Für nur einen Nachmittag sei dieses Gebäude eine Herausforderung, meinte Dr. Thomas Eißing vom Institut für Archäologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte (Abteilung Bauforschung und Denkmalpflege/Dendrochronologie) der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Zusammen mit vier Studentinnen der Denkmalpflege und einem Assistenten besuchte er das 400 Jahre alte Wohnstallhaus in der Herlindenstraße 32, das im Besitz der Interessengemeinschaft für Bauwerkerhalt (IG) ist.
Im Rahmen ihrer Praxiswoche sollten die Studentinnen das alte Haus und seinen Aufbau kennenlernen, wobei das besondere Augenmerk auf das im Gebäude verwendete Holz gelegt und dessen Alter bestimmt werden sollte.
Unter Führung von Matthias Braun, dem Vorsitzenden der Interessengemeinschaft für Bauwerkerhalt und weiteren Mitgliedern, machten sich der Holzwirt und seine Begleiter zunächst mit den Gegebenheiten des Hauses vertraut. Dabei entdeckten sie immer wieder Neues und Erstaunliches. Das Erdgeschoss wurde im 19. Jahrhundert umgebaut, ist sich Dr. Eißing sicher. Darauf weisen viele Dinge wie ein nachträglich eingebauter Keller und die dadurch erhöhte Wohnstube hin. In dieser Zeit dürfte auch die Kammer von der Wohnstube abgetrennt worden sein und das ursprüngliche Fachwerkhaus erhielt eine Steinmauer.
In drei Phasen Veränderungen
Mehr Kopfzerbrechen bereitete Dr. Eißing – auch er war zum ersten Mal vor Ort – das Dachgeschoss. So könnten die vier Zimmer über dem Wirtschaftsbereich früher als Altenteil genutzt worden sein. Damit wäre auch der verrußte obere Flur zu erklären, der vermutlich als Küchenstelle diente. Verschiedene Jahreszahlen im Putz und viele weitere kleine Details deuten auf die Möglichkeit hin, dass auch hier umgebaut wurde. Mindestens in drei Phasen wurden im Haus Veränderungen vorgenommen, vermutet Dr. Eißling. Zweck der Anwesenheit der Bamberger Besucher war, festzustellen, welche Teile des Hauses noch aus der Erbauungszeit stammen und welche später angebaut, beziehungsweise umgebaut wurden.
Durch Bohren quer durch das Holz entnahmen sie Proben in Form von langen Stiften aus verschiedenen Holzbalken des Gebäudes. Wenn der letzte Ring vorhanden ist, ist es so anhand der Abfolge der Jahresringe möglich, das Fälldatum zu bestimmen.
Bemerkenswert ist, dass im Haus sowohl Balken aus Eichenholz, die aus der Region stammen, wie auch solche aus Nadelholz aus dem Frankenwald verwendet wurden. Das Nadelholz, woraus vorwiegend die Dachsparren bestehen, wurde als Floßholz über den Main transportiert, wofür der Holzwirt eindeutige Hinweise an den Balken fand. Deutlich lesbar ist die eingeritzte Nummerierung der Sparren des Dachstuhls (Abbundzeichen) durch den Zimmermann, was für den Professor und seine Studenten von besonderer Bedeutung war. Anhand der Zeichen konnten sie überprüfen, ob das Holz vollständig aus der Erbauungszeit des Gebäudes stammt oder erst später eingefügt wurde.
Mit ihren Holzproben und den gewonnenen Erkenntnissen verließen die Bamberger Besucher nach mehr als fünf Stunden Aufenthalt schließlich das 400 Jahre alte Gebäude. Im Dendrolabor der Universität wurden dann die Proben ausgewertet.
Weitere Untersuchungen
Tatsächlich aus der Erbauungszeit des Gebäudes stammt der komplette Dachstuhl und damit auch das erste Obergeschoss, ist nun dem Bericht von der Universität zu entnehmen. Dies zeige die durchgängige Nummerierung der Sparren sowie die Dendroproben. Nur die östliche obere Stube wurde im 18. Jahrhundert verändert. Nicht eindeutig dagegen waren die Ergebnisse der Holzproben aus dem Wirtschaftsteil des Erdgeschosses. Sie sollen wiederholt und erneut bestimmt werden. Klar ist allerdings, dass im Erdgeschoss mehr Veränderungen vorgenommen wurden als im Obergeschoss.
Komplett als Fachwerkkonstruktion wurde das Gebäude ursprünglich errichtet, stellte bei seiner restauratorischen Befunduntersuchung mittlerweile der Restaurator Edgar Hartmann fest. Dies konnte er aufgrund des Wand- und Putzaufbaus nachweisen. Auch entdeckte er im Innern Fachwerkfassungen. Somit stellt sich das Haus als sehr ursprünglich erhalten dar und ist für die Region ein seltenes Zeugnis aus der Zeit des beginnenden 17. Jahrhunderts.
Am Gebäude und den Ergebnissen der Voruntersuchung Interessierte können jederzeit mit den Verantwortlichen der IG Kontakt aufnehmen.