Nasskalte Tropfen fallen in den trüben Januar. "In der Sowjetunion haben sie gesagt, im Westen regnet es die ganze Zeit", erzählt Inge Starodub beim Blick durch die Fenster des leerstehenden Pfarrhauses von "Maria Hilf". An diesem Tag, bei der Eröffnung ihrer ersten Einzel-Ausstellung, stimmt das sogar. Um so größer ist der Kontrast ihrer meist hellen, farbenfrohen, seelenfreundlichen Acrylgemälde, die Naturlandschaften zeigen, Menschen, Blumen, Tiere, die Gartenstadt im Sommer. Zahlreiche Weggefährten, Verwandte und Freunde sind zur Vernissage in die Fritz Soldmann-Straße gekommen, darunter auch die Niederwerrner Malerin Karin Lorenz.
Ein Selbstporträt zeigt Starodub als Mädchen mit Katze, Erinnerung an eine Kindheit in der "Tadschikisch Sozialistischen Sowjetrepublik", unweit Afghanistans. 1966 wurde Starodub in diese Welt der Pastell-Farben geboren, in Duschanbe, dort, wo die Sowjetunion entrücktes Morgenland war. Die Eltern waren Russlanddeutsche, eigentlich Nachfahren österreichischer Siedler, die zur Zeit Maria Theresias ihr Glück in Westrussland gesucht hatten. Als Kriegsfolge wurden die Deutschen aufs ganze Stalinreich verteilt, in Tadschikistan waren sie eine Art Entwicklungshelfer.
"Ich habe noch selbst Baumwolle gepflückt" erinnert sich die einstige Elektrotechnik-Studentin, die heute in der Arztpraxis in der Nachbarstraße arbeitet. 1988 kam sie nach Schweinfurt, für die junge Aussiedlerin ein großes Abenteuer. Tadschikistan, das wunderschöne, aber arme Bergland am Rand der Seidenstraße, versank kurz darauf im Bürgerkrieg der Clans und Regionen. Ehemann Michael stammt aus der einst blühenden deutschen Diaspora in der Karpatenukraine. Der Schaeffler-Mitarbeiter lebte schon ein Jahrzehnt länger in Deutschland, wo sich beide kennengelernt haben.

Das Talent habe sie in der Familie entdeckt, erinnert sich Starodub, mit dem Zeichnen von Porträts. Los ging es in der Malschule von Duschanbe, der "Montagsstadt", benannt nach dem Wochenmarkt. Gemalt wurde erst in Aquarell und Öl, aktuell arbeitet sie mit dem vielfältig verwendbaren Acryl. In der Volkshochschule hat die Hobbymalerin Kurse besucht. Mittlerweile gehört sie zum Grafenrheinfelder "acrylArt-Team", das zuletzt im alten Rathaus und Kunstkaufhaus ausgestellt hat: "2006 habe ich in der Gruppe intensiv mit dem Malen angefangen." Pflanzen sind ein häufiges Motiv. Eichenblätter (Starodub bedeutet soviel wie "Alte Eiche") hat sie in ihrem kleinen Atelier ebenso auf die Leinwand gebannt wie im Grünen leuchtende Birken. Zu sehen gibt es verspielte, teilweise abstrakte "Koschki" ("Katzen faszinieren mich") oder eine Hommage an die Pferde von Franz Marc. Ebenso eine bunte, vergnügt wirkende "Kosa" oder Ziege aus dem vhs-Kurs. Außerdem Impressionen von Urlaubs- und Studienreisen, aus Spanien etwa oder Italien: "So blau wie auf dem Bild sind die Kanäle von Venedig eigentlich nicht."
"Malen ist wie Poesie"
In ihren (inzwischen mehr als 70) Bildern gehe es darum, durch Farben Gefühle zu zeigen, als "Geschenk und Herausforderung" zugleich: "Malen ist wie Poesie, manchmal anmutig und sinnlich, manchmal energisch und kraftvoll, manchmal unheimlich und geisterhaft", heißt es in der Einladung. "Waldfee" nennt sich eines der großformatigen, schemenhaft wabernden Fantasie-Bilder. "Daenerys" ist gleich daneben verewigt, zerbrechlich wirkende Weltenwanderin, zugleich aber temperamentvolle Drachenbändigerin aus der Serie "Game of Thrones".
Die Ausstellung "Meine Farben, meine Leidenschaft" ist bis 17. Februar im Pfarrhaus in der Fritz Soldmann-Straße 33 zu sehen, Mittwoch und Freitag von 15 bis 19 Uhr, Sonntag von 10 bis 17 Uhr.