Schweinfurt (hh) Veli Tuncer erblickte 1957 in der Ost-Türkei das Licht der Welt. 1978 kam der Absolvent der Hotelfachschule Istanbul nach Schweinfurt. Im April verlässt der stadtbekannte Wirt des Naturfreundehauses die Stadt und geht nach Berlin. Tuncer ist verheiratet mit Frau Sema und Vater dreier Kinder im Alter von 3, 11 und 18 Jahren.
Frage: Wie verschlägt es einen 21 Jahre jungen Türken ausgerechnet nach Schweinfurt?
Veli Tuncer: (lacht) Das Restaurantfach und die Gastronomie haben mich schon früh interessiert. Ich habe im Sheraton und Intercontinental in Istanbul vor dem Besuch der Hotelfachschule gejobbt und hatte schon immer den Traum, in dieser Branche zu arbeiten. Ins Ausland zog es mich, weil ich Neues kennen lernen und Sprachen lernen wollte. Ich wollte damit meine Position im Hotelfach verbessern. Mein Bruder Mehmet und andere Verwandte aus der Türkei arbeiteten damals in Schweinfurt und die verschafften mir einen Praktikumsplatz zunächst im Rasthof Moritz in Rüdenhausen. Danach arbeitete ich zunächst branchenfremd, las aber dann eine Annonce der Naturfreunde Sennfeld.
Dieses Engagement dauerte von 1987 bis 1990. Dann folgte das Angebot der Naturfreunde aus Schweinfurt.
Tuncer: Einige Verantwortliche kamen zu mir zum Probeessen und wollten mich nach Schweinfurt holen. Und ich wollte mich verbessern. Das passte doch prima. Reizvoll war der große Saal und der Biergarten. Und auch die Wohnung im Obergeschoss und die Nähe zum Stadtzentrum spielten eine Rolle. Das war für mich auch eine Herausforderung.
Wer ins Naturfreundehaus zum Essen geht, der sagt nicht, ich gehe ins Naturfreundehaus, der sagt, ich gehe zum Veli. Der Wirt Tuncer ist also ein Markenzeichen geworden. Warum jetzt Berlin?
Tuncer: Das hat viele Gründe. Ich komme aus einem kleinen Dorf, habe mich in die Großstadt nach Istanbul aufgemacht und dann nach Deutschland. Während der 26 Jahre Schweinfurt wollte ich immer wieder mal weiterziehen, hatte Nürnberg und München im Auge und jetzt ist es eben Berlin geworden. Mit ein Grund ist auch die wirtschaftliche Entwicklung. Schweinfurt ist enger geworden, die Leute gehen weniger aus.
Sie haben mit einem Imbissstand in der Markthalle versucht, sich ein zweites Standbein aufzubauen. Ist das Scheitern dort ein Grund mit?
Tuncer: Nicht direkt, das alles hat die Entscheidung aber beeinflusst. Mein Angebot in der Markthalle ist nicht so angenommen worden wie erhofft. Ich habe aufgehört, weil ich nicht draufzahlen wollte und konnte. Deshalb auch bin ich Georg Michael Rosa sehr dankbar, dass er mich aus dem Vertrag entlassen hat.
Die Entscheidung Berlin ist also eine Kopf-, weniger eine Bauchentscheidung?
Tuncer: Mir fällt das alles absolut schwer. Ich bin mit dieser Stadt verwurzelt, liebe die Menschen und lasse viele Freunde zurück. Wenn ich im Moment an Berlin denke, dann kommen mir die Tränen. Ich bin ein unterfränkischer Türke mit einem deutschen Pass und weiß, dass mein Herz in Schweinfurt bleibt. Ich bin mir auch sicher, dass ich wohl nie, so wie John F. Kennedy das getan hat, sagen werde, ich bin ein Berliner. Ich bleibe ewig ein Schweinfurter, aber jetzt ist die Entscheidung gefallen und ich blicke nach vorn.
Steht die Familie dahinter?
Tuncer: Ja. Wenngleich es vor allem für meine elfjährige Tochter Melissa, die die Rathenau-Realschule besucht, nicht leicht ist. Auch meine Frau Sema lehnte anfangs ab.
Das neue Restaurant mit rund 80 Sitzplätzen liegt am renommierten Potsdamer Platz und trägt den Namen des großen italienischen Komponisten Vivaldi. Veli Tuncer kocht aber türkisch.
Tuncer: (lacht wieder) Ich werde auch weiterhin türkische Eigenkreationen kochen und werde den Namen Vivaldi wohl nicht behalten. Schweinfurter Freunde raten mir, das Restaurant "Bei Veli" zu nennen. Dann fänden die Schweinfurter auch schneller zu mir in die Stresemannstraße 99. In Berlin werde ich mit den Leuten so umgehen, wie in Schweinfurt. Hier gab es beispielsweise nie eine ausländerfeindliche Äußerung. So wie es in den Wald schreit, so kommt es eben auch zurück.
Was bleibt hängen von Schweinfurt und den Menschen ?
Tuncer: Unheimlich viel. Das Naturfreundehaus ist ja auch SPD-Hochburg und ich habe viele SPD-Größen getroffen und viele Minister gesehen, die man sonst nur im Fernsehen sieht. Zuletzt schaute Ministerin Wieczorek-Zeul sogar einfach in meine Küche rein. Schweinfurt ist eine kleine, ruhige, überschaubare Stadt. Jeder kennt hier jeden. Das wird in Berlin alles anders, das ist mir schon klar.
Wann ist Schluss?
Tuncer: Schon bald. Das letzte Essen und die letzte große Veranstaltung im Saal gibt es am 10. April. Dann sperre ich zu. Die Naturfreunde suchen übrigens noch einen Nachfolger. Wenn es an dieser Stelle möglich ist, dann danke ich den Naturfreunden für die langjährige Zusammenarbeit und wünsche mir von meinen Gästen, dass sie die Treue halten.