Ein klassisches Konzert der Spitzenklasse durften rund 250 Zuhörer am Sonntag in der Kirche St. Martin erleben. Das Bamberger Streichquartett war in der Besetzung Raúl Teo Arias (erste Violine), Andreas Lucke (zweite Violine), Branko Kabadaic (Viola) und Karlheinz Busch (Violoncello) gekommen, um unter dem Motto „Musizieren gegen den Krebs“ seine Kunst in den Dienst der guten Sache zu stellen.
Denn der Erlös aus dem Konzert geht an drei Schweinfurter Vereine, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Krebspatienten und deren Angehörigen in einer schwierigen, belastenden Lebensphase zu unterstützen: Der Verein der Freunde und Förderer des Leopoldina-Krankenhauses, die Bayerische Krebsgesellschaft und der Hospizverein. „Alle drei haben eines gemeinsam“, betonte die Schirmherrin der Veranstaltung, Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber: „Der Mensch steht im Mittelpunkt ihres Wirkens.“
Ein eingespieltes Team
„Wir waren, als die Anfrage kam, sofort bereit, diese wunderbare Sache zu unterstützen“, erinnerte sich der Gründer, Manager und Cellist des Bamberger Streichquartetts, Karlheinz Busch. Er war es auch, der Organisator Werner Herkert beruhigte, als die Karten für das Konzert nicht gleich im Vorverkauf weggingen wie warme Semmeln. Anders noch als bei „Lachen gegen den Krebs“ mit Sebastian Reich und seiner Amanda vor knapp zwei Jahren.
„Ein klassisches Konzert ist was anderes als Comedy“, erklärte Busch Herkert: „Es ist etwas für Leute, die diese Musik lieben und schätzen.“ Die entschieden sich gerne auch einmal spontan für einen Besuch. So war es dann auch. Der Kirchenraum war gut gefüllt, viele Karten gingen noch an der Tageskasse weg. Und das trotz herrlichen Frühlingswetters.
Wer gekommen war, wurde mehr als nur belohnt. Die vier Streicher der Bamberger Symphoniker sprühten nur so vor Spielfreude. Wenn man die Blicke beobachtete, die das Quartett während des Konzerts austauschte, kleine Gesten wie ein anerkennendes Schulterklopfen wahrnahm, dann merkte man schnell: Da sitzen nicht nur vier Kollegen, sondern vier Freunde, die eine gemeinsame Sprache sprechen – die der Musik. Ein eingespieltes Team. In jeder Hinsicht.
Die musikalische Zeitreise begann im Spätbarock, mit der Choralfantasie „Jesus bleibet meine Freude“ von Johann Sebastian Bach. Im Spätbarock verweilte man dann auch eine Weile. Und Karlheinz Busch bewies, dass er nicht nur ein Meister auf dem Cello ist, sondern auch die Klaviatur des Entertainers zu bedienen weiß. Zu jeder Epoche, zu jedem Stück, zu jedem Komponisten konnte er dem Publikum Informationen und die ein oder andere Anekdote liefern.
Bekannter als Bach
Zu Georg Philipp Telemann etwa, dessen „Concerto Polon“ als nächstes auf dem Programm stand. Nicht Bach, nicht Händel, sondern Telemann sei der bekannteste und beliebteste Komponist seiner Zeit in Deutschland gewesen, wusste Busch zu berichten. So bekannt und beliebt, dass Leipzig nicht Bach, sondern ihn als Thomanerkantor wollte. Doch Telemann entschied sich anders, ging nach Sorau, später nach Frankfurt und Hamburg. Typisch für die Epoche, sei er ein Vielschreiber gewesen, was ihm im 19. Jahrhundert den Vorwurf einbrachte: „Das klingt ja alles ganz ähnlich.“ Man wollte ihn gar nicht mehr hören. Zu Unrecht. „Sein gemischter Stil öffnete die Türen zu einer neuen Zeit“, so Busch.
Ähnlich wie Telemann erging es südlich der Alpen Antonio Vivaldi. Er war ein Hauptmeister der italienischen Barockmusik, die so lebendig, so temperamentvoll, so voller Klangschönheit war. „Alle wollten sie hören“, erzählte Busch, und selbst Händel und Telemann reisten gen Süden, um diese Musik zu erkunden und zu studieren. Eines von Vivaldis bekanntesten Werken sind „Die vier Jahreszeiten“. Passend zur Jahreszeit hatten die Bamberger „La Primavera“, den Frühling, im Programm.
Bächlein sprudeln
„Dafür braucht es einen tollen Solisten“, sagte Busch. Den hat das Quartett mit dem Mexikaner Raúl Teo Arias in seinen Reihen. Er lässt mit seiner Violine die Bächlein sprudeln, die Vöglein zwitschern und die Elfen tanzen. Die ganze Quintessenz dieses herrlichen Frühlingstages, eingefangen in den paar Minuten seines virtuosen Solos.
Als sich der Applaus gelegt hatte, stand das „Largo“ aus Georg Friedrich Händels „Xerxes“ an. Busch fasste in launigen Worten die Handlung der Oper zusammen. Von dem persischen König, der einen Baum vergöttert und diese Platane mit Gold und Silber schmückt, der sich dann aber in eine Frau verliebt, die jedoch dummerweise die Auserwählte seines Bruders ist. Die Arie „Ombra mai fu“ erzählt, wie Xerxes am Baumstamm lehnt und von einer Liebe träumt, die sich nie erfüllen wird. Die vier Streicher erzählten diese Geschichte mit ihren Instrumenten. So herrlich melancholisch und gefühlvoll, dass man in ihnen Xerxes' Seufzen zu erkennen glaubte.
Für das nächste Stück hatte sich das Quartett Verstärkung mitgebracht: Das Konzert für Fagott und Streicher in B-Dur, Köchelverzeichnis 191. Geschrieben hat es Wolfgang Amadeus Mozart in seiner Salzburger Zeit. Mozart und seine Heimatstadt, das war laut Busch nicht die große Liebe, wie heute gern verkitscht dargestellt wird. „Mozart liebte Salzburg nicht“, erzählte der Cellist: „Er schrieb: Dieses verregnete Loch. Mozart war Kosmopolit. Er wollte weg. Nach Wien.“
Doch bis dahin sollte noch eine Dekade vergehen, als er das Konzert für Fagott und Streicher schrieb, wohl als Auftragsarbeit für Thaddäus von Dürnitz. „Jeder Fagottist auf der ganzen Welt, der die Stelle in einem Orchester will, muss dieses Stück vorspielen“, plauderte Busch aus dem Nähkästchen. Wenn dem wirklich so ist, ist es nicht verwunderlich, das Pierre Martens Solo-Fagottist der Bamberger Symphoniker geworden ist.
Der Professor der Musihochschule Lübeck beherrschte sein Instrument und Mozarts Werk derart imposant, dass er sich nach dem ersten Satz lächelnd den Finger auf die Lippen legen musste, um den spontan aufbrausenden Applaus zu beenden und fortfahren zu können.
Sehnsucht nach Böhmen
Nach der Pause stand dann noch Antonin Dvorak auf dem Programm und sein Streichquartett F-Dur, Opus 96, genannt das „Amerikanische“. Natürlich hatte Busch auch hier wieder die Geschichte parat. Von den Habsburger, die zu viel Selbstbewusstsein ihrer tschechischen Untertanen fürchteten und ihnen daher untersagten, ihre eigene, genuine Musik zu schaffen. Das änderte sich erst mit dem Oktoberpatent von 1860. Einer, der davon profitierte, war der böhmische Komponist Dvorak.
Wie viele andere seiner Zeit auch war er geprägt von der deutschen Romantik, von Komponisten wie Mendelssohn, Wagner oder Brahms, mit dem er sich anfreundete. 1892 nahm er eine Stelle in New York an, als Direktor des Nationalkonservatoriums. Doch der Böhme fremdelte mit dieser „Neuen Welt“, fühlte sich am wohlsten in Spillville, einem von tschechischen Einwanderern geprägten Dorf.
Dort schrieb er auch das Streichquartett. „Als Zeugnis eines schönen, guten Amerika, aber auch von seiner Sehnsucht nach Böhmen“, so Busch.
Gut eine halbe Stunde später war das Klangerlebnis zu Ende. Den frenetischen Applaus belohnten die vier Musiker noch mit einer Zugabe: Einem Chorsatz von Karl Gottlieb Lappe, vertont von Franz Schubert.