Wir schreiben das Jahr 1889. Schweinfurt zählte nur rund 11 000 Einwohner. Aber es gab schon zwei Radsportvereine: der Velociped Club Schweinfurt, gegründet 1884 und der Radfahrer Verein Germania. Und dennoch gründeten einige Radsportfreunde einen neuen Verein, weil sie auch im Winter den Radsport betreiben wollten: Den Radfahrer Verein 1889 Schweinfurt. Am Wochenende begeht der Klub seine 125-Jahr-Feier im Brauhaus am Markt. Es werden langjährige Mitglieder und erfolgreiche Sportler geehrt.
Unter den Gründern waren die Fabrikanten Engelbert Fries und Wilhelm Höpflinger und Radfreunde aller Berufssparten vom Buchdruckereibesitzer bis hin zum Tapeziermeister. Die Gründung fand im Gasthof Anker statt, dem auch ersten Vereinslokal.
Der Verein pflegte besonders die Wanderfahrten und so kam es, dass bereits 1892 in der Wehr neben der Bleiweismühle auf Schweinfurter und Sennfelder Gemarkung eine Radrennbahn gebaut wurde. Der aus Kissingen stammende Philipp Schüllermann betrieb den Ausbau maßgeblich. Noch im gleichen Jahr wurde auf einer 33 1/3-Meter-Bahn das erste Rennen veranstaltet, an dem die Elite Deutschlands teilnahm.
„Das war noch die Zeit des Hochrads“, schildert der heutige Vorsitzende Kurt Vogel. Es gab allerdings bereits die aus England bezogenen „Beisickels“ und Firmen wie Goldschmidt, Birzer, später die Express-Fahrrad-Werke Neumarkt oder Adler Frankfurt, die schon Nieder- und Dreiräder herstellten.
Da die Radrennbahn wegen der Nähe zum Main nicht mit einem festen Zaun versehen werden durfte, mussten Einzäunungen aus Nesselstoff gebaut werden. Selbst eine Tribüne wurde aufgestellt. Der Verein entwickelte sich „immer mehr“, konnte dank Rennbahn die besten Fahrer heranbilden.
„Weil nichts ewig währt“ (Vogel) – und die Rennbahn „einging“ – konzentrierte sich der Verein auf den Straßen-Rennsport und brachte auch hier erstklassige Fahrer hervor: Karl Pfister, Richard Zeissner, Adam Sachs, Alois Schneidawind, Josef Remold zählt Vogel auf. Der RV beteiligte sich seit 1914 an den Deutschen Mannschafts-Wettbewerben und begann, Titel zu sammeln. In den Jahren 1920, 1921 und 1924 war die Mannschaft des RV 89 Deutscher Meister.
Als „Glücksfall“ (Vogel) erwies sich Ernst Sachs als Mitglied und Gönner, dessen Erfindung der Torpedo-Freilaufnabe im Jahr 1898 wegweisend und bedeutend für Schweinfurt war. Willy Sachs wollte hinter dem Fußballstadion für „seinen“ Verein, den RV 89, sogar eine Radrennbahn bauen. „Leider kam dieses Projekt nicht zu Verwirklichung“, berichtet Vogel.
Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der RV wieder ins Leben gerufen. 1949 führte man die Deutsche Meisterschaft im Vierer-Mannschaftsfahren auf der Strecke Schweinfurt-Bamberg durch. Auch eine Drei-Etappenfahrt anlässlich der Fertigung der 60-millionsten Torpedo-Freilaufnabe wurde vom Verein veranstaltet.
Gerade in der Organisation von Rundfahrten machte sich der Verein einen Namen. Von 1909 bis 1951 gab es die Rundfahrt „Rund um Spessart und Rhön“. Abgelöst wurde sie ab 1952 bis 1984 durch das „Internationale Ernst-Sachs-Gedächtnisrennen“. Ab 1985 bis 1999 wurde diese als „Internationale Ernst-Sachs-Tour“ als Vier-Etappenfahrt „aufgestockt“, von 2000 bis 2003 als U-23 Rennen. Als Mainfranken-Tour wurde das Rennen von 2004 bis 2010 von einem eigenständigen Verein (IMFT) weitergeführt.
Vogel nennt beim Durchblättern der Chronik eine ganze Reihe Radfahr-Asse, die im und durch den Verein groß wurden und Meistertitel einfuhren. Zu den Spitzenleuten nach dem Neuanfang in den 1940er Jahren gehörten Wunderlich, Oskar Zeißner, Edie Ziegler, Betz, Lutz, Popp, Raab, Knieß, Günther Ziegler, Karrlein, Vay, Schabel, Bäßler und Selbmann. Viele Fahrer erhielten das Silberne Lorbeerblatt des Bundespräsidenten.
Das auch in der Öffentlichkeit viel diskutierte Thema Doping habe aber auch in Schweinfurt Wirkung gezeigt und zu einem Schwund an aktiven und jungen Fahrern geführt, schildert Vogel.
Wie sieht es aktuell aus? „Gut“, sagt Vogel. Felix und Lisa Fischer haben als Jugendfahrer „eingeschlagen“, Lisa Fischer fährt demnächst im Erwachsenenfeld mit. Mit Isabelle Boberg und Luise Jungnickel seien zwei Sportlerinnen zum RV 89 gekommen, die schon im National-Team des Deutschen Gehörlosen-Sportverbandes große Erfolge errungen haben.
Der Verein habe auch im Triathlonsport über Jahre hinweg „seinen Beitrag geleistet“. Von 1985 bis 2000 war der RV am Maintal-Triathlon sportlich an führender Stelle dabei beziehungsweise als Veranstalter beteiligt.
Als „besondere Abteilung“ bezeichnet Vogel die Radballer. Sie habe zwar in der Vergangenheit im Schatten des Rennsports gestanden, sei heute aber „Stütze des Vereins“. Seit 1921 wird diese „kämpferische Auseinandersetzung mit Ball und Rad im Verein betrieben“. Dass der Radballsport weiter hochgehalten wird, dafür sorge Hubert Henz, der als Abteilungsleiter seit 1995 eine unermüdliche und ausgezeichnete Nachwuchsarbeit betreibt.