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KRONUNGEN: Nach Gifteinsatz: Verlassene Vogelnester mangels Nahrung?

KRONUNGEN

Nach Gifteinsatz: Verlassene Vogelnester mangels Nahrung?

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    Verlassene Gelege fand das Kronunger LBV-Mitglied Georg Rüttiger in zahlreichen Nistkästen im Waldstück „Hartholz” vor, in dem der Schwammspinner mit dem Pflanzenschutzmittel Mimic bekämpft wurde.
    Verlassene Gelege fand das Kronunger LBV-Mitglied Georg Rüttiger in zahlreichen Nistkästen im Waldstück „Hartholz” vor, in dem der Schwammspinner mit dem Pflanzenschutzmittel Mimic bekämpft wurde. Foto: Foto: Silvia Eidel

    Leere Vogelnester und verlassene Gelege finden sich in den Nistkästen im Kronunger Waldstück „Hartholz“. Dort wurde Ende April vom Hubschrauber aus das Vergiftungsmittel Mimic gegen die Schwammspinnerraupe auf der Eiche gespritzt. Dass damit auch andere Insekten getroffen wurden, so dass die Vögel mangels Nahrung ihr Revier verlassen haben, davon geht das Kronunger LBV-Mitglied Georg Rüttiger aus.

    „Totalausfall bei der Brut“

    Der 62-Jährige kümmert sich seit 25 Jahren um die etwa 200 Nistkästen in der Kronunger und Poppenhäuser Gemarkung (Lkr. Schweinfurt). Der Wirtschaftsingenieur ist aktiv beim Landesbund für Vogelschutz, beim Bund Naturschutz und bei der Bürgeraktion Müll und Umwelt Schweinfurt. Weil ihn die Auswirkung des Häutungsbeschleunigers Mimic gegen die eichenblatt-fressende Schwammspinnerlarve interessierte, kontrollierte er jetzt die Nistkästen.

    „So einen Totalausfall bei der Brut wie hier habe ich noch nie erlebt“, sagt Rüttiger. Andere Waldstücke bei Kronungen, wo nicht gespritzt wurde, etwa in der Kalten Point und dem Klosterwald, zeigten nach seinen Angaben dagegen keinerlei Auffälligkeiten, sprich: dort brüteten die Vögel.

    Nistkästen wurden verlassen

    Beim Gang durch das „Hartholz“ öffnet Rüttiger nacheinander sechs Nistkästen. Alle sind von den Vögeln gut auf die Brut vorbereitet und flauschig gefüllt mit Moos, Rehhaaren und Gräsern. Die meisten haben Eier darin, bis zu sieben Stück. Rüttiger öffnet einige mit dem Fingernagel. Manche sind angebrütet, bei anderen fließt noch der Dotter. „Die sind verlassen worden“, deutet er auf die Nester.

    Für ihn ist klar, dass Mimic nicht nur den Schwammspinner, sondern sämtliche Raupen und Larven vernichtet hat. Deshalb sei die Nahrungskette für die brütenden Kohl- und Blaumeisen, Kleiber oder Trauerfliegenschnäpper zusammengebrochen, sagt er. Für ihre Aufzucht bräuchten die Vögel aber vor allem das Eiweiß der Schmetterlingsraupen.

    Seltene Fledermaus betroffen?

    Rüttiger sorgt sich auch um die seltene Bechsteinfledermaus, die im Kronunger „Hartholz“ vorkommt und normalerweise im August die Vogel-Nistkästen bezieht. „Auch sie braucht Insekten, und wenn es keine Käfer und Falter mehr dort gibt, dann gibt es auch keine Fledermaus mehr.“

    Verlassene Gelege fand das Kronunger LBV-Mitglied Georg Rüttiger in zahlreichen Nistkästen im Waldstück „Hartholz” vor, in dem der Schwammspinner mit dem Pflanzenschutzmittel Mimic bekämpft wurde.
    Verlassene Gelege fand das Kronunger LBV-Mitglied Georg Rüttiger in zahlreichen Nistkästen im Waldstück „Hartholz” vor, in dem der Schwammspinner mit dem Pflanzenschutzmittel Mimic bekämpft wurde. Foto: Foto: Silvia Eidel

    Kontrollen in anderen, mit Mimic gespritzten Waldgebieten hat die Kreisgruppe des LBV mangels aktiver Mitglieder nicht durchführen können, erklärt auf Anfrage deren Vorsitzender Harald Vorberg. „Wir sind zu wenig Leute“.

    Landesanstalt: Mimic-Einsatz war erfolgreich

    Von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising war der Einsatz von Mimic als erfolgreich bezeichnet worden. Über 80 Prozent der Schwammspinner-Larven und -Raupen seien tot, hieß es. Insgesamt waren 1057 Hektar befallene Eichenwälder in Unter- und Mittelfranken mit chemischen Substanzen behandelt worden. Im Landkreis Schweinfurt waren es allein etwa 520 Hektar.

    Für die Forstverwaltung war es nach Angaben von Herbert Lang, Leiter des Schweinfurter Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), keine leichtfertige Entscheidung gewesen, gegen den massenhaft auftretenden Schwammspinner chemische Mittel einzusetzen. Aufgrund der Zählungen von dessen Gelegen an den Eichen und daraus folgenden Prognosen wurde wochenlang gemeinsam mit dem LWF abgewogen. Jeder Waldbesitzer habe zudem für sich entschieden, ob er das Mittel Mimic auch über seinen Eichenbäumen spritzen lassen wolle.

    „Mimic war die letzte Möglichkeit“

    Unter anderem betroffen war Wald der Gemeinde Poppenhausen sowie der Waldkörperschaften Kronungen und Poppenhausen. „Es wurde vorher alles fachlich abgewogen“, sagt Bürgermeister Ludwig Nätscher. „Das Mimic war die letzte Möglichkeit“, ist er überzeugt.

    Die Waldstücke, in denen das Pflanzenschutzmittel Mimic gegen den Schwammspinner ausgebracht wurde, sind mit Absperrbändern versehen.
    Die Waldstücke, in denen das Pflanzenschutzmittel Mimic gegen den Schwammspinner ausgebracht wurde, sind mit Absperrbändern versehen. Foto: Foto: Silvia Eidel

    Da dieser Häutungsbeschleuniger bislang nur im Wein- und Obstbau eingesetzt wurde und der Waldeinsatz zum ersten Mal stattfand, fehle es an einer wissenschaftlichen Belegung über die Auswirkung auf die Artenvielfalt im Wald, sagt AELF-Leiter Lang. Daher zweifle er an, ob die im Kronunger „Hartholz“ gemachte Beobachtung der verlassenen Nester allgemeingültig sei. Es fehle derzeit noch eine wissenschaftliche „Vorher-Nachher-Betrachtung“.

    Wissenschaftliche Arbeit soll Auswirkungen überprüfen

    Im Rahmen einer Doktorarbeit der TU München werden seit 2017 im Wald bei Geldersheim auf einer Versuchsfläche die Auswirkungen von Mimic, seinem Vorgänger Dimilin - das von der Industrie seit 2014 nicht mehr produziert wird - und dem biologisch wirkenden Bacillus thuringiensis untersucht. Auch die LWF hat aktuell in Abstimmung mit der Naturschutzbehörde eine Fläche bei Kronungen, wo ebenfalls Kahlfraß droht, nicht gespritzt, weiß der dortige Revierförster Bernd Müller. Dadurch könne man hinterher Vergleiche erzielen.

    Weil die massenhafte Vermehrung des Schwammspinners auch eine Folge der Klimaerwärmung sei, müsse man das Problem vielschichtig angehen. Waldumbau hin zum Eichenmischwald, einen Unterbau, also eine Verjüngung sichern, wofür eine Reduzierung der Rehwildbestände wichtig wäre, und als allerletztes Mittel der Pestizideinsatz, zählt Müller auf. Zumindest bei den ersten beiden Punkten ist sich der Forstmann mit dem LBV-Mitglied Rüttiger einig.

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