In manchen Sommerwochen wirkt das zitronengelbe Drei-Sterne-Hotel Esperanto in Selce an der kroatischen Crikvenica-Riviera wie eine unterfränkische Enklave. Auf dem Parkplatz stehen Fahrzeuge mit Schweinfurter, Würzburger oder Bad Kissinger Kennzeichen in Reih und Glied, auf der Terrasse des Restaurants wird der fränkische Zungenschlag gepflegt und es kommt durchaus auch vor, dass neben dem Swimmingpool jemand in der Samstagsausgabe des Tagblatts schmökert.
Eigentlich sucht man genau das ja nicht in den schönsten Wochen des Jahres und denkt unweigerlich an Gerhard Polts Persiflage auf den italienischen Teutonen-Grill Bibione („Man spricht deutsch“). Aber hier kommt das Ganze etwas gediegener, sympathischer daher, die kroatische Authentizität wird dadurch nicht geschmälert und außerdem gibt es für die Anhäufung von Schnüdeln und Vorrhönern einen nachvollziehbaren Grund.
Der heißt Claudia Horvat, geborene Brand, stammt aus Obereuerheim und ist die Besitzerin des Hauses, das eines der ersten privat geführten Hotels in dem von staatlichen Bettenburgen geprägten Kroatien war. 1997 erwarb die im Schweinfurter St.-Josef-Krankenhaus geborene Tochter einer vielköpfigen Landwirtschaftsfamilie gemeinsam mit ihrem kroatischen Mann Ferdo die frühere Villa in dem Küstenort 40 Kilometer südlich von Rijeka, verpachtete zunächst die Gastronomie und betrieb ab dem Jahr 2004 dann selbst das Hotel. Die ersten Gäste kamen aus Unterfranken – aus Würzburg, wo Claudia und Ferdo viele Jahre ein kroatisches Speiselokal geführt hatten und aus dem Umfeld der Familie in Obereuerheim. Ein Teil des Umsatzes, der im Esperanto getätigt wird, verbleibt heute noch in Deutschland. Denn Claudia Horvat vermarktet die Übernachtungskapazitäten exklusiv über ein in der Würzburger Martin-Luther-Str. 1 gemeldetes Reisebüro. Die allermeisten Buchungen erfolgen dabei online und mittlerweile natürlich quasi „aus aller Welt“.
Wie haben sich nun die Wege des „Obereuerheimer Kindes“ in Richtung Kroatien entwickelt? Vom landwirtschaftlichen Anwesen der Eltern in „Oböröem“ – zwischen Kirche, Schloss und dem Gasthof „Zum schwarzen Adler“ – zog es die 1960 geborene Claudia nach der Schule in Richtung Bad Kissingen, wo sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau absolvierte. Eine neue Arbeitsstelle trat sie 1981 im Würzburger Restaurant Luisengarten an, das damals von den kroatischen Brüdern Mato und Ivo Horvat geführt wurde, inzwischen nur noch von Ivo. Dort lernte sie im gleichen Jahr noch den auf Besuch weilenden weiteren Bruder Ferdo kennen, einen gelernten Metzger und Koch. Die beiden verliebten sich und heirateten schon ein Jahr später; bis 1992 arbeiteten sie dann gemeinsam im Luisengarten.
Die „Feggrube“ in Würzburg
Den Würzburgern bekannt ist ihre nächste Station – das kroatische Speiselokal „Zur Feggrube“ in der Sanderau. Zwölf Jahre lang, bis 2004, waren sie dort „arbeitsteilig“ tätig; Ferdo kochte, Claudia verantwortete den Service. In diese Zeit fiel auch der Erwerb einer staatlichen Villa im kroatischen Selce. 1997 war das, also sechs Jahre nach der Unabhängigkeit des einst zu Jugoslawien zählenden Küstenstaats, als die politischen Verhältnisse sich zu stabilisieren begannen. Während Claudia und Ferdo sich in Würzburg um ihr Lokal kümmerten, leitete in Selce Jakob, ein weiterer Bruder Ferdos, die Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten an dem strandnah gelegenen Haus. 2002 wurde der fertige Komplex zunächst verpachtet, 2004 gaben die Horvats ihre Würzburger Existenz auf und betreiben das „Esperanto“ seitdem in eigener Regie. „Die Trennung von vielen lieben Freunden und Stammgästen schmerzte seinerzeit“, erinnert sich Claudia Horvat an die einschneidende Entscheidung. Allerdings ist sie Unterfranken verbunden geblieben, pendelt heute mehrmals auch während der Saison mit dem Flieger zwischen dem nahen Flughafen Rijeka auf Krk und Stuttgart/Würzburg, wo sie ihr Online-Reisebüro in der Familienwohnung über dem Restaurant Luisengarten betreibt.
Außerdem ist in Kroatien nicht ganzjährig Saison, weil die Fallwinde aus den über 1000 Meter hohen Bergen in unmittelbarer Nähe der Küste im Winter für richtig ungemütliches Wetter sorgen. Deshalb schließt das „Esperanto“ von November bis Februar auch seine Pforten und die Horvats „überwintern“ in Deutschland. Dann wohnen Claudia, Ferdo und der 1986 geborene Sohn Christian in Würzburg, treffen sich mit alten Bekannten in Schweinfurt und Umgebung und natürlich auch mit der Familie in Obereuerheim, „am liebsten in Toms Pizzastübchen“, wie Claudia verrät.