„Toll, bei SKF hat man sich Gedanken zur artgerechten Versorgung der Musiker gemacht“, lobt Pianist Axel Zwingenberger. Und er meint damit die imposante Dampflok 52 7409 vor der SKF-Halle 410, dem neuen Spielort des Schweinfurter Nachsommers.
Dazu muss man wissen, dass Zwingenbergers große Leidenschaft neben der Musik den alten Dampfloks gilt – wohl genährt durch die akustische Nähe der Dampfmaschinentechnik zur stampfenden Rhythmik des Boogie Woogie. Mit seinem explosiven Konzert „Thundertrain“ – mit seinem Bruder Torsten am Schlagzeug – hat der diesjährige Nachsommer endgültig Fahrt aufgenommen: Die Musiker waren in Bestform und das Publikum hellauf begeistert.
Eisenbahn und Jazz
Auch geschichtlich hat ja die Eisenbahn eine gewisse Verbindung zum frühen Jazz: Nach der formellen Aufhebung der Sklaverei machten sich die Blues-Wandermusiker mit den Farbigen aus den Südstaaten der USA als schwarzfahrende „Hobos“ auf nach Norden – der Dampfzug wurde zum Symbol in Richtung einer erhofften Freiheit.
Auch solche Vorstellungen beflügeln wohl Axel Zwingenberger, wenn er voller Ehrfurcht von den Bluesveteranen spricht. Seit Jahrzehnten pflegt er diese fast vergessene afro-amerikanische Volksmusikform und er hat dafür gesorgt, dass es inzwischen wieder eine blühende Boogiepiano-Szene gibt. Und wenn er die Schweinfurter Bühne betritt, kann er aus dem Erfahrungsschatz tausender Auftritte weltweit schöpfen: Von Hamburg bis New York, von Wien bis Ouagadougou. Eine der klingenden Erinnerungen an eine solche Westafrika-Tournee ist der Titel „African Grooving“, in dem Schlagzeuger Torsten Zwingenberger seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen kann.
Zunächst gilt die ungeteilte Aufmerksamkeit natürlich dem Pianisten Axel Zwingenberger. Schon vom ersten Titel „Blues In The Barrelhouse“ hat er das Publikum fest im Griff. In Barrelhouses oder Honky Tonks, billigen Eckkneipen im Süden, wurde ja dieser einfache Klavierstil gepflegt.
Doch dass man diese gewisse Schlichtheit, die musikalischen Floskeln, nicht als monoton empfindet – wie manches Boogie-Gehämmere – dafür sorgt Axel Zwingenberger mit seiner Kreativität, mit seiner Bandbreite an dynamischen Nuancen, Akkordschlägen und Phrasierungsmöglichkeiten. Und wenn er auch lächelt – sein Boogie-Spiel ist harte körperliche Arbeit.
Das Publikum ist schnell im Bann dieser vitalen, fast elektrisierenden Musik. Zweimal neunzig Minuten brennt Zwingenberger sein pianistisches Feuerwerk ab: Abenteuerlich schnelle Boogies wechseln sich ab mit gefühlvollen Blues-Titeln wie „Jump And Jive“, „Railway Nocturne“, „Five Spot Stomp“, „Yankee Doodle Boogie“ oder eine eigene Version von „The Sheik Of Araby“.
Immer funkeln über den rollenden Bässen der linken Hand – in „Long Lost Love“ sind es wunderschöne gesangliche Walking-Bass-Linien – Zwingenbergers Off-Beat-Figuren der Rechten mit ihren Trillern und Tremoli. Und auch die von manchem seiner Kollegen so oft vernachlässigten Schlusstakte sind bei ihm originell und harmonisch überraschend.
Schlagzeuggewitter
Natürlich rückt bei diesem exzellenten Boogiepianisten Bruder Torsten am Schlagzeug in den Hintergrund, was Axel selbst anspricht. Trotzdem – etwas von seinem Können kann der profilierte Jazzdrummer in seinen großen Solo-Improvisationen unter Beweis stellen. In „Honky Tonk Train Blues“ imitiert er eine an Fahrt gewinnende Dampflok, in „Moabit“ spielt er exakt das vorangehende Pianothema nach, und auch seine übrigen Schlagzeug-Gewitter verraten hervorragende Technik.
Den ersten Applaus des Abends bekam allerdings Heinz Schonunger von der SKF-Geschäftsleitung, der sich mit dem Publikum über die gelungene Premiere in der neuen Nachsommer-Halle 410 freute und es großzügig zu einem Pausendrink einlud.