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SCHWEBHEIM: „Keiner will uns“: Patienten suchen Arzt

SCHWEBHEIM

„Keiner will uns“: Patienten suchen Arzt

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    Wer krank ist, geht zum Arzt: Was aber, wenn keiner da ist, der einen behandeln möchte? In Schwebheim haben einige Bürger die Erfahrung schon gemacht, nachdem ihr alter Hausarzt aufgehört hatte, wie sie sagen.
    Wer krank ist, geht zum Arzt: Was aber, wenn keiner da ist, der einen behandeln möchte? In Schwebheim haben einige Bürger die Erfahrung schon gemacht, nachdem ihr alter Hausarzt aufgehört hatte, wie sie sagen. Foto: Foto: Thinkstock

    „Die Hälfte der Hausarztkollegen im Landkreis Schweinfurt wird in den nächsten fünf Jahren das Rentenalter erreichen und keinen Nachfolger finden.“ Das sagt Dr. Jürgen Schott, seines Zeichens „Landarzt“ in Bergrheinfeld. Diese Prognose klingt düster, für die Menschen im voll besetzten katholischen Pfarrsaal von Schwebheim allemal, weil die Gemeinde just zum Jahreswechsel mit Dr. Christoph von Roden einen ihrer bislang drei praktizierenden Allgemeinmediziner verloren hat. Und mit Dr. Georg Fuchs strebt der nächste Kollege in wenigen Jahren dem Ruhestand entgegen.

    Ärztemangel auf dem flachen Land – das Thema treibt die Bundesbürger schon lange um. Christoph von Roden hatte nach eigener Auskunft zehn Jahre lang versucht, für seine Praxis mit einem Stamm von immerhin 1200 Patienten einen Nachfolger zu finden – zum symbolischen Preis von einem Euro. „Aber auch geschenkt will sie keiner.“

    Wie „Sauerbier“ müssen sich seitdem auch seine Patienten bei Kollegen im nahen und ferneren Umkreis „andienen“. Mehrere Bürger berichten an diesem Abend im Pfarrsaal davon, dass sie mit ihren Krankenakten unterm Arm bei Ärzten in Nachbarorten vorstellig geworden seien und sogleich wieder abgewiesen wurden: „Keiner will uns.“

    Schuld an diesem Phänomen ist „die Deckelung der Hausarzteinnahmen durch Fallpauschalen“. Das glaubt zumindest Schwebheims dritter Allgemeinmediziner, Dr. Her-mann Schmid. Durch ein kompliziertes Abrechnungssystem, das eine Quartalspauschale von knapp über 40 Euro pro Kopf vorsehe, basierend noch dazu auf der Patientenzahl vor einem Jahr, rechneten sich die zusätzlichen Behandlungen nicht.

    Schuld sei die Politik, sagt Schmid, weniger die Krankenkassen, wobei seine Kollegen mit dem anwesenden AOK-Direktor Frank Dünisch schon ein Hühnchen zu rupfen haben. Denn ausgerechnet die größte gesetzliche Kasse habe den einstmals viel gelobten Hausärztevertrag gekippt, verzögere gezielt die Verhandlungen über eine Nachfolgeregelung und lasse die praktizierenden Allgemeinmediziner so im Regen stehen.

    „Wer Herzschmerzen hat, braucht einen Arzt – und keine Krankenkasse“, versucht Christoph von Roden die Kräfteverhältnisse im Gesundheitswesen gerade zu rücken. Vergebens. Es sind die „ständig wechselnden Gesundheitspolitiker, diese Unstetigkeit in der Politik“ (Georg Fuchs), die den Hausärzten die Alltagsarbeit erschweren, und natürlich „die Nebenregierungen und Lobbyverbände der Kassen und Ärzteschaft“ (Hermann Schmid), die das Gesundheitswesen zu einem Spielball der großen Politik gemacht haben. Auch die Kassen „können letztlich nur das umsetzen, was die Politik vorgibt“, sagt Frank Dünisch und nennt beispielhaft die Streichung der Fahrtkostenerstattung für die ambulante Versorgung, die gerade den Menschen auf dem unterversorgten Land weh täte.

    Doch woran liegt es nun, dass sich in der Fläche nur wenige Mediziner niederlassen, in den Ballungsräumen aber durchaus viele, sodass dem Mangel auf dem Land eine hausärztliche Überversorgung in der Stadt gegenüber steht? „Am Geld alleine liegt es nicht“, postuliert Dünisch und bekommt sogar Recht von den anwesenden Medizinern, wenngleich diese über die Verbürokratisierung ihrer Arbeit klagen (Von Roden: „70 Prozent Verwaltungskram, 30 Prozent Patientenversorgung . . .“).

    Jürgen Schott glaubt, dass sich die Lebenspläne der Nachwuchsmediziner geändert hätten. Die nächtliche Rufbereitschaft störe sie ebenso wie die ausufernden Arbeitszeiten. Der „Landarzt alter Schule“, der seine Patienten auch sonntags zuhause besuche, sterbe aus. Zudem „studieren heute überwiegend Frauen Medizin“, wie Schott weiter ausführt. Und die würden mit 30 Jahren, nach dem Studienabschluss, naturgemäß gerne ein oder mehrere Kinder bekommen, eine Familie gründen. Schott: „Das ist mit einer Landarztpraxis definitiv nicht vereinbar.“

    So sehen das auch die Kollegen und regen an, Gemeinschaftspraxen auf dem Land zu gründen – zur wechselseitigen Entlastung der Beteiligten und Sicherung der medizinischen Grundversorgung der Menschen. Hermann Schmid würde diesen Weg gerne gehen, hat aber noch keinen Partner gefunden. Georg Fuchs glaubt, dass es in Ortschaften wie Schwebheim „früher oder später auf ein medizinisches Versorgungszentrum“ zulaufe. Niemand wolle so eine Lösung, er selbst schon gar nicht. Doch es entspräche der Lebenseinstellung des Ärztenachwuchses und den aktuellen Rahmenbedingungen. „Wie kommen wir zu so einem Zentrum“, will Bürgermeister Hans Fischer denn auch wissen, der Bereitschaft signalisiert, dass „die Gemeinde so etwas finanziert, baut und verpachtet“.

    Doch so konkret will das an diesem Abend niemand ausdiskutieren. Moderator Dr. Anton Grötschel, zweiter Bürgermeister und selbst Klinikmediziner, will den Schwebheimern ganz gerne die Hoffnung bewahren, dass sich wieder ein Allgemeinmediziner im Ort ansiedelt. „Ich sehe das alles nicht so negativ“, sagt er und lobt das große Interesse der rund 200 Anwesenden bei dieser Veranstaltung der Bürgerhilfe Schwebheim. „Wir sind uns jetzt der Problematik bewusst und können gemeinsam nach Lösungen suchen.“

    Eine konkrete, schnelle Lösung für die im Regen stehenden Patienten aus dem Dorf hat AOK-Mann Dünisch parat: „Wer wirklich keinen Hausarzt findet, der kann uns anrufen“, sagt er. Man werde sich dann – zumindest bei AOK-Patienten – um die Sache kümmern, sagt Dünisch zu. Und: „Ein solches, rein politisch motiviertes Verhalten der Ärzte ist eine Unverschämtheit.“

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