Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Landkreis Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

SENNFELD/SARAJEVO: Kühne verlagert Gurkenanbau teilweise ins Ausland

SENNFELD/SARAJEVO

Kühne verlagert Gurkenanbau teilweise ins Ausland

    • |
    • |
    Die Carl Kühne KG verlagert einen Teil ihres Gurkenanbaus von Mainfranken nach Bosnien.
    Die Carl Kühne KG verlagert einen Teil ihres Gurkenanbaus von Mainfranken nach Bosnien. Foto: Anand Anders

    Die ersten Gespräche, die der Gurkenproduzent Kühne in Bosnien führte, fallen auf das Jahr 2014. Damals diskutiert das Bundeskabinett erstmals die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Mit den Kontakten aus dem Nicht-EU-Land Bosnien will Kühne damals eine Auslagerung der Gurkenproduktion vorbereiten, sobald die Erntehelfer in Deutschland zu teuer würden. Der Mindestlohn gilt nun in Deutschland seit 1. Januar 2015. Zwei Jahre lang lag er bei 8,50 Euro, zum Jahreswechsel 2017 wird er auf 8,84 Euro steigen.

    Auslagerung auch bei mittelgroßen Gurken nötig

    Die Carl Kühne KG mit Produktionsstandort in Sennfeld und einem Lager in Gochsheim (beide Lkr. Schweinfurt) zieht ihre Konsequenzen: Das Pendel sei nun zugunsten eines Anbaus in Bosnien umgeschlagen, sagt der Sennfelder Niederlassungschef Volkmar Borrass gegenüber dieser Redaktion. „Bisher hat es sich noch gelohnt, mittlere Gurkengrößen in Deutschland zu ernten.“ Diese Zeit sei vorbei. Zwar seien die kleinen Gürkchen, die Cornichons, schon von jeher im Ausland angebaut worden. Doch jetzt werde die Auslagerung auch bei mittelgroßen Gurken nötig.

    Vor Einführung des Mindestlohns zahlten deutsche Landwirte den osteuropäischen Erntehelfern auf ihren Gurkenfliegern rund sechs Euro, in Bosnien dagegen liegt der Stundenlohn bei knapp zwei Euro. „Dafür wird kein Arbeiter aus Polen oder Rumänien mehr auf den Balkan fahren“, sagt Borrass. Deren Arbeitsplätze in Franken seien zu einem Großteil gefährdet, die tarifbezahlten Angestellten im Kühne-Werk müssten sich dagegen keine Sorgen machen.

    Größeres Gemüse soll weiterhin in Deutschland angebaut werden

    Die kritische Preisgrenze für Rohware liege bei 100 Euro pro 100 Kilogramm: Wird dieser Preis überschritten, sagt Borrass, „lohnt es sich, die Gurken zu transportieren“ – und seien es 1000 Kilometer vom Balkan. Größeres Gemüse wie Rotkohl will Kühne darum weiterhin in Deutschland anbauen. Kohl kostet derzeit 8,50 Euro pro 100 Kilo, „keinen Gedanken“ verschwende man deshalb an eine Auslagerung ins Ausland.

    Von der Verlagerung nach Bosnien betroffen sind die mittelgroßen Gurken, diejenigen, die noch in ein 720-Milliliter-Glas sortiert werden können. Die „dicken Gurken“ würden weiterhin in der Region angebaut. Doch die Vermutung bestätigt Borrass: „Die Gurkenanbaufläche in Deutschland wird kleiner werden.“

    Zwei Firmen in Bosnien gegründet und lokale Landwirte beauftragt

    Zwei Firmen hat Kühne inzwischen in Bosnien gegründet und lokale Landwirte beauftragt. Im Winter 2015/2016 besuchten bosnische Agrar-Ingenieure das Sennfelder Werk und gingen in die Lehre, „was sie für den Anbau 2017 mitnehmen können“. Den Lieferanten vom Balkan stehen sieben fränkische gegenüber, die Kühne zum Teil seit Jahrzehnten mit Gurken beliefern. Um mit ihnen eine Lösung zu finden, mit der beide Seiten leben können, hätten 2016 auf den Flächen von vier der sieben Bauern Ernteversuche stattgefunden: Deutlich seltener und langsamer erntet der Gurkenflieger dabei einen Hektar ab. Deutlich größer sind dafür die Gurken, die eingesammelt werden. Der sogenannte Hektarertrag, Gewinn pro Hektar, für den Landwirt bleibt laut Borrass gleich.

    Alternativen für fränkische Bauern

    Mitte Dezember haben nach Aussage von Kühne auch mit den drei übrigen der sieben Gurkenlieferanten Gespräche stattgefunden. Sie hätten alternative Angebote erhalten: Zwei der drei könnten künftig statt für Kühne für einen „anderen Konservenbetrieb im Nachbarort“ Gurken liefern, Kühne würde sortieren und den Zwischenhändler spielen. Und der dritte könnte möglicherweise auf Rotkohl umschwenken. Wegen einiger Missernten in der Vergangenheit sei der Bedarf derzeit höher als das Angebot. Langfristig will Borrass jedoch keine Zusagen machen.

    Und warum die Mehrkosten nicht an den Verbraucher weiterreichen? Da mache der Einzelhandel nicht mit. „Die Käuferschicht von Gewürzgurken nimmt nach oben hin ab.“

    Gurkenproduktion der Kühne KG in Mainfranken

    Die Carl Kühne KG, gegründet im Jahr 1722, mit Hauptsitz in Hamburg, hat eine Produktionsniederlassung in Sennfeld sowie ein Lager in Gochsheim (beide Lkr. Schweinfurt). In Sennfeld werden hauptsächlich Sauerkonserven wie Rotkohl, Sauerkraut, Sellerie oder Gewürzgurken produziert, zudem auch Essig, Meerrettich und Kochprodukte wie zum Beispiel Rote Grütze. In Gochsheim werden Kühne-Produkte aller Art gelagert. Im Sennfelder Werk arbeiten insgesamt 217 Menschen. Rund 120 weitere Mitarbeiter sind nur saisonal angestellt. Gurken machen im Kühne-Werk Sennfeld im Geschäftsjahr 2016/2017 einen beachtlichen Anteil aus: • Anbaumenge: 12 647 Tonnen • Verarbeitete Menge: 12 254 Tonnen • Anbaufläche: 127 Hektar Sieben Landwirte aus dem Landkreis Schweinfurt (Eßleben, Röthlein, Heidenfeld, Alitzheim) und dem Kreis Würzburg (Bergtheim und Unterpleichfeld) belieferten das Sennfelder Werk bisher mit Gurken. Künftig könnten es wegen der Umstrukturierung in Folge des Mindestlohns nur noch drei bis sechs sein.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden