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NEUHAUSEN: Leben in unendlicher Ruhe

NEUHAUSEN

Leben in unendlicher Ruhe

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    Ein Auto schiebt sich langsam die steilen Kurven hinauf zum Dörfchen auf der Steigerwald-Höhe. Dem Knattern folgt die Stille. Nur das leise Rauschen von Zweigen im Wind ist zu hören. Hier oben scheint die Zeit langsamer zu vergehen als unten im Tal. 68 Bewohner, sechs Straßen und eine eigene Quelle – das ist Neuhausen auf den ersten Blick. Dahinter verbirgt sich ein Dorf voller Geschichten, Gefühle und Gemeinschaft. Eine Lebensweise, die ihresgleichen sucht. Menschen, die von der Faszination der Freiheit und Einsamkeit sprechen.

    Die 47-jährige Helga Sahlmüller steht auf der Koppel am Ortsausgang. Hinter ihr der dunkle Steigerwald, vor ihr grüne Wiesen und braune Äcker, die noch nass sind vom letzten Regen. Sie beobachtet ihre zwei Pferde beim Fressen und lächelt versonnen. „Wenn ich am Morgen bei meinen Tieren sein kann und die frische Luft einatme, dann ist das für mich das Größte“, erzählt sie. „Das gibt es nur in Neuhausen, diese Natur und diese Freiheit.“ In einem anderen Ort als Neuhausen leben? Oder einen Job ausüben, der sie am Draußen-Sein hindert? Das kommt für Helga Sahlmüller nicht in Frage.

    „Wir wurden offen aufgenommen und sofort ins Ortsgeschehen einbezogen.“

    Steffi Reiband, aus dem Erzgebirge zugezogen

    Auch Dazugezogene schwärmen vom Leben im Einklang mit der Natur, von der Nähe zum Wald und der Ferne zum Trubel. Da ist zum Beispiel die 50-jährige Steffi Reiband, die aus einer Kleinstadt im sächsischen Erzgebirge stammt und seit 1999 in Neuhausen lebt. „Ich genieße die unendliche Ruhe in Neuhausen“, sagt sie begeistert. Auch von der Ortsgemeinschaft ist sie angetan. „Ich empfand es als sehr angenehm, dass uns die Neuhäuser bei unserer Ankunft gleich offen aufgenommen haben. Meine zwei Kinder, die mit mir ins Dörfchen gezogen sind, wurden sofort ins Ortsgeschehen einbezogen und von anderen Dorfbewohnern zum Essen eingeladen. So etwas gibt es woanders nicht mehr.“

    Etwa ebenso lang wie Steffi Reiband lebt Dr. Walter Holdermann in Neuhausen. Für ihn als Facharzt für Naturheilverfahren war es wichtig, in eine heilsame, reizarme Umgebung zu ziehen und dort zu arbeiten. „Hier kann ich mir Zeit für meine Patienten nehmen, oft chronisch austherapierte Fälle“, so der Arzt. „Im Vergleich zur hektischen Großstadt ist in dieser Umgebung der Beginn einer Heilung möglich.“

    Doch ein Leben in der Abgeschiedenheit ist nicht immer einfach. Die 77-jährige Maria Radler, von allen am Ort liebevoll „Tante“ genannt, ist die älteste gebürtige Neuhäuserin, die noch im Dörfchen lebt. Probleme mit Neuhausen kommen für Maria Radler dann ins Spiel, wenn sie mal zum Arzt oder zum Einkaufen hinunter ins Tal muss. „Früher hat mich mein Mann gefahren“, sagt sie, „doch jetzt, wo er gestorben ist, muss ich andere im Dorf darum bitten.“ Die mangelhafte Anbindung an andere Orte macht auch den jungen Dorfbewohnern bisweilen zu schaffen. Anja Sahlmüller (18) und ihre Schwester Heike (23) berichten, wie sie teilweise nicht zur Schule nach Michelau kommen konnten oder gar von den Eltern gefahren werden mussten, weil der Schulbus an der steilen Gefällstrecke scheiterte. Heute sei aber vor allem die unzureichende Internetverbindung am Ort ein Problem für Schulkinder, da für Hausaufgaben häufig im Web recherchiert werden müsse.

    Doch die Nachteile, die den Bewohnern des Steigerwald-Dörfchens aus ihrer Abgelegenheit heraus entstehen, haben auch ihr Gutes. Die 52-jährige Lydia Groha erklärt, wie die Not Tugenden hervorgebracht hat, die andernorts als nicht selbstverständlich gelten: „Dadurch, dass wir am Ort keine Geschäfte haben und nicht immer hinunter ins Tal kommen, helfen wir uns gegenseitig mit Lebensmitteln oder Geräten aus.“

    Dieses intensive Miteinander, das den Zusammenhalt der Ortsbewohner stärkt, wird unter anderem daran ersichtlich, dass sich die Neuhäuser seit jeher gemeinschaftlich um eine eigene Wasserversorgung kümmern, die aus einer nahegelegenen Quelle kommt (siehe dazu Bericht rechts auf dieser Seite).

    Siegfried Ständecke, Bürgermeister der Gemeinde Michelau, ist stolz auf die Neuhäuser. Betont sagt er: „Das Besondere an Neuhausen ist, dass seine Bewohner sehr autark leben. In einem so kleinen und abgelegenen Dörfchen macht der Zusammenhalt die Menschen stark. Ich nenne die Gemeindeteile Michelaus immer Gemeindekinder. Und Neuhausen ist zweifelsohne das kleinste Kind – das Lieblingskind.“

    Jedes Jahr zum Brunnenfest im August blüht Neuhausen auf, viele Gäste werden erwartet. „Bei diesem Fest helfen alle zusammen“, berichtet Richard Henfling (50), Ortssprecher und Organisator der Feierlichkeiten. „Ich hoffe, dass dieses Dorffest auch in vielen Jahren noch stattfindet. Manchmal mache ich mir da ein bisschen Sorgen, denn momentan haben wir sehr wenig Nachwuchs in Neuhausen.“ Das Schöne sei aber, dass immer noch Leute von anderen Orten beschließen, nach Neuhausen zu kommen – nicht nur Wandertouristen oder Besucher des kleinen Gasthauses „Hexenhäusle“, sondern Menschen, die beschließen, in einem so besonderen Ort zu leben. Henfling steht am Ortsausgang von Neuhausen und blickt auf das Schild mit dem durchgestrichenen Ortsnamen, dann auf das Sträßchen, das bald als Schotterweg ins Nichts führt. Stille. Grenzenlose Stille. Ehrgebietend liegt der tiefe Wald vor ihm. Ein Hauch von Freiheit ist spürbar, von Wildnis, von Einsamkeit. Neuhausen.

    Neuhausen: Daten und Fakten

    Neuhausen ist mit seinen 68 Einwohnern der kleinste Ort der Gemeinde Michelau im Steigerwald. Zwar leben im nahe gelegenen Weiler Neuhof weitaus weniger Menschen (derzeit 16), aber während dieser als Ortsteil von Altmannsdorf gezählt wird, kann sich Neuhausen als eigenständiger Gemeindeteil bezeichnen. Im Mittelalter mangelte es dem damals zur Burg Zabelstein gehörenden Dörfchen auf der Burghöhe mehr und mehr an Grundwasser. Also zogen die Dorfbewohner hinunter „zu den neuen Häusern“ (daher auch der Name Neuhausen), wo sie sich mit Hilfe der „Herrschaft“ niederließen. Es gibt aber auch wesentlich ältere Zeugnisse für eine Besiedlung dieses Gebietes, wie zum Beispiel ein Hügelgrab aus der Hallstatt-Zeit belegt (um 800 nach Christus). Neuhausen ist heute einer abgelegensten Orte im Steigerwald. Zwei Familien (Ditzel und Blaurock) bestimmen mehrheitlich die Zusammensetzung der Einwohner. Die Altersstruktur des Dörfchens kann als Abbild der aktuellen demographischen Lage Deutschlands gesehen werden. Etwa zwei Drittel der Einwohner des Steigerwald-Dörfchens sind im erwerbsfähigen Alter. Neun Bewohner (13,2 Prozent) sind 66 Jahre oder älter. Ebenso viele Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben am Ort. Besonders auffällig ist die geringe Zahl an Kindern bis sechs Jahren am Ort. Nur einer von Neuhausens Bewohnern fällt in diese Altersklasse. Dennoch: Neuhäuser sind ihrem Ort treu. 59 der 68 Dorfbewohner haben ihr Steigerwälder Zuhause als einzigen Wohnsitz oder Hauptwohnsitz gemeldet. Auch Zuzüge sind zu verzeichnen.

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