Der Jagdschutzverein Schweinfurt hat sich seine und die Statistiken der Polizei aus den Jahren 2014 bis 2019 genau angeschaut und einen Durchschnittswert von 896 Wildunfällen in zwölf Monaten auf den Straßen des Landkreises Schweinfurt errechnet. Den Unfalltod auf der Straße sterben vor allem Rehe (454 oder 51 Prozent), aber auch 257 Hasen, 61 Füchse, Schwarzwild (5 Prozent) und "sonstige" Tiere, darunter Vögel, Marder, Biber und Dachse. Im Jahr 2019 waren es 524 gemeldete tote Rehe im gesamten Landkreis und 493 ohne das Gebiet des Altlandkreises Gerolzhofen, wo das Reh weit seltener als etwa in den Wäldern bei Üchtelhausen oder bei Schonungen lebt.

Im Gespräch mit der Redaktion sagen der Vorsitzende Raimund Abele sowie seine beiden Stellvertreter Sigmund Stadler und Wolfgang Senft "toi, toi, toi", weil im vergangenen Jahr im Landkreis erneut kein Auto- oder ein Mitfahrer bei der Begegnung mit Wild schwer oder gar tödlich verunglückte. Die Zäune entlang der Autobahnen und der passive Schutz im Fahrzeug lässt auch bundesweit die Anzahl der Verletzten und Getöteten bei Wildunfällen sinken, meint und belegt das Führungstrio des seit über 125 Jahre aktiven Vereins (Gründungsjahr 1879), der aktuell die Interessen von 550 Jägern in Stadt und Landkreis Schweinfurt vertritt und für eine artenreiche und gesunde frei lebende Tierwelt eintritt.

Mit den im vergangenen Jagdjahr (immer von 1. April bis 31. März) erlegten 3230 Rehen (einschließlich Unfallwild) hätten die acht Hegegemeinschaften auf der 73 300 Hektar großen Jagdfläche die Regulierung der Bestände im Griff gehabt, sagt der Vorstand. Die acht Zusammenschlüsse von Revieren, die jeweils eine landschaftliche Einheit bilden, kümmern sich um die Bereiche Zell/Stadtlauringen, Marktsteinach, Grettstadt/Donnersdorf, Gerolzhofen, Schwebheim/Unterspiesheim, Werneck/Waigolshausen, Geldersheim und Hambach/Niederwerrn.
Zwei Bundes- und eine Staatsstraße
Die meisten Wildunfälle im Landkreis ereignen sich auf den Gemeindegebieten von Schonungen, Werneck, Üchtelhausen, Stadtlauringen und Wasserlosen und dort entlang der Staatsstraße 2280 (Schweinfurt-Oberlauringen), der Bundesstraße 303 (Rütschenhausen-Schweinfurt und Schonungen-Abersfeld) sowie der Bundesstraße 19 (Eßleben-Werneck). Auffällig ist, dass es sich bei den Unfallschwerpunkten um gut ausgebaute Strecken handelt, auf denen nach den Erfahrungen des Jagschutzvereins gerade in der Dämmerung am Morgen und am Abend "schnell gefahren wird" und wo jährlich etwa 200 Rehe ihr Leben lassen.

Raimund Abele ist oft in der Dämmerung zum Revier bei Reichmannshausen unterwegs. "Bei 80 Stundenkilometern kann ich jedes Wild erkennen und reagieren, bei 100 hätte ich gefährliche Situationen nicht mehr im Griff", so der Jäger. Springe bei der hohen Geschwindigkeit ein Reh, habe der Autofahrer keine Chance. Er solle zum Selbstschutz nicht ausweichen, bremsen, das Steuer festhalten und gegebenenfalls draufhalten. Der Blick in die Statistiken zeigt, dass die meisten folgenschweren Begegnungen mit dem dämmerungsaktiven Reh erwartungsgemäß in den Morgen- und Abendstunden, kaum einmal zwischen 24 und 4 Uhr stattfinden.

Um Äsung, also Nahrung, zu finden, quert das Reh die Straßen meist achtsam, was während der Brunft (beim Reh von Mitte Juli bis Anfang August) und auch dann nicht der Fall ist, wenn das Wild durch Hunde, Mountainbiker und andere Freizeitaktivitäten des Menschen aufgeschreckt wurde und auf der Flucht ist.
Jetzt im Herbst ist wegen der Drück- und Treibjagden auf den Straßen besondere Vorsicht geboten. An den kritischen Strecken werden Warnhinweise aufgestellt, die zu beachten sind. Auch sind im Herbst die Felder abgeerntet, weshalb das Wild weitere Strecken bis zur Äsung zurücklegt.
Fuß vom Gas
Während der Autofahrer mit der Jahres- und Tageszeit angepassten Geschwindigkeit und der Berücksichtigung der Warnschilder "Wildwechsel" das Unfallrisiko minimieren kann, ist es die Aufgabe des Jägers, die Wildbestände zu regulieren, "was wir angepasst und gut machen", so Abele. Der Beleg dafür ist einmal mehr die Statistik. Während Bayern unter den Bundesländern beim Reh die meisten Abschüsse pro Hektar meldet, liegt Schweinfurt mit seit Jahren konstanten Zahlen im Freistaat ebenfalls ganz vorne. Bundesweit rangieren die Abschusszahlen bei drei bis fünf Rehe auf 100 Hektar. In reinen Waldregionen bis 18 Rehe. Unter den in Deutschland jährlich erlegten 1, 2 Millionen Rehen sind mit 18 bis 20 Prozent ähnlich viele bei Unfällen getötete Tiere wie im Landkreis Schweinfurt (etwa 500 von 3200) vermerkt.

Im direkt an die Straßen angrenzenden Bereich lässt sich die Jagd (Gefährdung für Straßenverkehr durch Schüsse und aufgeschrecktes Wild) nicht beliebig intensivieren. Die dort an den Straßenpfosten vom Landratsamt angebrachten blauen Reflektoren halten die Rehe nur solange zurück, bis sich der Gewöhnungseffekt einstellt. Das in den vergangenen Jahren immer wieder einmal getestete Ausbringen von Duftstoffen, die das Wild umkehren lassen, ist wartungsintensiv und kostspielig. Noch in Erprobung ist das Wildwarnsystem AniMot, das auch zwischen Schonungen und Waldsachsen getestet wird. Wärmesensoren lassen dort eine Warnanlage blinken. Zäune beenden auch den natürlichen Wildwechsel. Zweischneidig sind aus Sicht der Jäger die im Grundsatz höchst erfreulichen, aber am Straßenrand deplatzierten Lebensraumverbesserungen – etwa für Insekten, da so das Wild zur Äsung direkt an die Straße gelockt wird. Bedauert wird vom Jagdschutzverband, dass die Straßenbehörden Geschwindigkeitsbegrenzungen wegen Wildwechsel fast immer ablehnen würden – weil es der Bürger nicht wolle und nicht akzeptiere.

Noch neu ist eine vom Bayerischen Jagdverband mit dem Bayerischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten initiierte Aktion. Beleuchtete Plakate sollen auf die Gefahr der Wildunfälle hinweisen. Die Absprachen zwischen dem Schweinfurter Jagdschutzverein und dem Landratsamt laufen. Angeregt ist die zeitlich begrenzte Aktion für besonders gefährdete Strecken, wobei nach 500 Metern ein zweites Plakat den Autofahrer die drohende Gefahr nochmals bewusst machen soll.
Einsätze oft in der Nacht
Nach einem Wildunfall ist die Polizei, die zuständige Forstdienststelle oder der Jagdrevierpächter zu verständigen. Der von der Polizei hinzugezogene Jäger prüft ehrenamtlich und kostenfrei, folgt verletzten Tieren und bringt die toten Tiere (ohne gesetzliche Verpflichtung und auf eigene Kosten) zur Tierkörperverwertung oder entsorgt sie in der Natur, da das Fleisch nicht mehr zum Verzehr geeignet ist. Und da die Unfälle oft nachts passieren, ist der Jäger oft um den Schlaf gebracht.