Nach einem Konzert kauft man sich meist eine CD, weil man vom Gehörten begeistert ist. So auch nach dem ausverkauften Foyerkonzert des Julia Hülsmann-Trios im Theater. Aber für ein solches Souvenir gab es hier noch einen anderen Grund: Viele Besucher spürten, dass sich die Musik der Berliner Pianistin und Komponistin Julia Hülsmann – „Lyrikerin und Feingeist unter den deutschen Jazzpianistinnen“ – erst bei mehrmaligem Hören vollkommen erfassen und ausloten lässt: ihre kreative Kraft, ihre Vielschichtigkeit und ihr Klangfarben-Reichtum. Belebender Jazzfrühling im Theater also – Hausherr Christian Kreppel hatte nicht zu viel versprochen.
Die Musik der Pianistin atmet Achtsamkeit – entspannt und zugleich hellwach. Auch schlicht und komplex als Beschreibungen sind bei Julia Hülsmann nur ein scheinbarer Widerspruch: Sie löst ihn mit ihrer improvisatorischen Kunst und vor allem mit Abstraktion, Reduktion, Verdichtung und Pausen schnell auf. Aufmerksame kongeniale Partner sind an diesem Abend Marc Muellbauer am Bass und Roland Schneider am Schlagzeug, beides international renommierte Jazzmusiker.
Die Mehrzahl der Titel stammt von Julia Hülsmanns letzter CD „Imprints“. Spuren, Eindrücke, Bilder berühren die Künstlerin, geben meist die Inspiration für ihre Kompositionen. So steht am Anfang die Ballade „A light left on“: „Man kommt nach Hause, wird heimelig empfangen von einem angelassenen Licht.“ Das Thema des Stücks mag schlicht sein, doch dann wird man schnell gefangen von Hülsmanns an Nuancen reicher Kunst: Ostinati, Tempoüberlagerungen, Akkordverschiebungen, energiegeladene Improvisationen, Akzentuierung jedes einzelnen Tons.
„Rond Point“ ist ein meditativ-repetives Stück. Hülsmann: „Eine Erinnerung an eine sommerliche französische Landschaft, die einen so begeistert, dass man im dort üblichen Kreisverkehr ruhig ein paar Runden mehr fährt, um alles genießen zu können“. Eine swingende Hommage an Thelonius Monk ist „Who's next“, in der die Künstlerin aus ein paar wie hingeworfenen Tönen des Themas ein filigranes Impro-Geflecht entwickelt. Als Cover-Version Seals „Kiss from a rose“. Auch hier ein spannend langsamer Aufbau der Intensität: vom bitter-süßen Zauber des Lovesongs – vom Bass vorgestellt – bis zur treibenden Power des abrupten Finales.
Auch „Gelb“ ist solch ein furioses Klangabenteuer, in „Go and open the door“ – ein Appell ans „Immer weiter gehen“ – steuert Hülsmann zu dem großen Bass-Solo Muellbauers schillernde Akkordanschläge bei. „Lulu's Paradise“ basiert auf einem Bild aus dem Film „Out of Rosenheim“, und „Kauf dir einen bunten Luftballon“ ist ein Gedenken Julia Hülsmanns an das Lieblingslied ihrer Mutter, das dieser auch in Dresdner Bombennächten ein Bild eines fernen Wunderlands vermittelte.
Großer Applaus für das Julia Hülsmann-Trio. Danke für diesen so einmaligen Jazzabend: für die beglückende Begegnung mit einer sympathischen , kreativen und nachdenklichen Künstlerin, die auch ohne Worte so wunderschöne Geschichten erzählen kann. Manfred Herker