Irgendwo in Kasachstan. Eine kleine zwölfjährige Straßenmusikantin spielt auf ihrer Geige eine fremdartige Melodie. Die deutsche Jazzpianistin Julia Hülsmann, mit ihrem Trio im Auftrag des Goethe-Instituts unterwegs in Zentralasien, fragt die Kleine nach dem Namen des Liedes. Es ist das kirgisische „Biz joluktuk“ (Wir gehen zusammen). „Und schon war die Idee zu einer neuen Komposition geboren“, erzählt die Pianistin bei ihrem großartigen Foyerkonzert im Theater. Diese Begegnung bringt sie mit östlicher Harmonik zum Klingen, mit einem Lächeln der Erinnerung.
Denn auch ohne Worte vermag Julia Hülsmann wunderschöne Geschichten zu erzählen. Das ist das Besondere an der sympathischen, kreativen und nachdenklichen Pianistin und Komponistin. Und das gelingt ihr, trotz verschiedener Projekte mit Sängerinnen und dem verstorbenen Roger Cicero, wohl am besten in einer Trio-Formation mit ihren kongenialen Partnern Marc Muellbauer am Bass und Heinrich Köbberling am Schlagzeug.
In ihren liednahen Kompositionen erschafft die Künstlerin meditative Klanglandschaften: Mit der Kraft ihrer improvisatorischen Kunst, vor allem mit Abstraktion, Reduktion, Verdichtung und „Atempausen“. Gerade dieses winzige Innehalten zwischen den einzelnen Phrasen erzeugt Spannung und macht neugierig auf den Fortlauf ihres klangschönen und subtilen Spiels. Dies erinnert, ebenso wie die Interaktion zwischen den drei Musikern, an das Prinzip der Achtsamkeit – entspannt und zugleich hellwach zu sein.
„Ich bin kein Freund von unnötigen Tönen“, sagt Hülsmann und ist sich da einig mit dem von ihr verehrten Miles Davis. Von dem stammt der Satz: „Die wichtigsten Töne sind die, die du nicht spielst“. Doch gerade aus dieser Bescheidung entstehen in „You and you“ unaufgeregte Improvisationen, deren musikantische Poesie man bewundernd verfolgen kann.
Julia Hülsmann erzählt von Jutta Hipp (1925-2003), der ersten deutschen Jazzpianistin, die der amerikanische Konzertagent Leonard Feather 1954 nach New York holte. Aus Hipps Kompositionen hat Hülsmann eine Hommage an sie in deren Stil geschrieben: „Thatpujai“ wechselt zwischen expressiven Bebop-Passagen und elegischen Improvisationen. Alle Stücke des Abends, meist Hülsmann-Kompositionen, enden abrupt ohne die üblichen Schluss-Floskeln.
Auch „Soon“ im Up-Tempo verführt Hülsmann nicht zu rasenden Läufen, Farbe und Power bekommt das Stück durch das wache Wechselspiel der drei Musiker. „All I need“ von „Radiohead“ beginnt als beseelter Lovesong, allmählich verdichten und verschärfen sich die Harmonien, bis ein vorwärts treibendes Crescendo das Geschehen beherrscht.
Für „Der Mond“ ließ sich Hülsmann von einem Haiku inspirieren, das volksliedartige Thema wird harmonisch und durch das Flageolett-Spiel des Bassisten verfremdet. Die erlesene Kammermusik in Jazz endet mit großem langen Applaus, Begeisterungspfiffen, Zugaben und Blumen für die Künstlerin. Theaterleiter Christian Kreppel hatte zu Beginn der Sparkasse Schweinfurt für ihre alljährliche Unterstützung bei zwei besonderen Konzertveranstaltungen wie dieser gedankt.