Die beiden geschäftsmäßig gekleideten Männer mittleren Alters ziehen die Lederschuhe aus und klettern über eine Metallleiter auf die schneeweiße Schönheit, eine Yacht aus dem Hause Bavaria in Giebelstadt. "Was fahren Sie denn zur Zeit?", will Firmenchef Joachim Pfister an Deck des Motorbootes wissen, das auf dem Firmenhof steht. "Gar nix", gibt einer der beiden zurück, "ich hatte jetzt vier Jahre Babypause." Jetzt will er sich etwas Schickes leisten und schaut sich auf dem 17 000 Quadratmeter großen Gelände um.
Mehr als 200 Motorboote stehen hier, neue und gebrauchte - größtenteils in der riesigen Halle, viele aber auch in einem Zeltanbau oder sorgsam abgedeckt auf dem Hof. Einige sind noch komplett in Folie eingeschweißt. 25 Leute arbeiten bei Pfister, zehn davon in der Werkstatt. Seit zwei Jahren gibt es eine Filiale am Chiemsee. Von dort wird der süddeutsche, österreichische und südeuropäische Markt bedient. Gerade sind zwei Mitarbeiter für Servicearbeiten nach Kroatien geflogen.
Vom Kfz- zum Bootsmechaniker
Die Geschichte von Boote Pfister beginnt 1967 in Poppenhausen. Joachim Pfisters Vater Edgar, ein gelernter Kfz-Mechaniker, betreibt dort eine Tankstelle mit Autowerkstatt. Als die B 19, die früher durch Poppenhausen führte, verlegt wird, läuft das Geschäft immer schlechter. Weil Edgar Pfister leidenschaftlich gerne Boot fährt und sich die Technik nicht grundsätzlich unterscheidet, repariert er bald auch Boote. Wenige Jahre später kommt der Handel dazu. 1971 übernimmt Pfister die Vertretung der ersten Bootsmarke und tritt einem Händlerverbund bei.
In den 70er-Jahren werden die Boote, mit denen Pfister handelt, größer. Bald wird es in Poppenhausen zu eng, die Firma zieht 1993 ins Schwebheimer Gewerbegebiet. "Ein großer Schritt für uns war, die Boote selbst zu importieren", sagt Joachim Pfister. Heute bezieht er sie unter anderem aus Polen, Skandinavien, Frankreich und den USA. Seit sechs Jahren setzt er verstärkt auf fränkische Bootsbau-Kunst: die Bavaria-Yachten ab acht Meter Länge sind seitdem der Renner.
Wenn man eines der weißen Prachtstücke betritt, wird einem schlagartig klar, was "Freude verkaufen" bedeutet. Auch wenn man mit Booten bisher nichts zu tun hatte, will man sofort eines haben, rauf aufs Mittelmeer und ein paar Küstenstädte abklappern. Man möchte sich auf die weiße Sonnenliege fläzen, hinter dem Holzlenkrad Gas geben und sich abends in der Kajüte von den Wellen in den Schlaf schaukeln lassen. Die Kunden, die sich das leisten, kommen von weit her. "Der Markt hat sich komplett gewandelt", erklärt Pfister, der nicht wie sein Vater Techniker, sondern Diplom-Betriebswirt ist. "Bis 1993 haben wir im regionalen Markt 85 Prozent des Umsatzes gemacht. Heute sind es vielleicht noch zehn Prozent." Die zentrale Lage in Deutschland ist ein erheblicher Vorteil.
Wer kauft sich eigentlich ein Boot? Nur reiche Geschäftsleute? "Nein, natürlich nicht", versichert Pfister. Die Angebotspalette reicht schließlich vom stabilen Schlauchboot mit Außenbordmotor für gut 2000 Euro bis zu traumschönen Yachten für mehrere 100 000 Euro. Pfister gibt ein Beispiel: "Die Freundin eines jungen Mannes weigert sich, mit ihm Motorrad zu fahren. Der verkauft sein Motorrad und die beiden leisten sich für 10 000 Euro ein Boot." Das wird dann fortan als mobile Ferienwohnung genutzt.
Die großen Nobel-Yachten aus den Frauenzeitschriften für die Promis dieser Welt werden in Schwebheim ohnehin nicht gehandelt. Die Grenze liegt bei 13 bis 14 Meter. Das junge Paar, dass sich gerade ein Boot mittlerer Größe für eine Probefahrt auf dem Main hat herrichten lassen, macht jedenfalls keinen superreichen Eindruck.
Mit dem Automarkt lässt sich das Geschäft laut Joachim Pfister kaum vergleichen. "In Deutschland werden 1300 Boote im Jahr verkauft. So viele Autos werden in mancher größeren Stadt abgesetzt." Pfister verkauft nach eigenen Angaben über 100 neue und gebrauchte Boote im Jahr. Zudem hat das Team noch viel zu tun, wenn es die Boote vom Händler bekommt. "Dann sind sie erst zu 60 Prozent so, wie es der Kunde will. Wir bauen sie um: andere Teppiche, andere Lampen, hydraulische Gangway, Soundsystem, DVD-Player und so weiter." Dazu arbeitet die Firma mit zahlreichen Subunternehmern wie Polsterer, Sattler und Metallbauer zusammen.
Firmengründer Edgar Pfister lächelt zufrieden, wenn er zwischen den kleinen und großen Booten umher läuft. Noch heute packt er in der Werkstatt mit an. Der Stolz steht ihm ins Gesicht geschrieben, wenn er sieht, was aus seinem Betrieb geworden ist.