Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Gerolzhofen
Icon Pfeil nach unten

SULZHEIM: „Mehr geht einfach nicht“

SULZHEIM

„Mehr geht einfach nicht“

    • |
    • |
    „Mehr geht einfach nicht“
    „Mehr geht einfach nicht“

    Einst waren Sonne und Süden, Urlaub und traumhafte Inseln, Gyros und Tzatziki die Klischees, die sich mit Griechenland verbanden. Vielleicht sind sie es immer noch, doch jetzt sind Schlagwörter wie Schuldenkrise und Euro-Ausschluss dazugekommen. Durch sie scheint sich das einst so sonnenüberflutete Verhältnis zwischen Deutschen und Griechen eingetrübt zu haben.

    Wer sich mit dem griechischen Zahnarzt Dr. Manuel Spanos aus Sulzheim unterhält, merkt schnell, dass es bei ihm mit Schwarz-Weiß-Denken nicht getan ist. Die faulen Südländer da, die fleißigen Deutschen dort, die wie immer die Rechnung bezahlen? Nein, so einfach ist das nicht für ihn.

    Zwei- bis dreimal im Jahr kommt Manuel zurück in seine Heimat zu seinen Eltern, die er 1998 verlassen hat, um in Deutschland Zahnmedizin zu studieren. „Immer wenn ich nach Griechenland komme, muss ich Deutschland verteidigen und immer wenn ich in Deutschland bin, muss ich Griechenland verteidigen“, sagt Spanos.

    Grundsätzlich ist es ja nicht so, dass sich die Griechen durch das restliche Europa bequem aus ihrer Schuldenkrise herausfinanzieren lassen und so weitermachen wie bisher. „40 bis 50 Prozent unseres Vermögens sind weg“, nennt der Zahnmediziner eine Durchschnittszahl. Gut belegen kann er das am Beispiel seiner eigenen Eltern. Sie haben jetzt zusammen 1000 Euro weniger Rente als vor der Krise, zu zweit nur noch 1200 Euro. Doch nicht nur die Renten sind radikal gekürzt. Spanos' kranker Vater erhält jetzt nur noch 100 Euro Pflegegeld statt vorher 600. Er war bei der staatlichen Telefongesellschaft beschäftigt. Die Deutsche Telekom hat den Betrieb aufgekauft.

    „Meine Eltern haben ehrlich gearbeitet und immer ihre Steuern bezahlt“, sagt der 34-Jährige. Wenn sie jetzt auch nur ein bisschen über die Grundversorgung hinaus leben möchten, müssen sie ihr Erspartes angreifen.

    Die Einschnitte hält Manuel trotzdem für richtig. Natürlich müsse Griechenland seinen Beitrag zu seiner Sanierung leisten. Aber die Maßnahmen seien jetzt am oberen Anschlag angekommen, „mehr ist nicht herauszuholen“.

    Ungerecht für ihn: Die Reichen des Landes haben rechtzeitig vor Ausbruch der Krise ihr Geld ins Ausland geschafft – nach Bulgarien und in die Schweiz. Sie leisten damit keinen adäquaten Solidarbeitrag zur Rettung des Landes.

    Trotzdem ist der Großteil der Bevölkerung extrem ruhig und hat die gravierenden Einschnitte hingenommen, hat Manuel bei seinen letzten Besuchen bemerkt. Aber er hat auch etwas Anderes, Besorgniserregendes registriert: An den extremen politischen Rändern bilden sich Gruppen, die großen Zulauf haben. Die Rechte ist bereits die drittstärkste Kraft im Land. „Das sind Demagogen und Populisten, die in dieser Phase leichtes Spiel haben.“ Beide Richtungen sind europafeindlich. Der Zahnarzt aus Hellas sieht hier große Parallelen zum Deutschland der Weimarer Republik: wirtschaftliche Probleme als Katalysatoren für politischen Extremismus.

    Was hierzulande kaum jemand weiß: In Griechenland leben zurzeit mehr als drei Millionen illegaler Einwanderer, hauptsächlich aus Afrika und Afghanistan – und das bei zehn Millionen eigenen Einwohnern. EU-Bestimmungen sagen, dass diese Menschen nicht über Griechenland hinaus in andere EU-Länder dürfen. Eine Riesenbelastung für das ohnehin gebeutelte Land. „Die Spitzenpolitiker in Europa wissen das ganz genau. Hier erwarten wir Hilfe“, sagt der junge Grieche.

    Denn Perspektiven haben derzeit weder die Griechen noch die Illegalen. Deswegen steigt die Kriminalität stark, besonders im Drogenmilieu. „Früher haben wir daheim mit offenen Fenstern und Türen geschlafen, das tun wir jetzt nicht mehr.“

    Das Grundübel erkennt Manuel Spanos im Beitritt Griechenlands zur Euro-Währungsgemeinschaft bereits im Jahr 2001. „Unser Land wirtschaftet ganz anders als der Norden. Das passt nicht zusammen“, urteilt er. Dazu kommt die permanente Korruption in der griechischen Politiker-Kaste.

    Jetzt sieht Manuel Spanos die Gefahr, dass die Finanzen die große europäische Idee zerstören, dass Europa wieder auseinanderdriftet. Beim Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf. „Die Deutschen sagen, das kostet unser Geld, die Griechen sagen das Gleiche. Vor dem Euro haben sich die Europäer besser verstanden.“

    Manuel Spanos bekennt sich trotzdem ganz klar zu Europa. Wie er selbst, haben in den letzten Jahrzehnten viele junge Menschen von Europa profitiert. „Ich konnte hier studieren und ich kann jetzt hier praktizieren.“ Wenn Europa nun auseinanderbrechen sollte, würde es sich vor den Augen der ganzen Welt lächerlich machen, meint der Grieche. Es gelte jetzt, kurzfristig Ruhe und Stabilität in das Staatengebilde zu bringen, und es langfristig zu einer föderativen Union zu entwickeln. Dazu hat Spanos einen konkreten Vorschlag: Ein Lesebuch mit einer kurzen Geschichte des Kontinents und seinen vielen Gemeinsamkeiten soll für alle Schülerinnen und Schüler Pflichtlektüre werden. Der Zahnarzt: „Wir leben jetzt schon so lange in Frieden und Freiheit und es wäre schlimm, wenn wir das wie etwas Wertloses wegwerfen würden.“

    Dr. Manuel Spanos

    Der griechische Zahnarzt Dr. Manuel Spanos stammt von der zweitgrößten griechischen Insel Euböa. Seine Eltern leben in der 80 000-Einwohner-Hauptstadt Chalkida. Die griechischen Inseln sind von der Krise wegen des Tourismus zumeist nicht ganz so stark betroffen wie das Festland, insbesondere das Binnenland. 1998 verließ Dr. Spanos seine Heimat und studierte in Erlangen Zahnmedizin. Seit 2004 betreibt der 34-Jährige in Sulzheim zusammen mit Dr. Franz Schütz als gleichberechtigter Partner eine Zahnarztpraxis.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden