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TRAUSTADT: In der Welt unterwegs, in der Heimat verwurzelt

TRAUSTADT

In der Welt unterwegs, in der Heimat verwurzelt

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    10. Oktober 1989, Kirche Sant'Ignazio, Rom: Kardinal Josef Ratzinger weiht Matthias Türk aus Sennfeld zum Priester.
    10. Oktober 1989, Kirche Sant'Ignazio, Rom: Kardinal Josef Ratzinger weiht Matthias Türk aus Sennfeld zum Priester. Foto: Foto: Klemens Vogel

    Telefoninterview um 12 Uhr mittags zwischen Schweinfurt und Rom. Der Anlass: Matthias Türk (51), aus Sennfeld stammender Priester und seit 1999 Mitarbeiter im Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen in Rom, feiert heuer Silbernes Priesterjubiläum. Anlass genug, über seine weltweiten Gespräche mit Vertretern anderer christlicher Kirchen und sein Selbstverständnis als Priester zu sprechen. Auf die Frage, ob in diesem Moment auch in Rom gerade die Mittagsglocken läuten, hat Türk, der den Ehrentitel Monsignore trägt, eine ebenso überraschende wie kundige Antwort: Seit 1847 wird in Rom auf dem Hügel Gianicolo eine Mittagskanone abgefeuert, und zwar so pünktlich, dass die Römer immer noch ihre Uhren danach stellen. Der Grund: Papst Pius IX. hatte sich so über die unterschiedlich gehenden Kirchturmuhren der Ewigen Stadt geärgert, dass er diesen drastischen Schlussstrich zog. Also läuten zu Beginn des Gesprächs nur die Glocken von Heilig Geist auf der Schweinfurter Seite.

    Frage: Ich habe gerade die Bilder unserer letzten Begegnung durchgeschaut – Sie sind schwer zu fotografieren, weil Sie immer in Bewegung sind. Das gilt offenbar für Ihr ganzes Leben.

    Matthias Türk: Ja, das bringt der Einsatz für Kirche und Ökumene oft mit sich.

    Wo auf der Welt sind Sie unterwegs?

    Türk: Gerade bin ich auf dem Sprung zu einer Konferenz in Helsinki. Unsere ökumenischen Gespräche finden ja auf der internationalen Ebene weltweit statt. Meine Gesprächspartner finden sich vor allem in den Ländern, in denen es evangelisch-lutherische Kirchen gibt. Und das sind mehr als man zunächst vielleicht denkt – Deutschland natürlich, die Heimat Martin Luthers, dann Skandinavien mit einer nahezu rein lutherischen Bevölkerung , Nordamerika mit seinen verschiedenen evangelischen Gemeinschaften, die von den Auswanderern begründet wurden. Dazu Südamerika und Afrika, zurückgehend auf die Kolonial- und Missionszeit. Aber auch Asien und Ozeanien. Ich bin erst neulich in Japan gewesen, wo es in Tokio sogar eine eigene lutherische Fakultät gibt.

    Wie viele Tage im Jahr sind Sie auf Reisen?

    Türk: In unserem Büro wurde vor einiger Zeit eine elektronische Stechuhr eingeführt, die ich leider oft nicht bedienen kann. Zusammengerechnet komme ich auf ein Drittel bis fast sogar auf die Hälfte der Tage im Jahr, an denen ich nicht in Rom bin, mal mehr, mal weniger, je nachdem wie viele Besprechungen in den Kommissionen nötig sind.

    Rückblick: Wie haben Sie den Tag Ihrer Priesterweihe, den 10. Oktober 1989, erlebt?

    Türk: Erst mit großer Aufregung und dann großer Freude, Dankbarkeit und Glaubenszuversicht. Es waren ja viele aus der Heimat zu meiner Priesterweihe nach Rom gekommen.

    Platz genug war ja in Sant’ Ignazio – eine riesige, prunkvolle Kirche.

    Türk: Damals war sie bis auf den letzten Platz besetzt. In diesem Jahr, als wir als Silberjubilare die diesjährige Weiheliturgie dort mitgefeiert haben, war sie nur noch halb gefüllt. Es sind ja weniger Kandidaten und dadurch auch weniger Gottesdienstteilnehmer. Sant’ Ignazio ist die alte Kollegskirche des Collegium Romanum, der ersten römischen Universität, eingerichtet im 16. Jahrhundert von Papst Gregor XIII. auf Veranlassung von Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens. Seitdem gibt es am Collegium Germanicum Hungaricum, an dem ich studiert habe, die Tradition, dass genau in dieser Kirche als Universitätskirche die Priesterweihe stattfindet. Hier wurde übrigens auch Generalvikar Karl Hillenbrand zum Priester geweiht, der vor kurzem völlig überraschend verstorben ist. Ich hatte mich noch sehr gefreut, als Karl Hillenbrand gerade wieder in Rom gewesen ist und die Predigt im Gottesdienst anlässlich meines Silbernen Priesterjubiläums gehalten hat.

    Geweiht hat Sie damals Josef Kardinal Ratzinger. Wie kam es dazu?

    Türk: Da die Weihekandidaten eines Jahrgangs im Germanicum aus ganz unterschiedlichen Heimatdiözesen verschiedener Länder stammen, müssen sie sich auf einen Bischof einigen, den sie um die Erteilung der Priesterweihe bitten können. In unserem Jahr wollten wir einen in Rom tätigen deutschsprachigen Bischof darum bitten und freuten uns über die Zusage von Kardinal Josef Ratzinger, dem damaligen Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre.

    Sie haben einmal gesagt, man bleibt ein Leben lang dem Bischof seiner Weihe verbunden. Sie haben Josef Ratzinger dann ja oft getroffen – als Präfekt und als Papst. Wie ist das heute nach der Emeritierung?

    Türk: Er führt ein zurückgezogenes Leben des Gebets im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikanischen Garten, wie er es sich gewünscht hat. Das hat meiner Meinung nach auch seinen Sinn darin, damit es keine zweite päpstliche Stimme in der Öffentlichkeit gibt. Diesem Grundsatz bleibt er treu. Früher, in seiner Zeit als Kardinal, zelebrierte er regelmäßig einmal in der Woche die Heilige Messe in der Kirche des vatikanischen Campo Santo Teutonico, wo ich bis heute zuhause bin, und nahm danach auch am Frühstück der Hausgemeinschaft teil, eine Verbindung von Gottesdienst- und Lebensgemeinschaft. Auf diese Weise ist der Kontakt zu dem Bischof, der mich geweiht hat, gut erhalten geblieben.

    Wie sehr hat er Sie theologisch geprägt?

    Türk: Josef Ratzinger war ein theologischer Autor, der beim Studium an der päpstlichen Universität Gregoriana, an der wir eingeschrieben waren, eine wichtige Rolle spielte. Vor allem seine Veröffentlichung unter dem Titel „Einführung in das Christentum“ hat mich besonders angesprochen, die bis heute ein Grundlagenwerk der Fundamentaltheologie bildet, ein Fach, das ich mir als Spezialfach ausgewählt hatte. Dazu ist sein dreiteiliges Jesus-Buch hervorzuheben, das er noch als amtierender Papst veröffentlicht hat, ein Werk, das meines Erachtens als geistliche und theologische Literatur zugleich, als Veröffentlichung eines Kirchenlehrers, bleibende Bedeutung behalten wird.

    Mit einem überarbeiteten Aufsatz zum Thema Kommunion für Wiederverheiratete hat er aber dennoch jetzt für Aufsehen gesorgt. Da hat er sich aus der Abgeschiedenheit herausbegeben.

    Türk: Lassen Sie mich hier einen Vergleich anführen im Blick auf die Bischofssynode vom Oktober 2014. Viele Teilnehmer sagten mir damals: Es gibt die Synode der Bischöfe, und es gibt die Synode der Medien. Ich denke, dass auch die Kommentierung der Veröffentlichung dieses Aufsatzes auf der Ebene der Medien anzusiedeln ist. Denn die Überarbeitung für die Gesamtausgabe seiner Werke lag, soweit ich informiert bin, in dieser Form schon im Sommer 2014 vor, noch weit vor der Synode, weswegen man meiner Meinung nach nicht vom Versuch einer Einflussnahme auf die Beratungen sprechen sollte.

    Spielt so eine aktuelle Frage auch eine Rolle in den Ökumenegesprächen?

    Türk: Bei den ökumenischen Treffen unserer Dialogkommissionen geben wir einander regelmäßig aktuelle Berichte aus den jeweiligen Kirchen. Das heißt, wir teilen uns gegenseitig mit, welche wichtigen Fragen anstehen, und versuchen, einander Hilfen anzubieten. Das war auch bei der Bischofssynode der Fall, an der wie immer ökumenische Delegierte teilgenommen haben. Die Tatsache, dass immer weniger Ehen gelingen, ist ja auch in den evangelischen und orthodoxen Kirchen ein drängendes Problem.

    Wie wirkt sich dann so eine Wortmeldung Ratzingers aus, die ja eher in eine konservative Richtung geht?

    Türk: Nach katholischem Verständnis ist die Ehe ein Sakrament – die Heilsbotschaft, dass die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau unverbrüchlich von Gott geschützt und begleitet wird bis dass der Tod sie scheidet. Die eheliche Gemeinschaft ist auch nach evangelischem Verständnis ein großes Gut, ein unersetzlicher Wert, ein Weg des Heils, der das Leben gelingen lässt, und den es zu schützen gilt. Wir stehen in dieser Frage evangelisch, katholisch und orthodox zusammen, um einen Weg zu finden, wie die Kirche den Ehepaaren unter den großen Belastungen, denen sie heute ausgesetzt sind, noch mehr beistehen könnte, wo sie Heimat und Schutz bieten könnte. Das verbindet uns durch alle Konfessionen und ist ein Grundanliegen des Papstes.

    Papst Franziskus hat die Ökumene zu einem Grundanliegen seines Amts erklärt. Er tut das weniger als Theologe, sondern eher durch seine offene Art – wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

    Türk: Ganz deutlich. Papst Franziskus hat erst vor wenigen Tagen bei der Privataudienz für die Vollversammlung unseres päpstlichen Rates für Ökumene eine Aussage getroffen, die mich sehr beeindruckt hat: Die Feinde der Christen und diejenigen, die schreckliche Morde an Christen verüben, haben viel deutlicher erkannt, wie sehr die Christen zusammengehören, mehr als es die Christen selbst verstehen, die noch in Konfessionen getrennt sind. Das war für mich ein starkes Beispiel, das den Skandal der Trennung der Christenheit ganz deutlich macht.

    Sie sind früh einen eigenen Weg gegangen. Gab es einen Moment, in dem Sie sich entschieden haben, kein Gemeindepfarrer zu werden?

    Türk: Ich wollte Priester werden. Es geht mir bis heute um die Nachfolge Christi im priesterlichen Dienst. Es gibt diesen Moment, als der Herr am See Genezareth zu den Fischern sagt, „Kommt und seht“. Da gibt es noch keine größere Absprache und Planung. Niemand weiß, was auf ihn zukommt. Das ist für mich immer das Eigentliche gewesen. Und je mehr ich in meinen theologischen und philosophischen Studien davon kennen gelernt habe, desto mehr wollte ich mitgehen, weiter auf dem Weg hin zur Priesterweihe. Welche konkreten Formen der Nachfolge Christi es danach geben kann und welcher bestimmte Dienst in der Kirche vor mir liegen würde, war für mich nicht die Hauptfrage. Ich wollte mich zur Verfügung gestellt wissen. Was die Anforderungen von Bischof, Diözese beziehungsweise Ortskirche sein würden, war für mich die Aufgabe, der ich mich stellen wollte.

    Es muss doch jemand gegeben haben, der irgendwann gesagt hat, diesen jungen Theologen, den stecken wir nicht in eine Pfarrei.

    Türk: Genau umgekehrt war es. Nachdem ich vom Studium in Rom zurückgekehrt war, kam ich als Kaplan in das Dekanat Schweinfurt Süd, in die Pfarreien Traustadt, Donnersdorf und Pusselsheim mit Filialen. Im Dorf Falkenstein am Rand des Steigerwalds gab es zum Beispiel nur etwa 50 katholische Einwohner. Bei der Vorabendmesse, die dort immer sehr gut besucht war, hatten wir oft bis zu 200 Prozent Kirchenbesuch, was rein statistisch gesehen einen sehr guten Eindruck gemacht hat. Dann gab es die wichtige Einzelseelsorge, Jugendarbeit, Begegnung mit den Senioren, das kirchliche Brauchtum auf dem Land – alles, was den Verlauf des Kirchenjahres prägt, bei Festtagen Prozessionen mit dem Allerheiligsten um die Kirche, im Frühjahr Einsegnung der Fluren und der Dörfer. Das waren für mich ganz prägende Erlebnisse. Von dieser Volksfrömmigkeit zehren wir heute noch. Denn sie kann uns deutlich vermitteln, wie sehr an Gottes Segen alles gelegen ist. Nach zwei Jahren hieß es für mich Abschied nehmen und ich wechselte nach Würzburg Heidingsfeld.

    Aber das war lange nicht der Endpunkt.

    Türk: Bischof Paul-Werner Scheele hatte mich später mit einem Promotionsvorhaben beauftragt und mir zugleich die Aufgabe des bischöflichen Sekretärs übertragen. Nach Abschluss der Promotion im Fach Fundamentaltheologie bat er mich, die seit längerem unbesetzte Stelle des Referenten für die Beziehungen zum Lutherischen Weltbund beim Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen in Rom zu übernehmen. Dass ich bei ihm schon sehr viel über Ökumene gelernt hatte, half mir bei der neuen Aufgabe sehr. Bis heute bin ich dankbar, mit ihm im gemeinsamen Einsatz für die Ökumene verbunden zu sein. Meinem Empfinden nach sind die Dienste, die ich übernommen habe, immer aus Notwendigkeiten heraus geboren und nicht aus strategischen oder strukturellen Überlegungen.

    Hat sich Ihr Selbstverständnis als Priester in diesen 25 Jahren verändert?

    Türk: Grundsätzlich möchte ich sagen, dass ich immer mehr das Wirken Gottes in allem verspüre. Das möchte ich nicht nur als fromme Aussage formulieren, sondern wirklich: Wenn ich einzelne Begegnungen und Ereignisse anschaue, die mich und die Welt um mich herum betreffen, merke ich immer stärker, dass noch eine ganz andere Hand im Spiel ist. Dafür bin ich am meisten dankbar.

    Sie sind oft an Weihnachten zur Christmette in Sennfeld. Und am 7. Dezember feiern Sie dort das Priesterjubiläum. Wie wichtig ist der Kontakt zur Heimat?

    Türk: Ähnlich wie bei anderen Berufstätigen im Ausland sind Besuche in der Heimat nur in Abständen möglich und deswegen versuche ich, jede Gelegenheit zu nutzen, um dort einen Besuch zu machen. Wichtig ist mir natürlich die Verbindung zur Familie und zu meinen Eltern in Sennfeld. In Absprache mit dem Heimatpfarrer helfe ich auch sehr gerne in der Seelsorge aus und übernehme verschiedene Gottesdienste. Eigentlich ist die Heimat, einschließlich Diözese, Pfarrei und Gemeinde, immer die Grundlage geblieben, von der aus ich mich zu einem bestimmten Dienst ausgesandt empfinde. Verwurzelt bleibe ich dort, wo ich herstamme. Und so freue ich mich immer wieder sehr auf das Wiedersehen in der Heimat.

    Der festliche Gottesdienst anlässlich des Silbernen Priesterjubiläums von Monsignore Matthias Türk findet am Sonntag, 7. Dezember um 9.30 Uhr in St. Elisabeth in Sennfeld statt.

    Der Traustädter Kaplan

    Monsignore Dr. Matthias Türk bleibt weiterhin in der weltweiten Ökumene tätig. Bischof Friedhelm Hofmann verlängerte Türks Einsatz in Rom bis Januar 2019. ImJahr 1989 weihte ihn der damalige Kardinal Joseph Ratzinger in der römischen Kirche Sant’ Ignazio zum Priester. Nach dem Abschluss des Lizentiats-Studiengangs 1991 wirkte Türk als Kaplan in Traustadt und ab 1993 in Würzburg-Heidingsfeld. 1994 wurde Türk Sekretär von Bischof Paul-Werner Scheele. Nach seiner Promotion im Fach Fundamentaltheologie wechselte Türk im Januar 1999 nach Rom. Dort ist er Mitarbeiter im Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen und für die Beziehungen zum Lutherischen Weltbund und der Altkatholischen Kirche zuständig.

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