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Kopftuch und String-Tanga

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Kopftuch und String-Tanga

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    Schweinfurt (UE) Der Mann war eigentlich ein Paradebeispiel für gescheiterte Ausländerintegration: Als Staatenloser eingewandert und ohne feste Arbeit, entwickelte er sich am Rande der Gesellschaft zum fanatischen Fundamentalisten und endete als Top-Terrorist des 20. Jahrhunderts: "Hitler für einen Deutschen halten nur die Österreicher", sagt Serdar Somuncu in seinem Kabarett-Programm "Hitler Kebab", gezeigt in der Disharmonie.

    Zwei Stunden lang geht es vor allem um den Kerl mit dem Schnauzbärtchen. Was Wunder: Rund 1500 mal hat der Neusser aus "Mein Kampf" gelesen und anschließend auch noch Goebbels Sportpalastrede abgehandelt: Das Gastarbeiterkind durfte für die Deutschen halt die historische Schmuddelarbeit erledigen. Zum Jahrestag der "Reichskristallnacht" - wie schon 1938 "Hardcore-Satiriker" im Volk den als spontanes Pogrom getarnten Staatsterror gegen die Juden nannten - gurgelt und brüllt Hitlers Vorleser und verkündet durchs offene Fenster den "Anschluss Schweinfurts an das Osmanische Reich".

    Die Effekte stimmen noch und auch die eingeübten Reflexe der Zuhörer - etwa, wenn Somuncu die unsäglichen Texte der Nazi-Band "Zyklon B" ins Mikro grollt. Aber sein immer wieder hervorbrechender "Adolf-Sprech" klingt heutzutage mehr nach Party-Gag, Harald Schmidt oder Tourette-Syndrom, jedenfalls kaum noch schockierend.

    Ja, die Entwicklung da draußen beginnt auch Somuncu, zumindest dem Geburtsjahr nach ein "68er", einzuholen: Multikulti ist längst Realität und echte Ideologie out. Ironisch, aber auch fassungslos erzählt er von jungen Türkinnen, die Kopftuch und String-Tanga zugleich tragen. Seine Geschichten aus der "Kampfzeit" der Gastarbeiter-Integration klingen da bei allen erlittenen Demütigungen fast schon sentimental. Immerhin, wann immer den Schauspieler und Regisseur "der Hitler" überkommt, erfährt man mehr über die Psychologie einer Diktatur: Mal ist dieser Mini-Diktator charmant und schalkhaft, fast schüchtern, mal saumäßig intelligent, mal einfach nur "säuisch" ordinär.

    Am Ende steht auch hier der Zusammenbruch. Somuncu gibt lautmalerisch einen 24-Stunden-Fernsehtag wieder, was sich anhört wie Stalinorgeln und plant seinen Abgang: Ein Muselmane ballert sich keine Kugel unter den Scheitel. Nein, er besteigt als "Taliban" ein Flugzeug und weidet sich an der Angst seiner Mitreisenden: An dieser Stelle funktioniert die Provokation wieder. Nach der Katharsis taumelt das Publikum aus der Disharmonie wie Traudl Junge aus dem Führerbunker - die Hölle hinter sich und bereit für die Zukunft.

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