Man kennt die Szene aus alten James-Bond-Filmen: Ein Flugzeug oder Kriegsschiff versinkt im Meer, mit Atomwaffen an Bord. Wenig später erscheint das Spezialschiff des Oberschurken, durch ein Unterwassertor schwärmen Froschmänner aus, die nukleare Fracht vom Meeresgrund zu stehlen.
Über solche Szenarien kann der langjährige FAG-Ingenieur Heinrich Hofmann wohl nur noch lächeln. „Technik bewegt – Technik dreht – Technik hebt“, lautet der betont harmlose Titel seines Vortrags in der Fachhochschule. Dabei geht es um einen echten Spionagethriller aus dem Kalten Krieg. Es geht um streng geheimes High Tech und um ein Projekt, bei dem die Schweinfurter Industrie die Überlegenheit des westlichen Lagers demonstrieren sollte.
Für das ultrageheime CIA-Projekt „Azorian“ erhielt FAG Kugelfischer Anfang der 1970er Jahre den Auftrag, innerhalb eines Jahres die vier größten Kugellager der Welt zu schmieden: Einzelpreis eine Million D-Mark. Ein exzentrischer US-Milliardär – der legendäre Howard Hughes – wolle mit seinem Forschungsschiff, der „Glomar Explorer“, im Pazifik nach Mangan-Knollen schürfen: wertvolle Rohstoffe, die er in der Tiefe des Ozeans auflesen wolle.
Um das kilometerlange Gestänge der Greifarme im Seegang absolut ruhig zu halten, benötigte Hughes eines ausgefeilte Kardanik: motorgetriebene Spezialkugellager, jedes mit 2,50 Meter Durchmesser und 15 Tonnen Gewicht, die nach Art von Kreiselkompassen die Bewegung von 4000 Tonnen Technik ausglichen: Präzise, fast reibungsfrei und computergesteuert – für sich schon eine technische Meisterleistung.
„Nicht die billigste Lösung, aber die beste“, meint Hofmann heute. „Wir haben die Geschichte von den Mangan-Knollen geglaubt“, erinnert sich der Schweinfurter, der 1972 mit seiner Familie in den USA lebte. Auf der Werft in Chester, Pennsylvania, half der FAG-Spezialist dabei, die riesigen Lager auf dem Schiff zu installieren. Um was es damals wirklich ging, blieb so dunkel wie die Tiefsee zwischen Kamtschatka und Hawaii.
Hier nämlich war im März 1968 das sowjetische Diesel-U-Boot K-129 auf Patrouille verschwunden, mit rund 90 Matrosen und drei Interkontinentalraketen an Bord.
Die Amerikaner hatten über das Unterwasser-Abhörsystem SOSUS Explosionen an Bord gehört. Ihre sowjetischen Gegenspieler hielten es für unmöglich, das Wrack im 5000 Meter tiefen Nirgendwo auch nur zu orten, geschweige denn zu bergen.
Nicht so die CIA, die bald die Lage des U-Boots trianguliert hatte: Man versprach sich Erkenntnisse über Chiffriertechnik, Details der U-Boote, vor allem sowjetische Atomraketen. „Es ging ums Gleichgewicht der Kräfte“, so Hofmann. Begriffe wie Geld oder Machbarkeit spielten im Zweikampf der Supermächte keine Rolle. Von einer halben Milliarde Dollar Gesamtkosten wird gemunkelt.
Das 188 Meter lange Spezialschiff krönte ein 80 Meter hoher Turm, im Rumpf waren Dock-Tore versteckt - geheimer Zugang für den Greifarm. Der konnte aus Furcht vor Spionage nicht offen installiert werden: also fuhr die „Glomar Explorer“ (die nicht durch den Panama-Kanal passte) im Sturm um Südamerika herum, zur „Hochzeit“ nach Los Angeles an die Westküste.
Dort wurde eine riesige Tauchbarke mit der „Kralle“ im Hafen versenkt. Das Bergeschiff fuhr nachts darüber und nahm mit Hilfe von absenkbaren Gittermasten ihren Riesenangelhaken unbemerkt „an die Leine“. Allein die Barke übertraf das SKF-Hochhaus locker in Breite und Länge, verdeutlicht Hofmann die gigantischen Dimensionen des Projekts Azorian.
„Es ging um das Gleichgewicht der Kräfte“
FAG-Ingenieur Herinrich Hofmann über den Kalten Krieg
Im Sommer 1974 ging es in den Nordpazifik, zum Wrack der K-129, 1500 Seemeilen nordwestlich von Hawaii. Anfang August war es soweit: Überwacht von russischen Spionageschiffen, ließ die Glomar Explorer ihr Bohrgestänge herab und krallte sich mit Hilfe von Kameras das Bugteil des Wracks in fünf Kilometern Tiefe. Auf halbem Weg nach oben brachen mehrere Greifarme, ein Teil der Beute rutschte heraus. Bestätigt ist heute die Bergung der Überreste von sechs russischen Matrosen, der Schiffsglocke, von vier Atomtorpedos – und einigen Mangan-Knollen. „Die CIA behauptet, die Aktion war ein voller Erfolg“, berichtet Hofmann.
Erst nach einem (KGB?-)Einbruch in ein Hughes-Lagerhaus und Indiskretionen der Presse kam das Geheimprojekt nach und nach ans Licht. Hofmann erfuhr davon aus der „Bild“-Zeitung. Er und seine Mitarbeiter waren schon etwas geschockt, als sie erfuhren, insgeheim fürs Militär gearbeitet zu haben, sagt er.
Die „Glomar Explorer“ fährt heute für die Öl-Industrie, der russische Präsident Boris Jelzin erhielt 1993 ein Video von der Bestattung der russischen Seeleute. 2009 wurde ein Dokumentarfilm gedreht, auf dem auch die Powerpoint-Präsentation in Schweinfurt basiert.
Ansonsten: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge, zitiert Hofmann Heraklit – so wars auch im Kalten Krieg. Die innovative Azorian-Technik kam später zivilen Tiefseebohrungen zugute. Er selber empfiehlt den Mächtigen der Welt eine Fahrt in einem anderen Großprojekt der Kugellagerindustrie: „Es wäre gut für Entscheidungsträger, wenn sie ab und zu mal (gemächlich) Riesenrad fahren würden.“