Der Mantel der Geschichte flatterte auf der Bürgerversammlung im Gemeindezentrum, mit etwa 80 Besuchern – auch aufgrund der Ankündigung von Bürgermeister Peter Seifert, bei der Wahl im Frühjahr 2014 nicht mehr zu kandidieren (wir berichteten). Außerdem nahen Grundsatzentscheidungen zur Konversion, nach dem angekündigten Abzug der US-Armee.
Ein aktuelles Gutachten sieht auf dem 200 Hektar-Areal der Conn Barracks vor allem Potenzial für die Ansiedlung von Logistikunternehmen. Möglich ist auch die Ausweisung einer Sonderbedarfsfläche des Freistaats, theoretisch etwa für einen Gefängnisbau. Für den Bürgermeister ist dies alles aber „mit vielen Fragezeichen“ behaftet.
„Dringenden“ Handlungsbedarf sah Seifert bei der Gründung eines Zweckverbands der betroffenen Kommunen, um geschlossen gegenüber der Bima, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, als künftiger Eigentümerin auftreten zu können.
Der Rathauschef machte aus einer gewissen Grund-Skepsis keinen Hehl: Ein Kreisgutachten habe bereits 2009 festgestellt, dass es bis 2025 keinen Bedarf für weitere Gewerbeflächen geben werde. Dazu kommt der demographische Wandel.
Auf die Nachfrage von Bernd Reichert, ob man sich nicht mit dem „Motorpool“ nördlich der B 303 begnügen könne, erwiderte Seifert, dass man verpflichtet sei, bei den US-Flächen „insgesamt“ zuzugreifen, da es andernfalls keine Städtebauförderung gebe. Würden die Kosten zu hoch, müsse es keine Übernahme geben: „Für das Mähen der Brennnesseln und die Saatkrähen hat die Verantwortung dann der Bund“, so Seifert süffisant, in Anspielung auf die (geschützte) Krähenkolonie auf dem Gelände.
Schon die nötige Begutachtung der Altlasten sei eine schwierige, prozessbehaftete Geschichte. „Ein Gewerbegebiet kriegen wir außerhalb der Conn Barracks nicht“, beschied er Rudolf Kupfer. Der Landwirt befürchtet bei einer Erschließung des Motorpools Vernichtung von Ackerland. Peter Knauer regte einen Verkauf der Wasserquellen an: Die Brunnen liegen auf Niederwerrner Gemarkung, dazu die ehemalige Stuka-Halle (heute eine Fitnessanlage) und die Bahnverladestation. Von Amerikanern bewohnte Mietwohnungen gebe es in Niederwerrn etwa 70, hieß es auf Nachfrage von Horst Kranz.
Ein weiteres Thema: Der Kreisel an der Kreuzung Ludwigstraße-Kautzenstraße. Der sei zu klein, hieß es im Saal, der nicht abgeschrägte Bordstein verursache Reifenschäden. Die Erhöhung sei Absicht „um die Fußgänger zu schützen“, so Peter Seifert. Der benachbarte, ungenutzte ehemalige Kommandobunker aus der Zeit des Luftkriegs befinde sich in Privatbesitz, sei leider deutsche Wertarbeit und wäre schwer zu entfernen: „Wenn man sprengen will, muss man 500 Meter im Umkreis evakuieren.“
Mit ÖPNV „überversorgt“
Stefan Memmel beklagte die Busanbindung in die Stadt, vor allem den Südteil. Gemäß ÖPNV-Gesetz sei man im Vergleich zu anderen Gemeinden aber „überversorgt“, meinte Seifert. Man arbeite an einem „Wabenverbund“. Konrad Sendner hätte den Häckselplatz gerne schon im März geöffnet. Irritationen gab es bezüglich des neuen Radwegs Richtung Euerbach, auf dem die Gemeinde Winterdienst für Geldersheim leistet. Rudolf Kupfer sah hier ein Hindernis für Landwirte bezüglich der Zufahrt von der Straße auf die Felder. Die Größe der Aussegnungshalle sei „keine Schande“ und vertretbar, meinte der Bürgermeister. Bei einer Erweiterung des Leichenhaus-Anbaus müsse man auch in Oberwerrn erweitern.
Beim Punkt „Statistik“ berichtete Seifert von sinkenden Einwohnerzahlen (8304 im Jahr 2012 gegenüber 8511 im Jahr 2010). Im Vorjahr gab es trotz guter Infrastruktur und niedrigen Steuern ein Bevölkerungsminus von 133 Niederwerrnern – wobei das Seniorenheim bei den 80 Sterbefällen (gegenüber 61 Geburten) die Statistik stark beeinflusst. Die Zahl der Angehörigen anderer Staaten nahm entgegen dem Trend zu (von 308 auf 336), aus nunmehr 51 statt bislang 47 Nationen, mit Spitzenreiter Türkei (61 Staatsangehörige) vor den USA (35) und Russland (27).
„Die Bautätigkeit geht seit elf Jahren zurück“, sagte Seifert und appellierte an die Besitzer der etwa 90 baureifen Grundstücke, zu verkaufen. Sie würden nicht wertvoller, wenn die Amerikaner abzögen. Stolz verwies er auf 275 000 Euro an freiwilligen Leistungen, etwa für Vereine, Ferienpässe, Altort-Investitionen, Photovoltaik und Zisternen.
Nicht zuletzt stellte Dominik Lavinger seitens der Verwaltung die neue „Bürger-App“ und das Rathaus-Service-Portal RSP vor: Amtsgeschäfte, wie Wahlschein-Anträge, Fundbüro, Ummeldung oder Reisepass-Abfragen lassen sich ab sofort im Internet auf der Website der Gemeinde erledigen. Foto: Uwe Eichler