Die Schar fundamentalistischer "Gotteskrieger" ist Legion, zwischen Hindukusch, Nahem Osten und Mittlerem Westen. Aber wie ficht eigentlich ein echter Christ für den "Gott der Liebe"? Michael Stahl steht auf der Sömmersdorfer Passionsspielbühne, um bei den "Christen im Beruf" Lebenszeugnis abzugeben.
Der lockere, bodennahe Kumpeltyp "von nebenan" weiß, mit schwäbelnder Mundart, eine mitreißende Geschichte zu erzählen. Rund 180 Besucher haben sich zum Familientag der "Christen im Beruf" eingefunden, mit Band. Klaus Dennstädt übernimmt am Abend die Begrüßung für das "Chapter Schweinfurt" des Vereins.
Aufmerken lässt ein Plakat über dem Büchertisch des tiefgläubigen Kampfsportlers und Ex-Bodyguards aus Bopfingen, Baden-Württemberg, das die Tugenden der Ritterlichkeit preist: "Schwache beschützen", "Höflichkeit" und "Tapferkeit" werden vom Streiter fürs Gute ebenso gefordert wie "Demut", "Treue" "dienstbare und hingebungsvolle Liebe". Daneben kniet ein Rittersmann stahlklirrend neben einem Schwert, vermutlich leicht augenzwinkernd hinterm Visier.
Das Poster wurde von einer 80 Jahre alten Dame inspiriert, die sich natürlich keinen Kreuzzug, aber schon mehr Recken statt Gecken in der Alltagsschlacht zwischen Licht und Finsternis gewünscht hat. Geworben wird für das Buch "Geheimsache Männerherz", in dem Stahl und Promis übers Mannsein im 21. Jahrhundert berichten. "Kein Herz aus Stahl" nennt sich die Autobiographie. Michael Stahl, demnächst 51, ist einer, der mit Angst erzogen worden ist, vom alkoholkranken, sozial schwächelnden Vater in der schwäbischen Provinz, Motto "Du kannst nichts, Du bist nichts, aus Dir wird eh nichts". Mit Jesus an der Seite ist der ehemalige Leibwächter von Box-Star Muhammad Ali, Papst Benedikt, Nena, Verona Pooth oder Karlheinz Böhm aus dem Teufelskreis von Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsgefühlen herausgekommen. Dabei hat er laut Buch sogar einen bekannten Fernsehschauspieler "rumgekriegt", der in einer Bar volle Biergläser fallen ließ, um andere Menschen zu demütigen.
Stahl hat am Nachmittag einen Selbstverteidigungskurs für überzeugte Christen gegeben. "Wir leben in Zeiten, wo wir schon in zwei, drei Lager gespalten sind", sagt der Protestant. Aber was haben die großen Streitthemen wirklich mit dem eigenen Leben zu tun? Die Übungen, mit Tennisball oder Boxpratzen, sollen dabei helfen, selbst ein wenig sicherer zu werden. Tochter Laura ist dabei, ebenso Ehefrau Sandra. Vor einigen Jahren hatten beide einen schweren Autounfall. Ein junger Raser hat sie auf der Landstraße gerammt. Es ist ein Wunder, dass beide noch leben – für den Familienvater im Wortsinn.
Sebastian sitzt im Publikum, ein guter Freund und ehemaliges Gangmitglied: Zweimal angeschossen, zweimal niedergestochen, acht Jahre Knast. Dem Mörder seines Bruders hat der schwer(tätowiert)e Junge vergeben, wie auch Michael Stahl dem Unglücksfahrer vergeben hat. "Ich bin öfters im Gefängnis", sagt der Betreiber einer Kampfsportschule, "rein dienstlich". Sterbende begleitet er auch, den todkranken Polizisten oder den Überlebenden der Normandieschlacht, der 95 Jahre alt geworden ist. Die Menschen mögen sich zu ihrem "Heiland" bekehren, das sei Richards letzter Wunsch gewesen. Am Ende gehe es immer nur um die ganz einfachen Dinge: "Lebende sind so anstrengend geworden."
Der Bopfinger hat sich durchgeboxt, vom gemobbten Schüler bis zum Türsteher und vielgebuchten Security-Fachmann. In dessen Armen mal Muhammad Ali "gestorben" ist, als vergötterte Boxlegende auf Deutschlandtour. Den Streich mit dem vorgetäuschten Schwächeanfall soll sich Parkinson-Patient Ali öfters geleistet haben bei seinen Leibwächtern. Kirchenmann Georg Ratzinger hätte sich bei Michael Stahl beinahe eine blutige Nase geholt. Als der Papst 2006 Deutschland besucht hat, wollte sich sein Bruder partout nicht anschnallen, was er bei einem scharfen Bremsmanöver gebüßt hat: "Sachte, sachte, meine Herren".
Mit dem Vater, Sohn eines traumatisierten Kriegsheimkehrers, hat sich der Autor versöhnt, kurz vor dessen Tod, ihm seine Liebe gestanden, selbst um Vergebung gebeten. Eine Minute und ein Telefon, mehr brauche es gar nicht, um seine "Kriege" zu beenden, glaubt der bekennende Christ. Auch mit dem Sohn aus erster Ehe hat sich Michael Stahl ausgesöhnt, frei nach Karl Valentin: "Erziehung ist völlig zwecklos. Die machen uns eh alles nach."