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PFERSDORF: Lebensbrunnen mit zwei Sternen

PFERSDORF

Lebensbrunnen mit zwei Sternen

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    An der Sommerquelle der Wern ist sichtbar ein Biber unterwegs.
    An der Sommerquelle der Wern ist sichtbar ein Biber unterwegs.

    Quelle kann man eigentlich nicht nennen, was da trübe im halb zugewachsenen Graben rinnt, am Radweg von Pfersdorf nach Hain. Ein Schild an der Brücke verweist auf die eigentliche, 1,5 Kilometer entfernte Wernquelle, Richtung Rannungen. Aber die ist momentan trocken. Stattdessen tritt das Wernwasser am südlichen Ortsrand von Pfersdorf an die Oberfläche, als unscheinbares Rinnsal.

    Der „Quellteich“, den weiter bachabwärts, am Sportplatz, ein fleißiger Biber gestaut hat, sieht schon eher nach Naturidyll aus, mit umgenagten Bäumen, schwirrenden Libellen und über die Wiese hopsenden Fröschen.

    „Im Winter entspringt die Wern in Pfersdorf, im Sommer in Hain“, sagt Gästeführerin Carola Faulstich beim Ortstermin an der eingefassten Wernquelle, in der Flur auf der nordöstlichen Seite des Dorfes. Ein Kind soll das mal festgestellt haben. Da sei etwas dran, sagt Volkshochschullehrerin Faulstich: Am Hang, 285 Meter über Normalnull, ist der sogenannte Aubrunnen an heißen Sommertagen immer wieder einmal versiegt. Mehr als ein bis zwei Liter pro Sekunde liefert die kalkhaltige Schichtquelle im Durchschnitt nie.

    Quelle ist ausgetrocknet

    Nun herrscht schon seit längerem Schicht im Schacht, am offiziellen Ursprung des zweitgrößten Fließgewässers im Landkreis. „2013 ist sie noch gelaufen, 2014 dann ausgetrocknet“, erinnert sich Gemeinderat Hugo Zitzmann, zugleich der örtliche Beauftragte der Dorferneuerung. Wer die „wahre“ Quelle der Wern sucht, hat somit die Qual der Wahl. Den in den 1930er-Jahren ausgebauten Augraben gäbe es auch noch, der bereits bei Rannungen beginnt und formal als Oberlauf der Wern gilt.

    Mit dem Amazonas hat die Wern ihr ausgedehntes, verwirrendes Einzugsgebiet gemeinsam. Früher gab es noch weitaus mehr Bewässerungsgräben auf den Äckern. Bis zu 32 Zuflüsse zählt Faulstich aktuell. Als echte Pfersdorferin beharrt sie darauf, dass der Aubrunnen der Startpunkt des rund 77 Kilometer langen Flüsschens ist, das bei Gemünden in den Main fließt: „Es ist die gefasste Quelle“.

    2015 wurde die Wiege der Wern neugestaltet. Die Hoffnung ist, dass neben den Trittsteinen nach und nach ein artenreiches Feucht-Biotop entsteht, im Übergangsbereich zwischen Grundwasser und Bachlauf: Die Infotafel nennt Brunnenkresse, Blutweiderich, Mädesüß, Wasserminze, Bitteres Schaumkraut, Wasserschwaden, Quellmoos, Seggen, Binsen, Rohrglanzgras oder Bachbunge. Dazu sollen sich Quellschnecken, Bachfloh- und Ruderfuß-Krebse, Haken- und Schwimmkäfer, Köcherfliegenlarven, Zuckmücken sowie Erbsenmuscheln und blauflügelige Prachtlibellen gesellen. Ein kleiner Teichmolch wurde laut Hinweisschild bereits gesichtet. Was fehlt, ist das Wasser.

    Grundwasserspiegel sinkt

    Echte Pfersdorfer sind auch Rudi Pfister (82) und Edgar Braun (78). „Die Wern entspringt bei uns“, bestätigt Braun, das sei eindeutig. Und Pfister erinnert sich, dass in seiner Kindheit an dieser Stelle das kühle Nass noch gesprudelt ist. „Mit dem hölzernen Krug habe ich das Wasser für die Arbeiter auf dem Feld geholt.“ Mittlerweile seien halt überall neue Quellen gebohrt und die Wälder weniger geworden. Dadurch sinke der Grundwasserspiegel im Muschelkalkboden.

    Hugo Zitzmann kann sich ebenfalls gut an klares Trinkwasser und feuchtes Erdreich in der Umgebung erinnern. „Beschiffbar“ sei die Wern aber immer schon erst ab Hain gewesen, sagt Edgar Braun launig: nur halt nicht mit Booten.

    Wurde vor einem Menschenleben die Wern noch mühsam in Handarbeit begradigt, um Ackerland und Nahrungsmittel zu gewinnen, ist sie bei Pfersdorf mittlerweile wieder komplett renaturiert – Ausgleich für den Bau der nahen A 71. Selbst die Wasserqualität hat sich verbessert, auch wenn der träge Mainzufluss nie in dem Ruf stand, ein kristallklarer Bergbach zu sein.

    „Unweit des Ortes entspringt die Wern“, heißt es in einer Beschreibung von Poppenhausen aus dem Jahr 1844, „die mit ihren ihren trüben Wassern viele der fruchtbarsten Auen des Kreises bespült, in ihnen Hechte und Aale nährt. Bei Grosswernfeld nimmt sie der Main auf.“ Aus dieser Zeit stammt auch der Urkatasterplan von Pfersdorf, wo der Aubrunnen als Quelle eingezeichnet ist.

    Überreste des Aubrunnens stehen im Garten

    Selbst wenn es an der Oberfläche gerade nicht plätschert, scheint es im Untergrund geheimnisvolle Verbindungen zu geben. An der Grundwassermessstelle neben der B 19, Richtung Ebenhausen, sollen Experten einmal Farbstoff eingefüllt haben, erinnert sich Zitzmann – und die Testflüssigkeit dann viele Kilometer entfernt, im Kissinger Stadtteil Arnshausen, ans Tageslicht gekommen sein.

    Was aus dem Aubrunnen geworden ist, weiß Carola Faulstich. Die Gästeführerin hat die Überreste wieder zusammengefügt, als Wasserreservoir für den Garten. Der Brunnen mit eisernem, verschließbaren Deckel soll seit Menschengedenken die Wernquelle eingefasst haben. In den Metallbändern, die die Blöcke aus grünlichem Sandstein verbinden, hat die Pfersdorferin zwei kleine, unscheinbare „Davidsterne“ entdeckt: „Vielleicht das Zeichen eines jüdischen Handwerkers“, rätselt die Gartenbesitzerin.

    Das Ganze ist ein wenig mysteriös, die Ummauerung womöglich älter als die Abdeckung. Brunnen und Wasserläufe haben im Landjudentum manchmal eine „Sabbatgrenze“ angezeigt: der nähere Umkreis zum Wohnort, in dem am Ruhetag bestimmte, ansonsten verbotene Tätigkeiten erlaubt waren, etwa ein Familienspaziergang. Eine jüdische Bevölkerung ist für Pfersdorf nicht nachweisbar, in Ebenhausen soll es im 18. Jahrhundert „Judenhaushaltungen“ gegeben haben.

    Die uralten – Feuer und Wasser, Reinheit und Sauberkeit symbolisierenden – Schutzzeichen wurden aber auch von Nichtjuden verwendet. Die Hexagramme könnten Bierbrauer-Sterne sein: Von einem Pfersdorfer Braurecht mit Wasser „direkt von der Quelle“ ist Rudi Pfister aber nichts bekannt. Also doch Steinmetzzeichen? Fest steht: Sie hat noch immer ihre Geheimnisse, die Wiege der Wern.

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