Auch bei der sechsten Kommunalen Energie- und Klimamesse im Marienbachzentrum war die Zeitenwende spürbar. Nicht nur, weil am Samstag noch 2G und Mundschutzpflicht galt, am Sonntag nicht mehr. Zuletzt haben Ahrtalflut und Ukrainekrieg drastisch gezeigt, dass es kein "Weiter so" bei den fossilen Brennstoffen geben wird. Die große Weltpolitik war im "MBZ" mit einer Kaffeebar vertreten, der Erlös kam der Ukrainehilfe zu Gute.

"Noch nie wurde soviel CO2 freigesetzt wie 2021", stellte Bürgermeister Willi Warmuth zur Eröffnung fest. Sensibilisierung der Öffentlichkeit sei das Gebot der Stunde, auch wenn es keine "Energieunabhängigkeit" geben könne. "Autark war Tom Hanks mit seinem Wilson", meinte der Dittelbrunner Rathauschef, in Anspielung auf eine Hollywood-Robinsonade. Seit über 20 Jahren gebe es erneuerbare Energie in der Gemeinde, die tatsächlich als Vorreiter gelobt wurde. Zuletzt wurde zwecks regionaler Vermarktung eine "REnergie Marienbachtal GmbH" ins Leben gerufen, ein Projekt von Kommune, Bürgerenergiegenossenschaft und der Fachfirma gpJoule.
Klimawandel ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen
Aktuell entsteht ein Nahwärmenetz am Sonnenteller, geprüft wird die Integration von Wasserstoff. Begrüßt wurden Schirmherrin Anja Weisgerber (CSU), deren Bundestagskollege Markus Hümpfer (SPD), Vizelandrätin Christine Bender und weitere Rathauschefs aus dem Werntal. Der Blick ging ebenso zu Peter Härterich, der als früherer Gemeindebeauftragter für Energie und Umwelt die KEM ins Leben gerufen hat. Außerdem zum Organisationsteam der Gemeinde, rund um Michaela Reichert, Andreas Rößner und Marco Stock.
"Es ist nicht mehr nur der Eisbär auf der Scholle", sagte Weisgerber als Klimaexpertin der Union. Der Klimawandel sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen, mit Starkregen oder Gesundheitsgefährdung. Anders als bei der Elektromobilität gäbe es auf dem Bausektor noch keine politische Klarheit, Stichwort Effizienzhaus und Förderung. Die Kapitalmarktzinsen seien niedrig, meinte Christine Bender als stellvertretende Landrätin: "Der ideale Zeitpunkt, in den Klimaschutz zu investieren". Der Landkreis ist rechnerisch bereits Selbstversorger in Sachen erneuerbare Energien.
Lebhaftes Interesse herrschte bei den Vorträgen
Mit rund 30 Ausstellern war das Angebot etwas geringer als bei der letzten Messe vor der Pandemie, 2018. Dafür herrschte lebhaftes Interesse, nicht zuletzt bei den Vorträgen, rund um Themen wie das energiesparende "Smarthome", die sichtbare Klimaerwärmung in Wald und Flur, Speichersysteme oder Wärmenetze. Der Schweinfurter Verein "Solidarische Landwirtschaft" (Solawi) verteilte Salat Marke Eigenbau, Fahrrad- und Liegeradhändler zeigten ihre momentan heißbegehrte Ware.

Markus Hümpfer gab als Mitglied im Klimaschutz- und Energieausschuss des Bundestags einen Einblick in den Sachstand. Bis 2030 soll die Energie zu 80 Prozent nachhaltig erzeugt werden, fast eine Verdoppelung: "Eine extreme Kraftanstrengung." Auch die Stromnetze müssten angepasst werden. Die hohen Preise auf dem Energiemarkt hingen auch mit Spekulation zusammen: "Rohöl ist nicht knapp". Es würden Gewinne mit der Angst der Leute eingefahren. Die Ampel halte dagegen, die EEG-Umlage werde im Juli auf Null gesetzt, dazu kommen weitere Förder- und Entlastungsmaßnahmen. Windräder sollen "höhergestellt" werden, Genehmigungsverfahren erleichtert und Solaranlagen auf gewerblichen Neubauten Pflicht werden. Dazu gesellen sich Trends wie Agri-PV (Anlagen, die Landwirtschaft erlauben), "organische", sprich optisch unauffällige Photovoltaik, Wasserstoff-Beimischung ins Gasnetz, synthetische Kraftstoffe und "E-Fuels" für den Schwerlastverkehr. Eine Rückkehr zur Atomkraft mache schon für die Betreiber keinen Sinn, durch die Müllproblematik und auslaufende Betriebsgenehmigungen: "Es müsste sehr viel nachinvestiert werden." Das benötigte Uran käme nicht zuletzt wieder aus Kasachstan, warnte Hümpfer – und Russland.