Wenn Hermann Geißler auf die neue EU-Verordnung angesprochen wird, hebt sich seine Stimme: „Das sind total übertriebene Vorschriften, die mit einer riesigen Bürokratie verbunden sind.“ Der Metzgermeister aus Hambach hatte sich daher Ende 2005 schweren Herzens entschlossen, nicht mehr selbst zu schlachten. Er war nicht bereit, Investitionen von mehr als 30 000 Euro zu schultern, um die Vorgaben der „EU-Zulassung“ zu erfüllen. Ein Metzger, der namentlich nicht genannt werden will, hat auf Anfrage angekündigt, sein Geschäft komplett zu schließen.
Übergangsregelung bis 2010
Bislang benötigen lediglich größere Betriebe die Zulassung. Für alle, die weniger als 20 Großvieheinheiten pro Woche schlachten und nicht ins Ausland liefern, gilt aktuell noch eine Übergangsregelung. Doch in gut zwei Jahren ist damit endgültig Schluss. Dann muss jeder Metzger, egal wie wenig er auch schlachtet, die Zulassung der Regierung von Unterfranken in Händen halten.
Die erhält er aber nur, wenn er unter anderem alle Vorgänge genauestens auflistet sowie eine Hygieneschleuse und einen Extra-Raum für die Darmreinigung nachweisen kann. Die Europäische Union wollte damit ursprünglich eine Vielzahl von Gesetzen zur Erzeugung von tierischen Produkten bündeln – und eine Vereinfachung erreichen, wie der Leiter des Veterinäramtes, Dr. Thomas Wiethe, erklärt. Obwohl es keine wesentlichen Änderungen zur momentanen Praxis gebe, so räumt er ein: „Selbst für uns als Behörde ist es jetzt nicht immer einfach.“
Zusätzlich betroffen zu allen Schlachtbetrieben sind Produzenten und Geschäfte, die mehr als ein Drittel ihrer Fleisch-Erzeugnisse nicht am Ort der Herstellung verkaufen. Konkret heißt dies, dass Metzgereien, die nicht mehr schlachten, aber eine oder mehrere, gut florierende Filialen betreiben, beziehungsweise einen lukrativen Dosenwurst-Handel mit Lebensmittelketten unterhalten, diese Regelung aus Brüssel ebenso nicht „Wurst“ sein kann.
Hans-Peter Michel von der gleichnamigen Metzgerei in Schweinfurt ist ein solcher Fall. Obwohl der Betrieb mit drei Filialen und 44 Mitarbeitern schlachten lässt, muss er sich dem neuen EU-Recht beugen. Mit großen Sorgen blickt er in die Zukunft. „Wenn wir alles umsetzen müssen, dann müssen wir wohl schließen und neu bauen.“
26 Schlachtbetriebe und Metzger gibt es noch im Landkreis – und gerade einmal drei haben zum jetzigen Zeitpunkt einen Antrag gestellt. Norbert Mai, Metzgermeister aus Poppenhausen, schlachtet noch selbst, hält sich aber zurück. „Warum soll ich vorpreschen. Ich warte ab, ob es Ausnahmeregelungen geben wird.“
Veterinäramt will helfen
Solchen will das Veterinäramt nicht im Wege stehen. „Wir werden Ersatzlösungen anbieten“, verspricht Wiethe. Mit seinen Mitarbeitern startet er bald eine Informationsoffensive in den Betrieben – auch um Ängste zu nehmen. Solange die Hygiene gewahrt bleibt, möchte seine Behörde Spielräume anbieten. „Entscheidend ist das Ziel, nicht der Weg“, meint der Amtsleiter. Statt teurer Schleusen kann er sich eine gesonderte Stiefel- und Handreinigung vorstellen. Eine Alternative bezüglich des Extra-Raumes für die Fleischzerlegung bei höchstens 12 Grad sieht Wiethe ebenso: Der Metzger könnte bei höherer Raumtemperatur immer nur kleine Mengen, dafür aber in kürzerer Zeit, bearbeiten. „Damit wäre die Kühlkette nicht unterbrochen.“ Den „lästigen Papierkrieg“ wird er den Metzgern jedoch nicht abnehmen können. Doch daran solle es nicht scheitern.
Trotz aller Beteuerungen der Behörde ist Jürgen Straub vom Fleischerring eG in Schweinfurt überzeugt, dass kleine Metzgereien mit Eigenschlachtung weiter verschwinden werden; mindestens jeder Dritte, so schätzt er. Mit der neuen Verordnung schere die EU alles über einen Kamm und zerstöre Kleinstrukturen mit einer optimalen Nahversorgung aus Landwirten und Metzgern. „Was sich für Dänemark und Norddeutschland mit seiner Großindustrie eignet, muss in Franken noch lange nicht gut sein“, so Straub.
Wer aussteigt, für den bleibt noch die Möglichkeit, seine Tiere bei einem größeren Betrieb – zwei hiervon gibt es im Landkreis – schlachten zu lassen. Einige, wie Geißler und Michel, machen hiervon bereits Gebrauch, während Mai in die Zukunft seines Sohnes, der den Betrieb übernehmen wird, investieren will. „Glücklicherweise habe ich in den letzten Jahren immer wieder einiges getan. Schlimm wird es für jene, die nur wenig investiert haben.“
Private Hausschlachtungen sind übrigens von der neuen EU-Verordnung ausgenommen. Nach Angaben des Veterinäramtes darf also wie gehabt für den eigenen Verbrauch geschlachtet werden.
Und auch auf die beliebte Schlachtschüssel muss künftig nicht verzichtet werden. „Es gibt bei uns – im Gegensatz zu anderen Regionen in Bayern – keine Gaststätten mehr, die in einem Raum schlachten und das Fleisch weiterverarbeiten“, informiert Thomas Wiethe. Nur in diesem Fall wäre es nicht mehr zulässig gewesen.
Das Stichwort
Die neue EU-Hygieneverordnung Zum 1. Januar 2006 ist das neue EU-Hygienerecht in Kraft getreten. Bis 2009 gibt es noch eine Übergangsfrist, dann müssen alle Betriebe der tierischen Lebensmittelherstellung die EU-Zulassung erhalten haben. Betroffen sind somit nicht nur die Fleisch-Branche, sondern zusätzlich auch Molkereien, Fischerei-, Eier- und Geflügelbetriebe sowie Gelatine-Verarbeiter.