Die Frau hat Muskelschwund. Das Paar lebt mit der Krankheit seit Jahrzehnten. Auf Reha war die Frau mehrfach. Bei einem Besuch in der Klinik muss der Partner nicht lange suchen. Wo in einer Gruppe gelacht wird, findet man sich.
Diagnose Muskelschwund: irgendwann landet fast jeder Betroffene im Rollstuhl. Diese Aussicht muss man verkraften. Die Selbsthilfegruppe will und kann unterstützen. Mit der Krankheit gut leben, ist das Ziel. Das Paar hat es mit der Gruppe geschafft.
Die Abnahme der Muskelmasse und Muskelschwäche sind Symptome neuromuskulärer (neuro = den Nerv betreffende, muskulär = die Muskeln betreffende) Erkrankungen. Es gibt etwa 800 Ursachen, die zu einer teils lokalen, teils den ganzen Körper betreffenden Reduzierung der Muskeln führen. Die Ursache kann in entfernten, völlig anderen Bereichen des Körpers liegen, etwa in den Nervenzellen des Rückenmarks, in den versorgenden Nerven, in der Überleitung von Nerv auf Muskel, aber auch in der Muskulatur selbst. Es gibt erbliche und erworbene Formen der Krankheit.
Die Basis für eine erfolgreiche Therapie ist die genaue Diagnose, die nur bei einem Teil der Krankheitsbilder gegeben, vor allem bei entzündlichen Formen aber nur selten möglich ist. Unterstützende Maßnahmen – darunter sind die Hilfsmittel wie Greifhilfen, Rollstuhl und Kommunikationsgeräte zu nennen – stehen jedoch immer zur Verfügung.
Die Krankheitsbilder werden nach Gruppen geordnet. Bei der Erkrankung der Nervenzellen (selten erblich) treten Muskelschwäche, Muskelschwund und Muskelzucken, oder auch Muskelsteife, Verspannungen und Muskelschwäche, in anderen Fällen Sprach-, Schluck- und Atemfunktionsstörungen auf. Die Krankheit kann sich in jedem Alter, insbesondere aber zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr entwickeln. Die Ursache der meist im Kindes- oder Jugendalter auftretenden progressiven spinalen Muskelatrophien ist ein Gendefekt. Circa 300 mögliche Ursachen sind für die Entstehung einer Polyneuropathie bekannt: entzündliche Veränderungen, Vererbung, Umwelt-, Gewerbe-, Genussgifte und Medikamente, sowie Stoffwechselstörungen. Hierbei sind mit 30 Prozent Alkoholmissbrauch und Zuckerkrankheit die häufigsten Ursachen. Viele weitere Krankheitsbilder ähneln den genannten, auch gibt es andere als die beschriebenen häufigeren Symptome. Wenige Formen des Muskelschwunds können binnen Monaten zum Tod führen.
Zumeist verlaufen die Krankheitsbilder „schleichend“. Heilbar ist die Krankheit nicht. Gezielte Therapien helfen, den Fortgang zu bremsen.
Die Selbsthilfegruppe „Fortschreitende Muskelkrankheiten“ gibt es seit 1996. Zu den regelmäßigen Treffen an jedem dritten Dienstag im Monat im Sportheim Geldersheim, Beginn 19 Uhr, kommt meist ein Dutzend der Betroffenen. Wenn Referenten (aus Medizin, Heilkunde und Therapie) eingeladen sind, können auch bis zu 30 Stühle besetzt sein. Dass auch Ausflüge und andere Aktivitäten stattfinden und nachgefragt sind, steht für einen Kontakt in der Gruppe, bei dem sich nicht alles nur um die Krankheit dreht. Informationsaustausch findet zudem bei Treffen mit anderen Gruppen statt.
Viele in der Gruppe sind Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Muskelerkrankungen, die sich schwerpunktmäßig um die Forschung kümmert. Der Landesverband beschäftigt dagegen hauptamtlich Psychotherapeuten und Sozialarbeiter, die die Gruppen fachlich unterstützen und besuchen. Auch Einzelbetreuungen finden statt – nicht nur für Mitglieder. Bayernweit gibt es drei Beratungszentren. Das nächste ist an der Universität Würzburg angesiedelt.
Bei den Treffen, zu dem auch Partner kommen, wird über die Krankheit und über „Gott und die Welt“ gesprochen. Ausgetauscht werden Erfahrungen nach Reha-Aufenthalten und mit neuen Hilfsmitteln. Im Blickpunkt hat man auch die Medizin. Medikamente zur Bekämpfung der Krankheit gibt es bis heute noch nicht. Die Krankheitsverläufe sind sehr unterschiedlich, wobei allgemein gilt, dass eine individuelle Krankengymnastik eine Voraussetzung für ein weitgehend selbstbestimmtes Leben mit der Krankheit ist.
Kontakt: Karin Roth, Tel. (0 93 63) 99 45 60