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Keine Chance mit Ritalin?

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Keine Chance mit Ritalin?

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    Jürgen M. (Name geändert) ist ein netter, intelligenter Junge, 16 Jahre alt, macht seinen Quali, will Industriemechaniker werden. Sein Handicap: er nimmt Ritalin. Als Kind war er zappelig, konnte kaum still sitzen, störte den Unterricht. In der zweiten Klasse gab die Lehrerin Alarm. Ein Kinderarzt verschrieb sehr schnell, wie die Mutter heute weiß, Ritalin. Sie selbst hatte keine Erfahrung, war einfach nur froh, dass Jürgen sich besser konzentrieren konnte. Schließlich erfuhr sie von Dr. Oehler in Würzburg. Der machte umfangreiche Tests, diagnostizierte schließlich eine "einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung" (ADS). Und verschrieb weiter Ritalin.

    Jürgens Noten verbesserten sich, bis heute. Seine Tabletten nimmt er nur an Schultagen, "nur zum Lernen", sagt die Mutter. Und es sieht so aus, als ob er einen guten Quali machen wird. Weil der Vater bei ZF Sachs arbeitet, bewarb sich Jürgen um einen Ausbildungsplatz zum Industriemechaniker. Beim Einstellungstest am 13. November 2004 schnitt er so gut ab, dass er "vor Beginn der Berufsausbildung" noch zur medizinischen Eignungsuntersuchung gebeten wurde.

    Das Ergebnis ist ein Schock für die Familie aus Pfändhausen. "Wir bedauern, dass wir Ihnen trotz des guten Eindrucks, den wir ..... gewonnen haben, einen negativen Bescheid geben müssen, da wir Sie aufgrund der werksärztlichen Untersuchung bei uns nicht ausbilden können", schreibt ZF Sachs am 14. Februar. Der Vater setzt alle möglichen Hebel in Bewegung, spricht mit Betriebsrat, Personalabteilung und Werksarzt und legt ein Attest von Dr. Oehler vor. Darin bescheinigt der Neurologe und Kinderpsychologe, dass die einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung durch die Behandlung mit Methyl-phenidat (Anm. Wirkstoff des Ritalin) völlig kompensiert sei. Es bestünden keinerlei Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Der Patient sei auch jederzeit zu Schicht- oder Nachtdienst einsetzbar.

    Die Versuche des Vaters bleiben erfolglos. Mit Schreiben vom 8. März teilt der Leiter der Personalabteilung, Dr. Karl-Heinz Schmitz, der Familie mit: "Ich habe mich nochmals ausführlich mit der genannten Problematik befasst, unter anderem auch mit anderen Firmen und Werksärzten über deren Handhabung und Erfahrung gesprochen. Ausnahmslos haben diese Informationen mich davon überzeugt, dass die Empfehlung unserer Werksärzte richtig ist.... Ihr Sohn kann sich in einem Jahr erneut bewerben. Wenn keine medizinischen Gründe dagegen sprechen, erhält er ohne Teilnahme am Test einen Ausbildungsplatz".

    Diskriminierung, sagt Dr. Oehler. Bei einem Patienten wie Jürgen sei eine Ablehnung völlig unverständlich. Der Junge sei sehr begabt, leide letztlich an einer zerebralen Stoffwechselstörung, die aber durch die Therapie vollständig ausgeglichen sei. Jeder Patient müsse als Einzelfall beurteilt werden - wie bei anderen Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck auch.

    Jürgen ist offensichtlich kein Einzelfall. Auch Susanne Kompe-Seitz aus Sennfeld scheut nicht den Weg in die Öffentlichkeit. Ihr Sohn erhielt im vergangenen Jahr nach der werksärztlichen Untersuchung nicht den schon sicher geglaubten Ausbildungsplatz bei ZF Sachs. Eine Absage, die den damals 17-Jährigen sehr getroffen hat. Bis heute hat er keine Lehrstelle gefunden. Das Ritalin hat er abgesetzt. Eine Chance habe er mit und ohne nicht, sagt seine Mutter.

    ZF Sachs hält sich bedeckt. Man möchte zu Bewerbungen, die persönliche Vorgänge seien, keine Auskunft geben, betonte Pressesprecher Detlef Reinhart auf Anfrage. Die Entscheidung über eine Einstellung sei immer als Gesamtbewertung einer Person zu betrachten. Im übrigen sei man nicht in der Lage, an einer öffentlichen Diskussion über Ritalin teilzunehmen.

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