Als er 1949 als sechsjähriger Dreikäsehoch den Märklin Metallbaukasten unterm Weihnachtsbaum entdeckte, war Günther Schröttle überglücklich. Seiner Mutter Emmy und den Großeltern Karl und Anna Fischer – alle lebten damals noch in der Brückenstraße in Schweinfurt unter einem Dach – war damit eine „ganz große Überraschung“ gelungen, sagt der heute 70-Jährige. Es muss ein wirklich einmaliges Erlebnis für den Buben gewesen sein, weil Schröttles Augen glänzen, als er das 64 Jahre später erzählt.
Der Märklin-Kasten samt der später in den Jahren bis 1955 hinzugekommen Ergänzungskästen sind dem 70-Jährigen vor ein paar Jahren beim Entrümpeln seines Kellers im Sennfelder Eigenheim „wieder in die Finger“ geraten. Vieles hat er damals „entsorgt“. Den Märklin-Baukasten und alles was dazu gehörte, hat Schröttle aber denn doch wieder in den Kofferraum gepackt und mit nach Hause genommen. „Ich konnte mich doch nicht von meinen alten Weggefährten trennen“, lacht er.
Nun hat Günther Schröttle sich aber doch von den guten alten Bauteilen samt Originalkartons und Beschreibungen getrennt, das aber „leichten Herzens“. Er hat alles komplett dem „Haus der Bayerischen Geschichte“ übergeben.
Historische Weihnachtsgeschenke
Es hatte – die Annonce stand auch in Tagblatt und Volkszeitung – „Historische Weihnachtsgeschenke“ für eine Ausstellung gesucht, die im Jahr 2018 in Regensburg gezeigt werden soll. Am 27. Mai 2018 eröffnet dort anlässlich des 200. Jahrestages der Bayerischen Verfassung von 1818 und des 100. Jahrestages der Gründung des Freistaats das neue Museum der Bayerischen Geschichte. Die Ausstellung „Historische Weihnachtsgeschenke“ soll um die Weihnachtszeit 2018 gezeigt werden.
Schröttle bot seine Märklin-Baukästen an und die Münchner ließen sehr schnell wieder von sich hören: „Vielen Dank, Ihr Märklin-Metallbaukasten wird in unserer Ausstellung und Sammlung einen würdigen Platz erhalten“, schrieb Dr. Simon Kuchelbauer vom Haus der Bayerischen Geschichte nach Sennfeld.
Schröttle sagt, dass seine Mutter und die Großeltern mit dem damaligen Geschenk seine berufliche Laufbahn mehr oder weniger bestimmten. Er habe von den Bauteilen gar nicht mehr lassen können, habe „bestimmt bis ich 16 Jahre alt war damit Autos, Bagger, Kräne gebaut, konstruiert und getüftelt“. Er erinnert sich genau der Feuerwehrleiter, die er anfangs gebaut hat, „oder der Löffelbagger“. Später mit den in den Jahren hinzugekommenen Ergänzungskästen und der mittlerweile gewachsenen Erfahrung wurden auch die „Bauten“ größer. „Ich wollte immer mehr machen“, sagt Schröttle und schlägt im Bastelkatalog die Seite mit dem für den Laien wirklich komplizierten „Fahrbaren Portalkran“ auf.
Er habe damals etwa die Funktion von Zahnrädern oder eines Differenzialgetriebes gelernt. Für den 17-jährige Günther war klar: Es muss ein technischer Beruf sein. Er entschied sich 1960 denn auch für eine Lehre als Maschinenschlosser beim „Kufi“. Als Geselle blieb er noch einige Zeit bei FAG Kugelfischer, wechselte 1964 „zum Full an den Oberen Marienbach, ein VW-Händler, wurde Autoverkäufer mit viel Technikverstand. 1971 setzte Schröttle seine Karriere bei Mercedes nicht nur fort, er beendete sie dort auch als Verkaufsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung. „Alles wegen Märklin“, lacht er wieder.
„Würdiger Gnadenhof“
Vor ein paar Tagen nun holte ein Mitarbeiter vom Haus der Geschichte alle Märklin-Utensilien ab. Schröttle unterzeichnete einen Schenkungsvertrag und er ist froh, dass Teile seiner Kindheit nicht auf dem Müll gelandet sind, sondern der Nachwelt erhalten bleiben. „Wie viele Jungs sind mit solchen Baukästen groß geworden“, sinniert Günther Schröttle. Seine Märklins haben nun einen „würdigen Gnadenhof gefunden“, sagt er und baut ein letztes Mal einen kleinen Kran zusammen.