Die Gruppe Sprachkultur Mainfranken, Regionalgruppe des Vereins Deutsche Sprache (VDS), zeichnet am Samstag, 13. September, um 14 Uhr im Museum Georg Schäfer den Schweinfurter Schauspieler und Rezitator Peter Hub als zehnten Sprachbewahrer aus. Der Preisträger wird das Programm gemeinsam mit der Gitarristin Barbara Hennerfeind umrahmen. Neben seinen Leistungen als Schauspieler, Tänzer und Rezitator werde vor allem das Engagement in den Schulen gewürdigt, so eine Mitteilung des Vereins: „Kindern und Jugendlichen die Kraft und Ausdrucksfähigkeit der deutschen Sprache in lebendiger Art nahezubringen, ist eine Kulturleistung ersten Ranges und verdient höchstes Lob und Anerkennung. Scheinbar schwere Sprache der Klassiker lebensecht zu vermitteln, ist wahre Kunst.“
Peter Hub, Jahrgang 1954, stammt aus Sennfeld. Bevor Theater und Lesungen sein Hauptberuf wurden, hat er einiges ausprobiert. Er hat eine Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei abgebrochen und im heimischen Betrieb Metzger gelernt. Er hat in Nürnberg am Fließband gearbeitet und auf einem Ausflugsschiff in der Küche gearbeitet. Das Theaterspielen begann in den 1980er-Jahren: Mit der Truppe „Schmierenkomödianten“ ist er bei „Theater im Zelt“ aufgetreten.
Seither hat Peter Hub ein großes Repertoire an Rollen und Programmen erarbeitet, von Goethe bis Heinz Erhardt, von Fontane bis Federico Garcia Lorca. Allein zusammen mit Barbara Hennerfeind gibt es drei Lyrikprogramme: „Es menschelt im Getier“ (von Goethe bis Heinz Erhardt), „Alles Liebe ... oder was?“ und einen spanischen Abend, unter dem Titel „Liebe, Leben Leidenschaft“.
Frage: Herr Hub, Sie bekommen den Sprachbewahrerpreis. Muss Sprache denn bewahrt werden?
Peter Hub: Ja, das denke ich schon. Je mehr Wortschatz ich besitze, desto besser kann ich mich ausdrücken. Das geht schon beim Arzt los: Wenn mir wenig Wortschatz zur Verfügung steht, kann ich gar nicht richtig beschreiben, was mir fehlt. Oder ein Freund will wissen, wie es mir geht. Dann kann ich vielleicht noch sagen, mir geht's schlecht. Aber wie schlecht? Was ist los mit mir? Das gilt für alle Bereiche menschlichen Zusammenlebens. Egal worüber ich spreche, je größer mein Wortschatz, desto besser kann ich mich verständlich machen.
Wobei es heute ja neue Formen der Kommunikation gibt: Emoticons – lustige gelbe Gesichtchen, die lachen oder weinen, und die man ganz bequem im Netz posten kann.
Hub: Aber das sind ja nur Schlagworte. Wenn ich differenzieren will, brauche ich die Sprache. Aber nochmal zum Sprachbewahrerpreis: Ich persönlich verwerfe nicht jeden Anglizismus wie der Verein Deutsche Sprache. Wenn Musik groovt, dann groovt sie einfach, da hätte ich auch kein deutsches Wort dafür. Da weiß einfach jeder Bescheid. Oder wenn ich mich für eine kleine Sache entschuldigen will, sag ich „sorry“. Davon würde ich nicht unbedingt abrücken. „Tut mir leid“ ist schon wieder viel zu schwer. Oder „Shit“ – das ist einfach ein schöner Ausdruck. Wobei ich beide verwende: Shit und Scheiße. Was mir aber selbst auf den Wecker geht, ist „Kaffee to go“ oder „Drive in“ für deutsche Bäckereien. Deshalb würde ich jetzt aber nicht E-Mail als „elektronische Post“ bezeichnen. Das wäre mir zu fundamentalistisch.
Sie machen viel an Schulen. Beobachten Sie bei den Kindern und Jugendlichen Veränderungen im Umgang mit Sprache?
Hub: Eher weniger. Natürlich verwenden die heute andere Ausdrücke, das war in unsrer Jugend nicht anders. Aber was ich von außen immer wieder höre, dass Kinder nicht mehr zuhören können, das stimmt überhaupt nicht. Es kommt natürlich immer darauf an, wie man es macht. Wenn ich mich hinsetze und lese das langweilig runter – da haben wir früher auch nicht zugehört. Wenn ich die Gedichte aber spielerisch, plastisch darstelle, dann hören die eine Dreiviertelstunde ganz ohne Probleme zu, egal, ob Grundschule oder Gymnasium.
Können die sich dann hinterher artikulieren – oder sagen sie nur „fand ich geil“?
Hub: „Fand ich geil“ kommt schon, aber das kann ich auch akzeptieren. Dann weiß ich: Okay, das hat denen jetzt wirklich gefallen. Das ist aber unterschiedlich, das hängt vielleicht mit der Herkunft zusammen. Es gibt auch Kinder, die sagen, „das hat mir jetzt gut gefallen“.
Welche Rolle spielt dabei Lyrik? Manche Dichter, zum Beispiel Ringelnatz, gehen mit Sprache nochmal ganz anders um. Ist das eine besonders gute Möglichkeit, Kindern zu vermitteln, welch Schatz Sprache sein kann?
Hub: Ja – da gebe ich mal zwei Rückmeldungen wieder: Im Humboldt-Gymnasium sind am nächsten Tag nach der Lesung Schüler in der Bücherei aufgetaucht und haben gefragt, wo gibt's denn so Bücher mit Gedichten. Das ist natürlich ein schönes Kompliment. Eine Lehrerin aus einem anderen Gymnasium hat später berichtet, dass die Kinder gefragt haben, wann nehmen wir denn mal Balladen durch? Was ich aber auch festgestellt habe: Mit dem Humor von Ringelnatz können die Kinder heute nichts mehr anfangen. Von Ringelnatz oder Jandl waren wir damals begeistert. Das funktioniert heute nicht mehr so.
Der Reiz bei Ringelnatz und Jandl liegt ja im kreativen Durchbrechen sprachlicher Regeln – könnte es daran liegen, dass heute Sprache überall so verballhornt wird, dass solche poetischen Regelverstöße nicht mehr spannend sind?
Hub: Kann ich nicht sagen. Wäre möglich. Vielleicht hat die Begeisterung damals mit der ganzen Zeit zu tun gehabt – den Unruhen, dem Auflehnen. Ringelnatz war ja selbst so ein Anarcho-Typ. Wenn ich eine klassische Ballade nehme, von Goethe zum Beispiel, da kommen sie eher mit. Bei Tucholsky oder Kästner wiederum fehlt meist der politische Hintergrund der Zeit damals.
Hören Sie dann auf mit Ringelnatz an Schulen?
Hub: Das habe ich mir echt überlegt. Wenn eine Anfrage käme, würde ich es wahrscheinlich machen, aber ich biete es von mir aus nicht mehr an. Tucholsky eher, da entwerfe ich ein ganzes Lebensbild und beschreibe die Zeit. Viele Tucholsky-Gedichte kann man heute fast eins zu eins benutzen. So wenig hat sich in der politischen Landschaft getan. Aber bei Ringelnatz muss man schon eine Art verqueres Denken haben.
Dann sind also die Klassiker tatsächlich zeitlos?
Hub: Ja, vor allem Balladen, weil Sprache und Inhalt verständlich sind. Sie handeln meistens von großen Gefühlen, die zeitlos sind. Natürlich nicht alle. „Der Knabe im Moor“ von Annette von Droste-Hülshoff etwa ist sprachlich ziemlich kompliziert, damit kann in der 5. Klasse kaum einer etwas anfangen. Ging uns damals in der 6. oder 7. Klasse aber auch nicht anders. Goethes „Zauberlehrling“ ist sprachlich nicht so schwer. Der hat natürlich verschiedene Ebenen – die Fünftklässler verstehen ihn auf einer Ebene, die anderen auf einer anderen. Oder „Herr von Ribbeck auf Ribbeck“ – das ist einfach eine nette Message. Oder „John Maynard“ – das ist einfach spannend. Wenn ich auch das eine oder andere Wort vielleicht nicht verstehe, so verstehe ich doch die Spannung und bin drin in dem Gedicht. Mit Rilke habe ich's noch nicht versucht, aber ich vermute, eine Schulstunde nur Rilke, das wäre zu lang. Wäre mal interessant auszuprobieren.
Zum Werk selbst gehört ja immer auch die didaktische Würdigung.
Hub: Es gibt viele Gedichte, da würde ich sagen, die könnte ich intellektuell nicht interpretieren. Aber es zieht mich rein. Und so geht es Kindern beim Zuhören auch. Es zieht sie rein. Wenn ich hinterher frage, was ist denn da passiert, dann können sie das – mehr oder weniger – sagen. Auf jeden Fall hat es ihnen gefallen, auch wenn sie nicht genau ausdrücken können, was alles in dem Gedicht steckt. Ist auch nicht so wichtig, wenn es einfach ein schöner Vormittag war.
Man muss ja auch nicht immer Rechenschaft über seine Gefühle abgeben können.
Hub: Eben. Das können manche besser als andere. Ich selbst bin auch eher ein Gefühlsmensch. Ein eher einfacher Mensch, der aber sagen kann, das berührt mich, oder es berührt mich nicht. Dann versuche ich das auszudrücken, was ich spüre. Und das liebe ich – mittlerweile mache ich lieber Lyrik als Theater. Auch Programme mit Musik mache ich sehr gerne, zum Beispiel mit der Gitarristin Barbara Hennerfeind. Lyrik und Musik, das passt einfach wunderbar zusammen.