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Mit einer Tüte Goldstaub

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Mit einer Tüte Goldstaub

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    Der Bandleader als Lyrik-Interpret: „Einfache Worte, die man längst kennt, die einen aber plötzlich irgendwo anders hinbringen.“ So umreißt Reinhardt Repke das Phänomen Rilke.
    Der Bandleader als Lyrik-Interpret: „Einfache Worte, die man längst kennt, die einen aber plötzlich irgendwo anders hinbringen.“ So umreißt Reinhardt Repke das Phänomen Rilke.

    Die Band scheint bis Januar 2012 ununterbrochen auf Tour zu sein. Trotzdem kann man Reinhardt Repke, wenn er gerade daheim in Berlin ist, einfach so anrufen und mit ihm ein Interview machen. Bei anderen Nachsommer-Künstlern ist das manchmal schon ein bisschen schwieriger. Die lassen sie gerne bitten und haben dann doch keine Zeit. Jedenfalls: Repkes Bandprojekt „Club der toten Dichter“ gastiert am morgigen Freitag mit Songs zu Rilke-Texten in SKF-Halle 410 (19.30 Uhr) – Titel: „Eines Wunders Melodie“. Der Musiker und Komponist Reinhardt Repke, Jahrgang 1963, hat bereits Heine und Wilhelm Busch vertont. Für das Rilke-Programm hat er Katharina Franck, Sängerin der „Rainbirds“, gewonnen. Außerdem spielen mit: der Schlagzeuger Tim Lorenz (auch schon bei den „Rainbirds“ dabei), der Keyboarder Andreas Sperling und der Bassist Markus Runzheimer.

    Frage: In der Ankündigung steht, Sie kleiden „die Texte gefühlvoll und melodiös in ein musikalisches Gewand“. Darunter kann man sich erstmal nicht allzu viel vorstellen.

    Reinhardt Repke: Das stimmt.

    Können Sie ein bisschen beschreiben, was Sie machen?

    Repke: Um es einfach zu sagen: Die Texte Rilkes sind für mich Songtexte. Und so gehe ich mit denen um. Bei der Arbeit kann es passieren, dass mir zwei, vier Zeilen auffallen, und ich sage: Das ist ein Refrain für mich. Und dann werden diese Zeilen wiederholt wie in einem ganz normalen Song auch. Dadurch entstehen mal poppige Songs, mal mit Country- oder Jazz-Einschlag. Ich kann da ja machen, was ich will. Und zwischendurch erzählen wir ein bisschen was über Rilke. Aber wir wollen niemand erschlagen, um den Rilke zu erklären.

    Sie ziehen da also nicht die große Bildungsnummer ab?

    Repke: Nein. Der Effekt ist, dass die Leute die Programme als sehr leicht empfinden. Und das ist das schönste Lob. Diese Leichtigkeit und Offenheit lässt dem Zuhörer die Möglichkeit, sich in die Gedichte hineinzubegeben. Ohne Angst zu haben, dass er etwas nicht versteht. Es darf auch gelacht werden. Und dann schreiben uns die Leute, „jetzt habe ich meinen Rilke wieder herausgeholt“.

    Rilke klingt ja, von den Worten her, erstmal einfach. Aber über die meisten Textzeilen kann man ziemlich lange nachdenken. Kann man das in einem Popsong erfassen?

    Repke: Man kann nicht einen ganzen Abend in zwei, drei Ebenen mitdenken oder die überhaupt rüberbringen. Aber es gibt Songs, wo beim Zuhörer etwas ausgelöst wird. So geht es mir ja selbst auch. Da gibt es zwei Zeilen, die hauen einen einfach um. Und dann denkt man tiefer. Wie Sie schon sagen: Einfache Worte, die man längst kennt, die einen aber plötzlich irgendwo anders hinbringen.

    In „Zum Einschlafen zu sagen“ gibt es einen Vierzeiler, auf den das zuzutreffen scheint: „Die Uhren rufen sich schlagend an, / und man sieht der Zeit auf den Grund. / Und unten geht noch ein fremder Mann / und stört einen fremden Hund.“ Das packt einen gleich, man kann aber nicht genau sagen, warum. Haben Sie eine Erklärung dafür?

    Repke: Ich tue mich immer schwer mit Erklärungen. Ich kann es nur mit meiner Herangehensweise erklären. Es gibt ja Leute, die lesen alles aus der Zeit und über den Künstler. Für mich zählt erstmal nur das Werk. Ich lese nur die Gedichte und will gar nicht wissen, war der komisch? Es stört mich dann eher, wenn ich zum Beispiel erfahre, dass Rilke ein bisschen kränklich war. Der ist in seinen Worten, gerade auch in seinen Briefen, so wunderbar, dass dieses ganze Krankheitsding doch egal ist. Wenn er etwa eine Situation aus seiner Kindheit beschreibt, kann man die Möbel förmlich riechen. Das schafft er.

    Der Zugang ist also immer ein ganz persönlicher?

    Repke: Genau. Gerade hat mir jemand geschrieben, der hat den Panther umgedichtet. Ohne die Stäbe – er arbeitet mit Autisten und will zeigen, dass man keine Stäbe braucht, um eingesperrt zu sein. So etwas ist dann auch total interessant.

    Sie haben mal gesagt, jeder mag Rilke, aber die meisten Leuten kennen nur sehr wenige seiner Gedichte. Den „Panther“ eben oder den „Herbsttag“. Haben Sie den Ehrgeiz, besonders unbekannte Gedichte auszugraben?

    Repke: Wenn mir zum „Panther“ musikalisch nichts Befriedigendes eingefallen wäre, hätte es den „Panther“ eben in unserem Programm nicht gegeben. Ich lese alles, ganz alleine, über Monate hinweg, streiche mir Sachen an, rede mit niemandem darüber. Da kommen Sachen zutage, die vielleicht gar keiner kennt, aber das ist völlig egal. Es muss was mit mir passieren, und ich muss mit dem Song total glücklich sein. Ich bin froh, dass mir etwas zu „Herbsttag“ und „Panther“ eingefallen ist – natürlich freuen die Leute sich, wenn sie bekannte Gedichte hören.

    Deutsche Poptexte sind ja manchmal ein bisschen peinlich. Braucht es einen großen Dichter, oder kennen Sie gute zeitgenössische Poptexte?

    Repke: Auf jeden Fall. Beim Wilhelm-Busch-Programm hat Norbert Leisegang von „Keimzeit“ gesungen. Der schreibt für mich die besten deutschen Texte. Es gibt noch ein, zwei andere, die auch gut sind. Ich habe auch schon selbst Texte geschrieben. Es gibt da so eine Angst vor deutschen Texten, die ich nie verstanden habe. Was uns viele Leute sagen: Die Rilke-Texte klingen überhaupt nicht alt oder angestaubt. Das könnte alles auch jetzt entstanden sein. Es war mir zwar kein Anliegen, aber viele Zuhörer sagen, dass wir für sie den Rilke aus der Schulbuch-Ecke rausgeholt haben.

    Sie haben mit Katharina Franck, Sängerin der „Rainbirds“, erstmals eine Frau dabei. Klingt Lyrik anders, wenn eine Frau sie singt?

    Repke: Ja. Um es platt zu sagen: Frauen sind eben anders. Haben einen anderen Blick, andere Gefühle. Das hat sich schon beim Mischen der Platte gezeigt. Es war total schön für mich, einmal mit einer Frau Musik zu machen. Und was besonders schön ist: Katharina Franck hatte schon immer einen ganz tiefen Bezug zu Rilke und singt die Texte, als wären es ihre eigenen.

    Sie haben vorher Programme mit Heine und Busch gemacht. Hatten Sie für Busch oder für Heine jeweils ganz andere Musik im Kopf?

    Repke: Es ist nicht so, dass es jedes Mal komplett andere Musik wird. Die meisten Songs kommen ja von mir, Katharina hat einen Song beigesteuert. Aber das meiste lege ich vor und lade alle ein, es zu spielen. Und das finden auch alle Bandmitglieder gut. Der entscheidende Punkt ist aber, dass ich so glücklich bin, immer mit so guten Musikern arbeiten zu dürfen. Gute Musiker haben immer eine Tüte Goldstaub dabei, und wenn sie sich wohlfühlen, machen sie die auf und streuen noch was drüber. Und das ist jetzt auch wieder passiert, und das macht den Unterschied zwischen den Programmen aus.

    Aber bei Busch geht es schon knackiger und trockener zu als bei Rilke?

    Repke: Wir hatten auch bei Busch getragene Songs dabei. Und bei Rilke wiederum ist es kein Abend nur mit trockenen, schweren Gedichten. Da gibt es Sachen, die ganz anders daherkommen. Das „Lied des Selbstmörders“ zum Beispiel, das wir eher ironisch machen. Oder „Rot war der Abend“, das ist eine schnelle Polka.

    Vorverkauf: Es gibt noch für alles restlichen Termine des Nachsommers 2011 Karten, und zwar in der Geschäftsstelle Schweinfurter Tagblatt, Schultesstraße 19a, und allen weiteren Geschäftsstellen der Main-Post. Hotline: Ticket-Service Mainfranken, Tel. (0 18 01) 052 052 (3,9 Cent/Minute). Die Abendkasse öffnet eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn. Aufpreis 3 Euro Weitere Infos im Internet unter www.nachsommer.de

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