„Auf dem Weg aus den Schulden gibt es immer mehrere Baustellen“, sagen Tatjana Barro und Irina Danilischin. Mit den beiden Schuldnerberaterinnen des Kolping-Bildungszentrums in Schweinfurt und mit Maria Kraft aus der Geschäftsleitung des Bildungszentrums sprach die Redaktion dieser Zeitung über den in der vergangenen Woche vorgestellten Schuldneratlas Deutschland 2018, der für den Landkreis Schweinfurt mit 5,12 Prozent die niedrigste Überschuldungsquote in Unterfranken ausweist. Ganz anders sieht das Ergebnis für die Stadt Schweinfurt (10,76 Prozent) aus, die nach der Stadt Aschaffenburg (11,4 Prozent) im Regierungsbezirk den zweiten Platz belegt.
Pflichtaufgabe für Stadt und Landkreis
Die Schuldnerberatung ist eine Pflichtaufgabe der Landkreise und der kreisfreien Städte. Für Schweinfurt Stadt und Land übernimmt diese das Kolping Bildungszentrum mit seiner Beratungsstelle in der Seestraße 30 in Schweinfurt. Betreut werden dort aktuell 800 „vielschichtige“ Fälle, was die Arbeit „spannend und vielfältig mache“, so Irina Danilischin. Der teure Handyvertrag sei nicht das, aber bei fast jedem Hilfesuchenden eines unter mehreren Problemen, ergänzt Tatjana Barro.
Krank, allein, arbeitslos
Als Hauptursachen für die Überschuldung sind in der Seestraße körperliche und geistige Erkrankungen samt der Suchtproblematik (Tendenz steigend) notiert. Jeder fünfte Fall lässt sich dieser Kategorie zuordnen. Auf Platz zwei steht die unwirtschaftliche Haushaltsführung. Trennung, Scheidung und Tod eines Partners teilen sich mit der Arbeitslosigkeit (Tendenz fallend) den dritten Platz. Ein weiterer und letzter häufiger Hauptgrund ist die gescheiterte Selbstständigkeit.
Erfolgsquote
Das Gespräch über die Statistiken zeigt eine erfreuliche Entwicklung. Im Jahr 2011 gelang in 13,48 Prozent der Fälle eine Entschuldung. 2013 lag der Erfolgsquote schon bei 14,57, im Jahr 2015 bei 19,88 und 2017 bei 21,58 Prozent. Zu berücksichtigen ist bei diesen Angaben die hohe Anzahl der Fälle, die nicht binnen zwölf Monaten abzuwickeln sind.
Weil Betroffene früher, mit festerem Willen und mehr Durchhaltevermögen als noch vor zwei Jahren kommen würden, klappe die Entschuldung auf freiwilliger Basis häufiger, meinen Kraft, Barro und Danilischin.
Geld an jeder Ecke
Da man allenthalben Geld aufnehmen könne, Kredite direkt bei Kauf bekomme und jetzt mitnehmen dürfe, wofür erst in drei Monaten die erste Rate fällig sei, würden viele in die Schulden geraten. Oftmals hätten ihre Klienten den Überblick verloren – manche ganze Kartons mit Verpflichtungen gefüllt, hieß es weiter. Gefährdet sei auch, wer sich durch eine Neueinstellung mit Zeitvertrag zu längerfristigen Ausgaben überreden lasse, wer sein Prestige mit Einkäufen aufpolieren oder auch halten wolle, wer die Nebenkosten bei der Miete nicht sieht.
Frauen holen auf
Die stärkste Altersgruppe unter den Hilfesuchenden sind die 30- bis 39-Jährigen. Auch hier überwiegen (noch) die Männer. Im Wachsen ist die Anzahl der Älteren, auch durch die geburtenstarken Jahrgänge, die jetzt ins Rentenalter kommen. Fehlende Einnahmen führen neben den Rentnern auch Alleinerziehende vergleichsweise häufig in die Verschuldung.
Weil Schulden und soziale Probleme oft zusammengehören, bieten die Mitarbeiter der Beratungsstelle sowohl kaufmännische, juristische (keine Rechtsberatung) wie auch sozialpädagogische Hilfe. Fremdsprachenkenntnisse (Arabisch, Russisch, Englisch, Italienisch) und Dolmetscher helfen bei Problemen der Neubürger.
Mit offenen Karten
Funktionieren wird die Hilfe nur, wenn Ausgaben und Einnahmen offengelegt werden. So lässt sich auch klären, ob und welche Unterstützungen etwa in Form von Zuschüssen abzurufen sind, ob Einsparungen in der Haushaltsführung möglich sind, ob die private Insolvenz ein Ausweg ist (ab 2019 übernimmt die Beratungsstelle die Insolvenzberatung).
Wichtig ist der Beratungsstelle, dass Betroffene möglichst frühzeitig kommen – und sehr wichtig ist Tatjana Barro, Irina Danilischin und Maria Kraft die frühzeitige Aufklärung über Schuldenfallen und Haushaltsführung, weshalb die Beratungsstelle in Schulen oder etwa auch im Jobcenter der Stadt Schweinfurt informiert.