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EBRACH: Im Knast den Quali machen

EBRACH

Im Knast den Quali machen

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    Gitter, Tore, Schlösser: Für Jörg Hinney, Lehrer in der JVA Ebrach, ist das ein gewohnter Anblick.
    Gitter, Tore, Schlösser: Für Jörg Hinney, Lehrer in der JVA Ebrach, ist das ein gewohnter Anblick. Foto: Foto: Susanne Wiedemann

    Am Anfang war es schon komisch, als das Tor hinter einem zugegangen ist, sagt Jörg Hinney, einer der Lehrer an der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ebrach. Auch wenn die Klassenzimmerfenster vergittert sind, er und seine Kollegen die Schüler aus ihren Zellen abholen: „Für uns und die Insassen ist das normaler Alltag“, sagt Vladimir Sparber, der seit 33 Jahren Lehrer an der JVA ist.

    338 Haftplätze, wie das im Amtsdeutsch heißt, hat der Knast. Wer hier sitzt, kann zum Beispiel den Quali, den qualifizierenden Hauptschulabschluss, oder eine Berufsausbildung machen, Grundlehrgänge in Metalltechnik oder Gebäudereinigung belegen, den Gabelstaplerführerschein machen.

    Schweizer informieren sich

    Für die JVA, die Möglichkeiten, die sie bietet, interessieren sich zur Zeit die Schweizer Medien. Denn die drei Jugendlichen, die zur Zeit in München vor Gericht stehen, weil sie im vergangenen Sommer auf einer Klassenfahrt fünf Menschen brutal zusammengeschlagen haben, werden ihre Strafe in Ebrach verbüßen müssen. Die drei Schüler müssen sich wegen Körperverletzung und versuchten Mordes verantworten. Das Schweizer Fernsehen war da, die Neue Zürcher Zeitung hat sich informiert, erzählen Sparber und Hinney. In der Schweiz scheint der Umgang mit gewalttätigen Jugendlichen ein anderer zu sein, die drei Jungs waren für Diebstahl und Schlägereien mit Sozialdienst bestraft worden. Deswegen auch die Neugier auf das deutsche System, das, obwohl es auf Erziehung statt nur auf Strafe setzt, im Vergleich härter ist.

    Grundlos auf Leute einschlagen, draufhauen, wenn jemand schon am Boden liegt. Solche Geschichten liest man in letzter Zeit oft. Woran liegt das? Genau können das Hinney und Sparber auch nicht sagen, aber sie haben die Erfahrung gemacht, dass viele Jugendlichen, die hier sitzen, keine Sozialisation erlebt haben. Keine Regeln kennen, nicht wissen, wie man sich in eine Gruppe integriert, wie man mit Konflikten umgeht. Oft auch einfach Grenzen nicht kennen – weil sie schlicht nicht wissen, dass es sie gibt.

    Soziales Verhalten, so was lernt man auch im Kindergarten, sagt Hinney, 70 Prozent seiner Schüler, so Hinney, waren da nie. Vater, Mutter, Kind: Die Art von Familie kennen auch viele nicht. Vater weg, Mutter überfordert, Kind allein, das trifft es eher. „In der Pädagogik wird das mit veränderter Kindheit umschrieben.“

    Werte und Normen fehlen, beobachten Hinney und Sparber. Wenn einer von meinen Jungs einen Spitzer vom Banknachbarn will, dann sagt er nicht Bitte oder Danke. Er sagt „Arschloch, Spitzer!“. „Wir resozialisieren nicht, wir sozialisieren“, sagt Hinney.

    Die acht Lehrer, darunter zwei Frauen, siezen die Schüler, legen Wert auf einen ganz normalen Umgangston. „Man merkt die Erfolge“, meinen die zwei. Wer übrigens glaubt, Lehrerinnen hätten es im Knast schwerer, täuscht sich. „Da ist man nicht ganz so unverschämt, will einen guten Eindruck machen“, meint Hinney. Vom Schnitt sind wir besser als die Schule draußen, sagen die beiden Lehrer. über ihre Quali-Leute. „Die kriegen hier nichts nachgeschmissen“, sagen sie. Das Vorurteil hält sich wohl hartnäckig. Die Vorschriften der Hauptschule sind hier die gleichen wie draußen. Und die Arbeiten bekommt ein Zweitkorrektor.

    Gezielte Vorbereitung

    Der gute Schnitt, 2, 0 bei der letzten Prüfung, liegt wohl an den kleinen Gruppen, an der gezielten Prüfungsvorbereitung. Aber wohl auch daran, dass die Lehrer in der JVA störende , auffällige Schüler anders disziplinieren können als draußen. Vom Unterricht ausgeschlossen zu werden, trifft einen Gefangenen härter. Wer eine Schulausbildung macht, kriegt ein paar Euro, eventuell läuft Kindergeld weiter, wie draußen eben auch. Davon wird niemand reich, aber er kann vielleicht, wenn er rauskommt, die Kaution für eine Wohnung zahlen.

    Draußen wie drinnen freut sich ein Lehrer, wenn er sieht, wie einer seiner Schüler Fortschritte macht. „Mir reicht es schon, wenn einer von sich aus merkt, wie wichtig das ist“, sagt Hinney. Oder mich fragt, ob es ein Buch zu einem bestimmten Thema gibt. Wichtig ist es auch, Struktur in den Tag zu bekommen, ihn zu gestalten. Viele kennen nur anhängen, Computer-Spiele, Party machen. Sinnvolle Freizeitgestaltung, auch so was kann man im Knast lernen. Regeln, Werte, so was vermittelt auch Sport. „Sportentzug ist eine härtere Strafe als Einkaufsstopp“, sagen die Lehrer. Sparber hat sich viel für Schüler eingesetzt, Stellen besorgt, wollte beim Eintritt in das normale Leben helfen. Das hat nicht immer geklappt, es gab Enttäuschungen. Bittere sogar. Das gehört wohl auch zum Job. Auch wenn Jörg Hinney sagt: „Das ist kein Job, das ist eine Berufung.“

    JVA Ebrach

    Die Justizvollzugsanstalt Ebrach ist im Hauptbau des 1127 gegründeten Zisterzienserklosters untergebracht. Nach der Säkularisation waren hier verschiedene Strafanstalten untergebracht. Seit 1958 ist hier eine Jugendstrafanstalt eingerichtet. Hier sitzen männliche Gefangenen ab 17 Jahren ein.

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