Die ideenreichen Volksvertreter im Schweinfurter Stadtrat, Julia Stürmer-Hawlitschek (SPD) und Adolf „Adi“ Schön (FW), in der dritten oder vierten Generation nach Willy-Sachs finden im sorgenreichen Corona-Jahr keine wichtigere Diskussionsbühne, als das Thema der Stadionumbenennung auf die Tagesordnung zu bringen. Die kommunalen Corona-Sorgen (z.B. Schulgebäude) sind wohl nicht geeignet, sich medienwirksam zu präsentieren. Und dann signalisieren noch acht von neun Fraktionen (CSU, SPD, Grünen, Freien Wählern, Linken, der FDP, proschweinfurt und Initiative Zukunft/ödp) ihre Unterstützung.
Allen OBs der Nachkriegszeit und den Stadtratsgremien ist es bislang nicht eingefallen, diesem „Täter“ Willy Sachs die Ehrenbürgerwürde posthum zu entziehen oder das Willy-Sachs-Stadion umzubenennen. Selbst der ehrenwerte OB Georg Wichtermann (SPD), ab 1945 Betriebsrat und Gewerkschaftsfunktionär bei Fichtel & Sachs, und somit Arbeitnehmer unter Willy Sachs, kam auch danach in seinen 18 Jahren als Stadtoberhaupt nicht auf diese Idee. Dem amtierenden OB Sebastian Remelé (CSU) konnte man in einem am 12. November gesendeten Interview bei RadioPrimaton keine beifallsartige Bewertung des vorliegenden Antrages für die Sitzung am 24. November entlocken.
Georg Schäfer aus der benachbarten Industriellenfamilie (FAG Kugelfischer) war seit 1952 ebenfalls Ehrenbürger von Schweinfurt. Er war nach 1933 NSDAP-Stadtrat in Schweinfurt und ab 1942 Führer des für die Rüstung wichtigen „Sonderrings Wälzlager“. Nach ihm ist die Dr.-Georg-Schäfer-Berufsschule benannt.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (Deutschlands größte Stahl- und Rüstungsindustrie) war bereits seit 1931 Mitglied der SS und im Nationalsozialistischen Fliegerkorps, zuletzt im Rang eines Standartenführers, 1937 Wehrwirtschaftsführer und ab 1938 Mitglied in der NSDAP. Von seinem Wirken zeugen noch heute das Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen als Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Duisburg-Essen und die “Villa Hügel“. An seinem Sarg zogen 18 000 Menschen vorbei, bei der Trauerfeier sprach der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke.
Das weitaus größte Grab und weithin sichtbare Wahrzeichen des Hauptfriedhofs in Schweinfurt mit einer großen Christusfigur ist das Grab der Schweinfurter Industriellenfamilie Sachs. Hier ruhen Ernst Sachs und sein Sohn Willy Sachs. Den Gedanken einer Exhumierung von Willy Sachs hat bislang noch kein Stadtrat aus Langeweile eingebracht.
„Der Stadtrat sei kein Parlament, in dem man politische Forderungen ausdiskutiere, sondern Teil der Verwaltung und möge seiner Verantwortung in der Pandemie gerecht werden“, schloss dieser Tage OB Remelé bei anderem Anlass. Da bin ich ganz bei ihm!
Horst Assmann
97422 Schweinfurt