Es ist warm, die Luft ist feucht und bis knapp zwei Meter hohes "Grünzeug", das bei oberflächlicher Betrachtung als Schilf durchgehen könnte, steht dichtgedrängt im Gewächshaus. Deutlich wahrnehmbares, aber nicht zu intensives Ingweraroma, wie wir es kennen, wenn die Kollegen sich einen Tee mit frischen Ingwerscheibchen darin aufbrühen, findet seinen Weg in die Nase. Wir befinden uns aber nicht irgendwo in den Tropen, Südamerika, China, Australien oder im afrikanischen Nigeria, wo Ingwer unter anderem angebaut wird, sondern in Sennfeld bei Schweinfurt.

Sennfeld ist berühmt für den seit Generationen gepflegten Gemüseanbau. Kohl, Karotten, Gurken und überhaupt "grüne Ware aller Art" – nicht umsonst hat sich die Firma Kühne dort niedergelassen – werden im Gemüsedorf angebaut. "Alles außer Spargel", wie Gärtnermeister Gustav Tietze schmunzelnd erzählt, baut auch der Naturlandhof Tietze an. Und jetzt eben auch noch Ingwer.
Neuland auch für erfahrene Gärtner
"Es war ein Wagnis, es war ein Experiment, es hätte auch schief gehen können", räumt Juniorchef Gärtnermeister Sebastian Tietze ein. 1000 Rhizome, also keimfähige Ingwerknollen, hat man sich aus Peru kommen lassen. Zunächst in Anzuchtkisten gut wärmeverpackt und mit ausreichend Wasser versorgt, waren die Pflanzen Anfang Mai gut einen halben Meter groß. Dann der Umzug ins 200 Quadratmeter große Glashaus. Bei mindestens 20 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit gediehen die Pflanzen prächtig. Natürlicher Stickstoff-Dünger, wie er auch anderem Bio-Gemüse beim Wachsen hilft, wurde zugegeben.
Im heißen Sommer, so Sebastian Tietze, war es sogar nötig für Schatten zu sorgen, denn der Ingwer liebt es zwar kuschelig warm, mag aber nicht in der prallen Sonne stehen. Wie das geht mit dem Ingweranbau in unseren Breiten, das kann man nirgends nachlesen oder sich im Internet darüber schlau machen, man muss seine Erfahrungen selber machen. Zu unterschiedlich sind die verschiedenen Ingwersorten, und keiner konnte voraussagen, wie sie auf den Sennfelder Kulturboden reagieren würden. Ein Sprung ins kalte Wasser sozusagen, auch für erfahrene Gärtnermeister wie Sebastian Tietze, der für die vierte Generation dieses Familienbetriebes steht.
Ingwer mit beinahe kuschelig weicher Haut
Nicht ganz ohne Grund steht ein altes grünes Sofa im Gewächshaus, von dem aus man den Ingwer bestens im Blick hat. Ein bisschen was von einem "Pflanzenversteher" muss man schon haben, um zu sehen, ob es den Pflanzen gut geht, was sie brauchen und was man lieber weglassen sollte. Das Experiment ist gelungen. "Am 20. September haben wir die ersten Knollen aus dem Boden geholt, seit Oktober wird nach und nach geerntet", so Sebastian Tietze. Und man muss nicht einmal ein Fachmann sein um zu erkennen, dass da richtige Prachtknollen herangereift sind, die schon nach leichtem Reiben ein intensives Ingweraroma von sich geben. Frischer Ingwer hat im Gegensatz zu ausgereiftem Ingwer mit seiner eher harten Schale, eine ganz weiche Haut.
Und warum ausgerechnet Ingwer als exotischer Neuling im Gewächshaus? "Ingwer wird immer mehr nachgefragt, kann viel mehr als nur Tee", weiß Sebastian Tietze. Viermal in der Woche ist der Biobetrieb auf dem Schweinfurter Wochenmarkt vertreten, bietet seine frische grüne Ware an. Um den Kundenwünschen nach Ingwer nachkommen zu können, wurden schon bisher Knollen aus Peru bezogen. Warum also nicht ein paar mehr importieren und selber anbauen, so die nahe liegende Überlegung. Den Ausschlag für das Wagnis gaben Versuche der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Bamberg (LWG). Dort wurde die Knolle 2018 erstmals versuchsweise unter Folienabdeckung angebaut. Das Ergebnis war äußerst ermutigend.

Jetzt, mit dem frischen Ingwer im Angebot, dem man förmlich noch ansieht, dass er gerade aus dem Boden gekommen ist, ist die Nachfrage noch einmal gestiegen. Inzwischen ist es nicht nur der Schweinfurter Wochenmarkt, auf dem der Ingwer angeboten wird. Auch an die Öko-Kiste Schwarzach gingen erste Lieferungen raus, es gibt Anfragen von Gourmet-Restaurants, die in ihre Angebote für verwöhnte Gaumen das frische Ingwer-Aroma einbauen möchten.
Auch 2020 gibt es Sennfelder Ingwer
Und wie geht es weiter mit dem Ingwer in Sennfeld? Auf jeden Fall experimentell, denn man wird sehen müssen, wie die Rhizome über den Winter kommen, ob sie weich werden, wenn man sie im Boden belässt, ob man aus der Ernte eigenes neues keimfähiges Saatgut gewinnen kann. "Wir bauen auch im nächsten Jahr wieder Ingwer an", so Sebastian Tietze. Zwar wegen der Fruchtfolge an anderer Stelle, dafür aber mit den heuer gemachten Erfahrungen im Gepäck. Das grüne Sofa, von dem aus man das Ingwerdickicht so schön beobachten kann, bleibt also erstmal stehen.
Wo der Ingwer herkommt und was er alles kann Vor allem in den Tropen und Subtropen, aber auch in Ländern wie Australien, Nigeria und sogar Frankreich wird Ingwer angebaut. Indien gilt als größter Ingwer-Produzent, die ursprüngliche Heimat der Pflanze lässt sich heute nur schwer feststellen, vermutet wird Sri Lanka. In der asiatischen Küche hat die Knolle ihren festen Platz. Es gibt unterschiedliche Sorten, ihnen allen ist aber gleich, dass der unterirdische Hauptspross, das Ingwer-Rhizom als Gewürz oder Arzneidroge genutzt wird. Der Geschmack wird von aromatisch bis brennend scharf wahrgenommen. Beim Erhitzen, zum Beispiel im Tee, wechselt der Geschmack von würzig-scharf zu würzig-süß. Ingwer enthält viele Vitamine und Mineralien, wirkt antibakteriell, hilft Erkältungen vorzubeugen, trägt aber auch zu einer gesunden Darmflora bei. Den Stoffwechsel anregend, wird Ingwer bei Verdauungsproblemen eingesetzt. Ingweröl wird vorbeugende Wirkung im Hinblick auf Darmkrebs nachgesagt. Die Pflanze wird gern als "gesunder Alleskönner" bezeichnet, der in den Herkunftsländern seit Jahrtausenden vielfältig eingesetzt wird. (hg)