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Schonungen: Männerfreunde gründeten Mofaclub: Midlife-Crisis schon mit 30

Schonungen

Männerfreunde gründeten Mofaclub: Midlife-Crisis schon mit 30

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    Slowriders on tour – „alles easy“: In Schonungen lassen diese Herren mittleren Alters ihre Mofarocker-Zeiten wieder aufleben und haben mächtig Spaß dabei.
    Slowriders on tour – „alles easy“: In Schonungen lassen diese Herren mittleren Alters ihre Mofarocker-Zeiten wieder aufleben und haben mächtig Spaß dabei.

    MC dürfen sie sich nicht nennen. Das haben sie gelernt in diesem ersten Jahr ihres offiziellen Daseins als „Mofarocker“. Sie sprechen deshalb lieber von einer „Interessengemeinschaft“, in der sie sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsam und auf ihren mehrere Jahrzehnte alten Mofas gesellige Ausflüge zu unternehmen. Die Slowriders Schonungen haben zwar einen allmächtigen Präsi, einen Vize (mit Papagei auf der Schulter), Kutten mit eigenem Wappen und auch viele andere in Motorradclubs übliche Statussymbole. Aber sie sind kein MC. Auf gar keinen Fall.

    „Richtige Rocker fühlen sich von uns auf die Schippe genommen und in ihrer Ehre gekränkt“, sagt Matthias. Er ist der Präsi des Zehn-Mann-Clubs, der Gründonnerstag 2011 in der Hausener Brauereigaststätte Ulrich Martin aus der Taufe gehoben wurde. Und der bei einem ersten „Ausritt“ zu einem Gemeindefest beinahe Schläge bezogen hätte von den echten harten Jungs, „dabei wollen wir niemanden verulken, sondern nur unseren Spaß haben“, sagt Florian. Und auffallen wollen sie; mit einem Augenzwinkern.

    Wobei sie auch ohne ihre standesgemäße Staffage kaum zu übersehen sind, wenn sie im Mofa-Konvoi durch Schonungen knattern. Von der legendären Hercules Prima 5s über das Citybike C1 bis zur Optima 3 – die eigentlich schon in die Mopedklasse gehört – ist im Club fast alles vertreten, was in der Mofaszene Rang und Namen hat. Und einen Sachs-Motor. Denn die Slowriders fühlen sich nicht nur dem langsamen Fahrspaß und der Großgemeinde Schonungen verbunden, sondern auch dem früheren Schweinfurter Motorenhersteller Sachs, bei dem so mancher Vater „geschafft“ hat, wie man hierzulande sagt.

    Die Gründung

    Initialzündung zur Clubgründung war der 30. Geburtstag des Präsi am 9. April vergangenen Jahres. Die Freunde waren auf der Suche nach einem ausgefallenen Geschenk und wussten, dass Matthias einst sehr an seinem knallgelben Hercules Citybike hing. Es diente den Hostessen bei den Olympischen Spielen 1972 in München als Fortbewegungsmittel im Olympiapark und genoss Kultstatus. Bei einem früheren Arbeitgeber des „Geburtstagskindes“ wurden die Kumpels fündig und präsentierten unter großem Hallo das nicht mehr ganz taufrische Gefährt.

    Daniel, der Schrauber in der Clique, half beim Herrichten. Und erinnerte sich bei der Gelegenheit an seinen eigenen Mofa-Fundus im heimischen Schuppen. Nach und nach reaktivierten die „gesetzten Herren“ zwischen 24 und 43 Jahren die Flitzer aus ihrer Jugendzeit; und fanden sich auf Initiative von Matthias schließlich zur Gründung der Slowriders in Hausen zusammen. „Meine Frau hat gesagt, das ist die erste Midlife-Crisis schon mit 30“, erinnert sich Matthias. Und Florian spricht davon, dass man sich irgendwie „die geile Jugendzeit zurückholen“ möchte.

    Wenn die „Mofarocker“ zusammensitzen, an ihren wöchentlichen Clubabenden, spinnen sie sich ganz schön was zusammen. Von Beginn an imitierten sie die echte Rockerszene; Carlos Freundin Valentina entwarf ein Clublogo, das inzwischen die Rückseiten der Jeanskutten ziert und sich außerdem auf der Stammtischstandarte dreht: einem Zünddeckel auf drehbar gelagertem Mofakolben, der in einem Hercules-Kettenrad verankert ist. Es gibt Club-T-Shirts, eine Club-Hymne („Slow Riders in the Sky“) und Club-Bierkrüge, darunter sogar einen so genannten „Hangaround-Krug“ für Beitrittskandidaten in der Probezeit.

    Die Zusammenkünfte sind dabei wichtiger als das Mofafahren selbst; in den Wintermonaten wanderten die Slowriders lieber die anderthalb Kilometer nach Hausen, statt ihre empfindlichen Maschinen (und Körper) der Kälte auszusetzen. Die Optik allerdings muss stimmen, auch wenn das Zweirad in der Garage bleibt. Die Kutten sind inzwischen übersät von kleinen Aufnähern, darunter auch weniger passende, wie das „Seepferdchen“ bei Vize Alexander. Als es neulich bei Deichmann Cowboystiefel zu 15 Euro das Paar gab, hat die ganze Gilde zugeschlagen. Zum Fünfjährigen des Clubs liebäugeln heute schon manche mit einem Slowriders-Tattoo.

    Und sogar über ein Clubhaus dachte man kurze Zeit nach, kam dann aber wieder davon ab, weil man ähnlich der großen Clubs Arbeitseinsätze hätte anordnen müssen und dies wohl nicht jedem geschmeckt hätte. So bleibt man also in der Hausener Brauereigaststätte, die bei der Clubgründung zünftig eingeweiht wurde, als man eine Rechnung (viel Bier, wenig Speisen) von 180 Euro hatte und sogar eines der Mofas in die Wirtsstube fuhr.

    Basis für das Clubleben sind übrigens die zehn Gebote. Nicht die aus der Bibel freilich, sondern die der Slowriders. „Fahre niemals ein zu mageres Gemisch“, heißt es da beispielsweise. Oder „schließe stets den Benzinhahn“. Und natürlich: „Der Präsi hat immer Recht.“ Für Matthias ist das keine besondere Sache, sondern einfach logisch: „Ich habe den Club gegründet, ich habe das Sagen. Auf Lebenszeit.“ Schließlich sind Mofaclubs keine demokratische Veranstaltung und auch kein Hort der Gleichstellung. Fragt man die Jungs nach weiblichen Mitgliedern, hört man ein vielkehliges „Hä?“ Florian sagt: „Die Frauen sind dahemm, verräumt.“ Und ein anderer (unter der Hand): „Wir machen das doch auch, damit wir mal rauskommen...“

    Apropos „rauskommen“. Natürlich dürfen die Ausfahrten mit den Zweirad-Oldies (deren Versicherungskennzeichen ab einem Alter von 30 Jahren übrigens nur noch 25 Euro kostet) nicht fehlen. Bei zwei Hochzeiten waren die Slowriders schon Spalier gestanden, Eisdielen sind ein beliebtes Ziel und ein Jahr nach der Clubgründung, exakt an Gründonnerstag 2012 also, gehen die Zehn auf große Tour durch alle neun Ortsteile Schonungens. Gut möglich, dass die eine oder andere Hercules dann schlapp macht, etwa am kernigen Marktsteinacher Berg. Aber es wird schon einen Schrauber geben, der die Kiste unterwegs wieder „flott kriegt“.

    Traumziel: eine Tour zum Nordkap

    Wie überhaupt die Mofas robuster sind, als der Laie glauben möchte. Alle träumen sie von einer gemeinsamen Tour zum Nordkap. Daniel war mit seiner Prima 4 schon auf dem Kreuzberg (gemeint ist nicht der bei Schonungen, sondern der „der Franken“ in der Rhön), Florian und Alexander haben gar einen Mehrtagestrip nach Thüringen gewagt. Dort wurden sie in ihrem Markenstolz schwer verletzt, als sie sich auf ihren fränkischen Zweitaktern bei Ilmenau einen Berg hinaufquälten und ihnen eine Oma aus dem Fenster zurief: „Seht Ihr, unsere Simsons waren doch besser.“

    Waren sie freilich nicht. Sagen die Slowriders. Aber gegen einen Simsonfahrer als Clubanwärter hätten sie eigentlich nichts einzuwenden: „Die Dinger waren auch Kult.“ So wie Sachs. Und Hercules. Und die Fuchsschwänze, die von einigen Lenkern baumeln. Die zehn Slowriders in der Brauereigaststätte heben ihre Krüge, stoßen an. Sie sind im Reinen mit sich und ihrem Hobby. Es gibt schon eine Warteliste. Andere wollen mitmachen, ein halbes Dutzend Schonunger, „die schon ein Mofa haben oder sich eines zulegen wollen“, sagt Matthias. Aufnahmerituale, Probezeiten, wie in den großen Motorradclubs gibt es bei ihnen nicht. Aber so einfach rein kommt ihnen auch keiner. „Darüber wird abgestimmt“, sagt der Präsi. Es ist das einzige demokratische Ritual der Slowriders.

    P.S. Die Clubmitglieder kommunizieren über eine geschlossene Facebook-Gruppe. Sie ziehen es vor, nur mit ihren Vornamen in Erscheinung zu treten, um Anfeindungen von MCs vorzubeugen. Sie stehen alle im Berufsleben, haben Familien und sind im Gemeindeleben engagiert, etwa bei der Feuerwehr.

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