtschaftlichen Voraussetzungen schlechter sind. Die weniger attraktiven Regionen verlieren somit weiter an Boden.

    Wenn wir Sie richtig verstanden haben, dann macht Sie und ihre Kollegen also das neue Honorar- und Abrechnungssystem krank. Wo müsste Ihres Erachtens der Schnitt angesetzt werden? Wo sehen Sie den größten Nachbesserungsbedarf?

    Harald Herterich: Grundsätzlich wäre es gerecht, wenn die Gelder, die von der bayerischen Bevölkerung verdient werden, auch in Bayern zur Versorgung unserer Kranken zur Verfügung stehen würden. Ausgleichsfonds, durch die Mittel aus Bayern in weniger wohlhabende Regionen abfließen, gibt es auch im Gesundheitswesen schon genug. Zumindest müssten in der Tat bundesweit einheitliche Honorare nach dem Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche Leistung“ gelten. Als Mensch, der auf dem Land wohnt und niedrigere Lebenshaltungskosten als ein Großstädter hat, bin ich aber dafür, einen Zuschlag zu berücksichtigen, um so die höheren Lebenshaltungskosten auszugleichen und zu korrigieren.

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