Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Gerolzhofen
Icon Pfeil nach unten

GEROLZHOFEN: Mit Posaunen durchs Jahrhundert

GEROLZHOFEN

Mit Posaunen durchs Jahrhundert

    • |
    • |
    Konstante Arbeit: Fast den ganzen vergangenen Winter war der Zeilitzheimer Hilmar Spiegel damit beschäftigt, Dokumente über den 100 Jahre alten Posaunenchor Zeilitzheim zusammentragen und zu einer Ausstellung zu arrangieren.
    Konstante Arbeit: Fast den ganzen vergangenen Winter war der Zeilitzheimer Hilmar Spiegel damit beschäftigt, Dokumente über den 100 Jahre alten Posaunenchor Zeilitzheim zusammentragen und zu einer Ausstellung zu arrangieren. Foto: Foto: Norbert Finster

    Wenige Monate bevor Kanonendonner die Schlachtfelder Europas im Ersten Weltkrieg beherrschte, entstand der Posaunenchor Zeilitzheim. Die Gründungsurkunde ist auf den 17. Januar 2014 datiert. Sie hängt am Anfang eines sehenswerten Rundgangs durch 100 Jahre Chorgeschichte mit Hilfe von elf Schautafeln, auf denen unzählige Dokumente, Bilder, Berichte, Chroniken und Zeitungsausschnitte die Geschichte des Posaunenchors belegen.

    Kreisarchivpfleger Hilmar Spiegel hat zum Jubiläum in monatelanger Arbeit diese Ausstellung konzipiert, die auch zeigt, dass die große Geschichte an vielen Stellen direkten Einfluss auf das Kulturleben vor Ort nimmt.

    An einem nationalen Feiertag des Jahres 1913 bewunderten einige Zeilitzheimer Männer die von auswärts gekommenen Blaskapellen. So etwas wollten sie auch haben. Wagnermeister Adam Berger, selbst ausgebildeter Tenorhornbläser, war von der Idee ebenso angetan wie Pfarrer Zacharias Karl Schmidt. Der Pfarrer fertigte sogleich eine Satzung an.

    Obwohl Geld knapp war, beschafften sich die meisten der sieben Gründungsmitglieder ihre Instrumente auf eigene Kosten. Lediglich das größte und gewichtigste Instrument, der Tiefbass, wurde durch eine Gemeindesammlung finanziert, die 350 Mark einbrachte.

    385,60 Mark, das war der erste Kontostand des Posaunenchors von 1914. Das ist freilich nichts gegen die 23 536 230 Mark, die bei einem Familienabend des Chors im Inflationsjahr 1923 gesammelt wurden.

    Proben in der Wagner-Werkstatt

    Proben wurden in dieser Zeit bei Wagnermeister und Chordirigent Adam Berger zwischen Hobelbank und Säge, zwischen Sägespänen und Leimgeruch gehalten. Der beginnende Weltkrieg veränderte bald das Liedgut. Zum Repertoire gehörten nun neben Kirchenmusik auch Marschlieder. 1915 wurde der Chorbetrieb dann schon wieder eingestellt, weil die meisten Männer bereits zum Kriegsdienst eingezogen waren.

    Sofort nach Beendigung des Krieges gingen die Proben bei Adam Berger aber weiter. 1926 schafften es die Zeilitzheimer, das Bläsertreffen für den gesamten Maingau auszurichten, das heutige Unterfranken.

    1928 spielte der Chor am „Heiligen Christ Abend“ erstmals auf dem Zeilitzheimer Marktplatz. Zwei Jahre später erweiterten die Posaunisten ihr kulturelles Angebot um Theateraufführungen.

    Am 24. September 1933, wenige Monate nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, unterzeichnete der Chor „eine freiwillige Verpflichtungserklärung“, einen christlichen Lebenswandel zu führen. Das nutzte nichts, denn bereits 1934 kam es zur Gleichschaltung aller Chöre. Den Nationalsozialisten war es daran gelegen, dass ihr Gedankengut auch Einfluss auf die Kirchenmusik bekommt. Seinen Schriftverkehr unterzeichnete der Chor trotzdem lediglich mit dem Zusatz „Mit deutschem evangelischen Gruß“, statt mit „Heil Hitler“.

    Auch das sind Zeugnisse der Geschichte: 1949 versuchte der Chor, die triste Stimmung in den Ruinen von Schweinfurt etwas aufzuhellen. 1951 gestalteten die Zeilitzheimer als einziges Musikensemble das 369. Stiftungsfest der Universität Würzburg im Gartensaal der Residenz mit. Der Grund: An der Uni wollte niemand mehr die bis vor wenigen Jahren dominierende Marschmusik hören.

    1978 im Fernsehen

    Ab 1971 begann der Posaunenchor an Weihnachten und Ostern in den Krankenhäusern und Altenheimen Gerolzhofens und Volkachs zu spielen, um die Menschen dort zu erfreuen. Die Zeilitzheimer Bläser hatten einmal sogar einen Fernsehauftritt: Das war 1978 in der Sendung „Unter unserm Himmel“ mit dem Untertitel „Blasmusik in Franken“.

    Und noch ein Stückchen Geschichte: 1987 kam es zum ersten gemeinsamen Musizieren der katholischen Kirchenmusik mit dem evangelischen Posaunenchor. Die Katholiken musten dabei ihre Noten transponieren und einen Ton tiefer spielen, um sich den Evangelischen anzupassen, erinnert sich Hilmar Spiegel, der selbst schon 55 Jahre dabei ist.

    In der Neuzeit hatte Gerhard Krauß jahrzehntelang das Dirigentenamt inne. 1999 übernahm Peter Dietrich die Leitung des Chors. Unter ihm spielen die Musiker neben Chorälen, Kantaten und Sonaten auch moderne Sachen wie Gospels und Spirituals. „Da wäre früher undenkbar gewesen, da spielten wir nur Choräle“, sagt Chronist Spiegel.

    Aber auch nach 100 Jahren ist der Posaunenchor noch ein Abbild der Zeilitzheimer Einwohner. Die Spieler sind zwischen 17 und 71 Jahre alt. Gespielt wird nach wie vor überwiegend zu kirchlichen Anlässen, ab und zu als Gäste bei anderen Vereinen. Eines hat sich aber geändert. Geprobt wird nicht mehr in einer Wagner-Werkstatt, sondern in den Räumen des evangelischen Gemeindehauses.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden