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Birnfeld: Lebensretter: Warum für Jürgen Ziegler Medaillen nicht zählen

Birnfeld

Lebensretter: Warum für Jürgen Ziegler Medaillen nicht zählen

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    Jürgen Ziegler aus Birnfeld hat von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Christophorus-Medaille verliehen bekommen. Ein Erlebnis, sagt Ziegler.
    Jürgen Ziegler aus Birnfeld hat von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Christophorus-Medaille verliehen bekommen. Ein Erlebnis, sagt Ziegler. Foto: Joerg Koch/ Bayerische Staatskanzlei

    Es sind diese Minuten, die sich angefühlt hatten wie Sekunden, die Jürgen Ziegler nie vergessen wird. Die Minuten, in denen er verzweifelt versucht, seinem 22-jährigen Arbeitskollegen die Kleider vom Leib zu reißen, die Sicherheitsschuhe, die partout nicht aufgehen wollen. Kevin Bäuerlein steht in Flammen, wie eine lodernde menschliche Fackel inmitten der Anlage des Sennfelder Glasherstellers Semco, wo auch Isolierglas hergestellt wird.

    Sekunden zuvor hat sich Jürgen Ziegler umgedreht, dann hört er ein seltsames Geräusch, wie eine Fehlzündung hört es sich an. Der Mechaniker wendet sich um – und sieht Kevin Bäuerlein. Kein Überlegen, Ziegler tut es einfach, nimmt die bloßen Hände, zerrt an den lodernden Kleidungsstücken des schreienden Kollegen, hält ihn davon ab, wegzurennen, schafft es. Dass seine eigenen Hände bluten, dass er Verbrennungen zweiten und dritten Grades hat, merkt er nicht, kümmert sich um die Erstversorgung. 

    "Es müssen 1000 Schutzengel um uns rum gewesen sein."

    Jürgen Ziegler erinnert sich genau, was die Notärztin damals zu ihm sagte.

    Es ist der schwer verletzte Kevin Bäuerlein, der Ziegler später darauf aufmerksam machen wird. Inzwischen haben Kollegen den Notarzt gerufen. Bäuerlein wird mit dem Hubschrauber in eine Nürnberger Klinik geflogen. 60 Prozent seiner Haut sind verbrannt. Fünf Monate wird es dauern, bis er wieder arbeiten kann. Und doch hat der heute 23-Jährige, dessen Kleidung sich durch ein brennbares Dampf-Luftgemisch selbst entzündet hatte, Glück gehabt – auch das Glück, einen Kollegen wie Jürgen Ziegler zu haben. Als der nun exakt ein Jahr nach dem Unfall, am 29. Mai 2019,  in München die Christophorus-Medaille verliehen bekam, war Kevin Bäuerlein dabei. Ebenso wie Stadtlauringens Bürgermeister Friedel Heckenlauer. Landrat Florian Töpper hatte absagen müssen, aber ein Geschenk geschickt, so Ziegler.

    Auch diesen Tag wird Jürgen Ziegler nicht vergessen, wie er sagt. "Es war ein Erlebnis, Wahnsinn." Nicht die Medaille, nicht die Auszeichnung ist ihm wichtig, wie er sagt, sondern das gemeinsame Erleben. Dort, in der Residenz. Zu jedem der rund 100 Menschen, die an diesem Tag die Bayerische Rettungs- oder die Christophorus-Medaille erhalten, werden ein paar Sätze verlesen. Viele davon gehen Jürgen Ziegler unter die Haut, wie er sagt. Geschichten von Menschen, die zum Teil ihr eigenes Leben riskierten, um andere zu retten. Dann die Verleihung der Medaille, das gemeinsame Bild mit Ministerpräsident Markus Söder, ihn einmal persönlich kennen zu lernen, die Gespräche mit den anderen Geehrten später in lockerer Runde. "Das war schon schön", sagt Ziegler, ganz Franke, "da kann man lange dran zehr'n."

    30 Jahre Feuerwehr zahlten sich auch in diesem Moment aus

    Das Schönste aber für ihn ist die tiefe Freundschaft zwischen den Familien, die sich seit dem Betriebsunfall entwickelt hat. Klar, man kannte sich vorher, hat sich auch mal besucht, doch heute sei man "noch enger zusammengewachsen", sagt der 51-Jährige. Seit sieben Jahren arbeitet der Mechaniker bei Semco, ist zuständig für die Instandhaltung. Das, was an jenem 29. Mai 2018 geschehen ist, hat er erst zwei, drei Tage später wirklich realisiert. Da saß Jürgen Ziegler krankgeschrieben zu Hause. Acht Wochen sollte es dauern, bis seine verbrannten Hände abgeheilt waren und er wieder arbeiten konnte.

    Warum er wusste, was zu tun war? 30 Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr, da bekommt man schon einiges mit, erklärt der Birnfelder. Er wusste, was zu tun ist, und ist sich trotzdem sicher, dass die Notärztin damals Recht hatte: "Es müssen 1000 Schutzengel um uns rum gewesen sein."

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