Frage: Herr Hofmann, 15 Jahre Honky Tonk Schweinfurt: Welche Veränderungen fallen Ihnen sofort ins Auge, wenn Sie auf das erste Festival zurückblicken?
Hofmann: Zunächst das rein formale: Aus einem reinem Kneipenfestival ist ein Festival der Plätze geworden. Gleichwohl wir nach wie vor die Basis in den Kneipen und Clubs sehen, ist es aufgrund der Besuchermenge gar nicht mehr anders möglich, als verstärkt auf Open Air-Plätze zu setzen. Inhaltlich verändert hat sich jedoch mindestens genauso viel: Vor 15 Jahren konnte man ein Programm für Alle machen. So etwas wie Zielgruppendifferenzierung gab es damals nicht wirklich. Jeder war grundsätzlich bereit, sich alles anzuhören und anzusehen. Das ist heute lange nicht mehr so. Nun möchte jede Szene, jede Interessensgruppe ihr spezifisches Programmangebot. Daher der Trend zum „Festival im Festival“.
Auch das Konzept an sich, also ein vernetztes Innenstadtfestival, war damals etwas absolut Neues. Heute sucht fast jede Kommune zur Belebung der Innenstadt ihr Heil in solchen Veranstaltungen. Rein praktisch: Wir hatten damals noch kein Handy und nur einen Computer zu zweit. Internet und Mails kannte man nur von irgendwelchen Erzählungen. Demzufolge war die praktische Organisationsarbeit eine völlig andere als heute.
Frage: Immer noch lockt das Honky Tonk Jahr für Jahr knapp 20.000 Musikliebhaber in die Stadt. Was ist das Geheimnis des Erfolgs?
Hofmann: Es gibt nicht das „eine“ Geheimnis. Es ist eine Vielzahl von Gründen. Zum Beispiel sind unglaublich viele Personen und Gruppen im Vorfeld an der Organisation beteiligt. Sie machen das Festival zu ihrer Sache. Ein weiterer Grund: Wenn wir mit einer Idee zur Stadtverwaltung kommen, hieß es noch nie von vorne rein: „Das geht nicht!“, sondern immer erst mal: „Warum nicht?!“. Erst wenn die Prüfung ergab, dass es wirklich nicht geht, wurde eine Idee verworfen. Diese Art der unkonventionellen Zusammenarbeit macht richtig Spaß. Ein dritter Grund: Die wirklich grandiose Zusammenarbeit mit unseren Gastronomen. Die Schweinfurter Wirte sind, bis auf wenige Ausnahmen, die es immer gibt, einfach tolle Partner mit vielen eigenen Ideen. Und letztlich, Achtung Eigenlob: Weil das Honky Tonk® Team einfach gute, verlässliche und professionelle Arbeit abliefert.
Frage: Auch in diesem Jahr wartet das Livemusik-Event mit Neuheiten auf. Welche Überraschungen erwartet die Besucher, unter anderem auf der von Ihnen angekündigten dritten Bühne in der Bauerngasse?
Hofmann: Die Vielfalt des musikalischen Programms ist das Besondere. Und die Fragen: Wie kommt eine Band, wie die Peanutz, die in Fulda alleine fast 1.000 Leute ziehen und dort immer ein Abräumer beim Festival sind, in Schweinfurt an? Wie funktioniert das Ganze bei unserem Freund, Herrn La Rocca im Bassanese? Was haben sich die Gastonomen für die dritte Bauerngassenbühne ausgedacht? Geplant ist Djing und ab 22 Uhr ein Showact. Welche Fangemeinde haben Falco, Police und Ärzte in Schweinfurt? Gefallen die Moskitos in Unterfranken genauso wie in Mittelfranken? Wie klappt es mit der Tapete und Senore Matze Rossi Show im Stattbahnhof? Regnet es mal nicht, wenn etwas im Ebracher Hof stattfindet? Wie kommt Guggemusik bei uns an? Überraschungen gibt es an diesem Abend jede Menge, denn nahezu jeder Gastronom hat sich etwas einfallen lassen, sei es Dekoration oder Warenangebot.
Frage: Nach drei Jahren Zusammenarbeit mit einer Würzburger Brauerei kommt der neue Bierpartner nun aus Baden-Württemberg. Ist das Festival mittlerweile zu unattraktiv für lokale Brauereien oder warum wird seit Jahren kein Schweinfurter Gerstensaft ausgeschenkt?
Hofmann: Es wird sehr wohl Schweinfurter Bier ausgeschenkt. Der Innenhof der Brauerei Roth ist alljährlich ein richtiges Highlight in der Gesamtveranstaltung und mit dem Brauhaus sind wir nach wie vor freundschaftlich verbunden. Klar ist aber auch: Wir benötigen, um die gesamte Veranstaltung überhaupt finanzieren zu können, Marketinggelder. Dazu muss eine Brauerei bereit sein. Es refinanziert sich nicht über den reinen Abverkauf am Abend. Dafür bieten wir aber einen perfekten Marktauftritt und schaffen unzählige Kontakte. Die Distelhäuser Brauerei als Inhaber geführtes Unternehmen mit starkem Engagement im unterfränkischen Raum ist für uns ein hervorragender Partner. Sie sind regional und ökologisch hervorragend aufgestellt, definieren sich über ein hohes Maß an Kundenorientierung und Service und werden einfach durch äußerst sympathische Menschen repräsentiert.
Frage: Das Honky Tonk ist in den 15 Jahren seines Bestehens zu einem Exportschlager geworden, mit jährlich über 50 Veranstaltungen in vier Ländern. Seit kurzem erobern Sie musikalisch auch Bulgarien. Ist ein verstärktes Wachstum im Osten Europas zu erwarten?
Hofmann: Wir hoffen das. Hier ist naturgemäß eine sehr große Begeisterung da, was Ideen und Konzepte aus dem westlichen Europa, insbesondere aus Deutschland, angeht. Und wenn man dann nicht den dicken Maxe raushängen lässt und von Anfang an verdeutlicht, dass der Gegenüber ein gleichwertiger Partner ist, gelingt der Zugang sehr gut. Faszinierend ist wirklich diese enorme Aufbruchstimmung, die wir in Bulgarien, aber auch bei Gesprächen in anderen osteuropäischen Ländern erleben dürfen. Und es wird mit offenem Visier gearbeitet – zum Beispiel ganz im Gegensatz zu den Niederlanden. Dort haben uns die Gesprächspartner am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Das war eher unangenehm.
Frage: In Deutschland dagegen wurde mit Leipzig das mit rund 40.000 Besuchern größte ihrer Festivals aus dem Honky Tonk-Kalender gestrichen. Worin sind die Gründe hierfür zu sehen?
Hofmann: Unser Festival war eigentlich nie ein „Metropolenthema“. Leipzig war die Ausnahme, da wir hier sehr frühzeitig nach der Wende begonnen haben. Aber in Frankfurt, Stuttgart, München etc. funktioniert so ein Konzept nicht. Mittlerweile ist in Leipzig die Normalität angekommen. Das heißt, es gibt eine unglaubliche Veranstaltungsvielfalt mit extrem vielen Innenstadtevents, die auch noch kostenlos angeboten werden. Da tritt in der einen Woche Alphaville auf, dann die Prinzen, dann eine Liveübertragung eines Kurt Masur Konzert via Videowand, zweimal jährlich ein Clubfestival für Discos a la Honky Tonk® - und das alles umsonst oder so günstig, dass man als kommerzieller Veranstalter, der vom Eintritt lebt, keine Chance mehr hat. Aber wir werden im kommenden Jahr eine neue Auflage unseres Festivals in Leipzig starten, wo wir im Prinzip das Schweinfurter Erfolgsmodell adaptieren. Da arbeiten wir jetzt schon mit vielen Partnern dran und freuen uns auf manches überraschte Gesicht.
Frage: Ist hierzulande also der Markt gesättigt, werden sogar zukünftig weitere deutsche Honky Tonks von der Bildfläche verschwinden?
Hofmann: Das passiert ja ständig. Eine Stadt kommt dazu, eine andere geht. Es ist ja illusorisch zu glauben, dass es immer so weiter gehen kann. Wichtig aber ist: In jeder Stadt, in der wir einmal gearbeitet haben, hinterlassen wir Partner, ein Netzwerk, auf das wir gegebenenfalls wieder zurückgreifen können. Und dann ist es unser Job zeitgemäße Konzepte für das jeweilige Umfeld anzubieten. Wobei ich nicht verhehlen möchte: Je mehr Veranstaltungspartner dazu kommen, desto schwieriger wird es, den Qualitätsstandard optimal zu halten. Gerade dadurch, dass sehr viel von der Philosophie abhängt, wie mein Geschäftspartner Dominik Brähler und ich das Geschäft betreiben. Leider können wir es da auch nicht immer verhindern, dass es an den Rändern manchmal ein wenig ausfranst, um es mal so zu sagen. Aber im Kern ist es so, es gibt in fast allen Städten ein Volksfest oder Kirmes. Warum also nicht auch ein Kneipenfestival?
Frage: Ist Schweinfurt als Standort sicher?
Hofmann: In Schweinfurt sehe ich im Moment keine Gefahr von innen heraus, also Ermüdung der handelnden Personen oder nachlassendes Engagement der Stadt oder ähnliches. Gefahr sind eher äußere Umstände, wie übergeordnete Gesetzgebung, kurzfristige Behinderungen wie Wetter und Weltlage. Das jüngste U&D in Würzburg ist ein warnendes Beispiel, das Erfolg nicht selbstverständlich ist. Bei aller Arbeit gehört auch ein bisschen Glück dazu. Wenn unser Honky Tonk Termin 2001 zum Beispiel am 11. September gewesen wäre, wüsste ich nicht, ob es das alles noch gäbe. Aber im Moment macht das alles noch so viel Spaß, dass ich keinerlei Albtraumszenarien bei mir feststelle. Und in 15 Jahren bin ich ja auch erst 55 Jahre alt und somit absolut Zielgruppenkompatibel.