Bereits Ende 2005 soll alles über die Bühne gegangen sein. Die Chef-Etage von Lekkerland/Tobaccoland Deutschland in Frechen spricht nicht von einer Schließung, sondern von einer Verlagerung ihrer Gochsheimer Niederlassung. Sie soll, so Konzern-Sprecherin Janine Hoffe, an anderer Stelle neu errichtet werden, und zwar irgendwo in Franken. Wo genau dies sein wird, durfte sie gestern allerdings nicht mitteilen. Die 95 Gochsheimer Mitarbeiter sollen künftig am neuen Standort beschäftigt werden. Ob es darüber schon ein Einverständnis gibt, wollte gestern ebenfalls niemand kommentieren.
Im Gegensatz zu 1977 kann heuer von abgebrannt weder wörtlich noch in übertragenem Sinn die Rede sein. Dem Konzern geht es wirtschaftlich gut, seit Jahren meldet Lekkerland ein expandierendes Geschäft. 2003 lag der Umsatz des Konzerns bei 7,37 Milliarden Euro (auf Gochsheim entfielen davon 120 Millionen), der Gewinn bei 70 Millionen Euro (zu diesem Punkt gibt es für Gochsheim keine öffentliche Zahl).
So sind es denn auch keine wirtschaftlichen Zwänge, die zur Schließung oder Verlagerung der Gochsheimer Niederlassung führen. Es gibt, so Konzern-Sprecherin Hoffe, auch keine grundlegende Unzufriedenheit mit den Rahmenbedingungen des Standorts. Begründet wird die Verlagerung mit der Notwendigkeit zur Modernisierung. So soll die neue Niederlassung als modernes Logistik-Zentrum errichtet werden, in der weitgehend elektronisch funktioniert, was in Gochsheim bislang noch mit Stift und Papier zu Protokoll gegeben werden muss. Eine Modernisierung in Gochsheim hätte sich nicht gelohnt, hieß es dazu aus Frechen.
Die Lekkerland/Tobaccoland GmbH & Co. KG hat ihren Ursprung in den Niederlanden (deshalb "Lekkerland" und nicht "Leckerland") und unterhält deutschlandweit 20 Niederlassungen. Das Unternehmen versorgt von dort aus mit fast 5000 Mitarbeitern und 800 Lastern rund 50 000 Tankstellen-Shops, Kioske, Tabakwarenfachgeschäfte, Kaufhäuser, Lebensmittelmärkte, Bäckereien und Kantinen mit einer breiten Produktpalette. An erster Stelle finden sich darunter Süßwaren, Getränke, Snacks, fast fertig zubereitete Mahlzeiten (Convenience-Artikel), Eis, Tiefkühlkost und Tabakwaren, aber auch Telekommunikations- und Prepaid-Produkte: insgesamt 30 000 unterschiedliche Artikel.
Von Gochsheim werden seit 1972 Teile der Oberpfalz, Teile Mittelfrankens, Unter- und Oberfranken, Südhessen, Südthüringen und das nördliche Baden-Württemberg versorgt.
Gochsheims Bürgermeister Wolfgang Widmaier zeigte sich gestern von der Hiobsbotschaft betroffen und wertet die Pläne von Lekkerland als "schweren Schlag für die Gemeinde". Zwar ist Lekkerland nicht der größte Arbeitgeber am Ort (das ist die Edeka Nordbayern), aber bei insgesamt etwa 2500 Arbeitsplätzen in der Großgemeinde fällt der Wegzug schon ins Gewicht. Auch der künftige Verlust einer nicht eben geringen Summe an Gewerbesteuer schmerzt den Bürgermeister. Offiziell weiß Widmaier aber noch nichts, er hat es in der vergangenen Woche lediglich läuten hören. Der Konzern hat sich bislang nicht mit ihm in Verbindung gesetzt.
Nicht nur deshalb war Widmaier von der Entwicklung überrascht. Es ist noch nicht allzulange her, da hat Lekkerland damit geliebäugelt, die Niederlassung in Gochsheim auszubauen. Im April 2003 wurde die Baugenehmigung für eine Erweiterung erteilt. Passiert ist seitdem allerdings noch nichts. Bis zu 40 zusätzliche Arbeitsplätze sollten eigentlich entstehen, sagte Widmaier im Gespräch mit dieser Zeitung.