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SCHWEINFURT: Nähmaschinen-Meister: „Wir waren wie eine Familie“

SCHWEINFURT

Nähmaschinen-Meister: „Wir waren wie eine Familie“

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    Weißt du noch, damals. . . Erika Oros und  Erika Spielvogel tauschen Erinnerungen aus.
    Weißt du noch, damals. . . Erika Oros und Erika Spielvogel tauschen Erinnerungen aus. Foto: Foto: ursula Lux

    „Keine Angst, das ist keine Betriebsversammlung, nur ein gemütliches Beisammensein“. Mit diesen Worten begrüßte der ehemalige Betriebsrat der Nähmaschinenfabrik Husquarna/Meister seine Kollegen. 1983 wurden die Werke geschlossen, aber die Mitarbeiter treffen sich noch heute jedes Jahr. Aus Kollegen sind inzwischen längst Freunde geworden oder noch besser: Familienangehörige. Denn was Elena Gruss feststellt, unterschreiben eigentlich alle Ehemaligen: „Wir waren wie eine Familie.“

    Anekdoten und Geschichten

    Und wie das bei Familientreffen halt so ist, wird zurückgeblickt; viele alte Anekdoten und Geschichten berichten von einer Arbeitswelt, die es heute so nicht mehr gibt. Erika Oros stand „am Band“, ihre Freundin Erika Spielvogel arbeitete in der Bohrerei. „Lustig war's bei uns immer“, sagen beide.

    Oros erinnert sich: „Wenn die Männer Fußball schauen wollten, dann haben wir halt schneller geschafft, damit wir eher Schluss machen konnten.“ Sie war vorher bei der SKF, von dort habe sie solche individuellen Arbeitszeitmodelle nicht gekannt, das war auch alles ein bisschen anonymer, meint sie.

    Heinz Pfister war der Chef in der Bohrerei, Dreherei und Schlosserei. „Gute Nähmaschinen ham mer gemacht“, sagt er noch heute voller Stolz. Schließlich sei er dafür verantwortlich gewesen, dass „kein Murks“ gemacht wird. Einmal bekam er nachts einen Anruf von einem Aufseher, dass sich zwei Frauen in den Haaren hätten, erinnert er sich. „Ich hab ihm geraten, ihnen einen Eimer Wasser über den Kopf zu schütten, dann wär' wieder Ruhe. Es hat geholfen“.

    Beim Stichwort Nachtschicht fällt ihm auch gleich noch eine zweite Geschichte ein. Der Chef Friedrich Meister habe einmal mit seiner Frau einen nächtlichen Kontrollgang durch die Fabrik gemacht. Frau Meister habe dabei einen auf dem Boden liegenden Mann entdeckt und ganz aufgeregt gerufen: „Schau mal, Fritz, da drüben liegt ein Toter.“

    Der aber entpuppte sich nur als ein Schlafender. Er wurde geweckt und musste weiterarbeiten. Der Chef war wohl nicht allzu freundlich mit ihm, aber am nächsten Tag durfte der trotzdem wiederkommen. Es wäre halt damals noch menschlicher zugegangen, meint Pfister, „da hat man auch mal zusammengesessen und ein Bier miteinander getrunken“.

    „Wir waren ein zusammengeschweißter Haufen“, betont auch Oskar Weinsdörfer. Er erinnert sich besonders gerne an den inzwischen verstorbenen Conny Staub. „Der war ein Original“ und damals Chef der Galvanik. Bevor er nach Hause ging, hat er sich immer im Abschreckbecken gewaschen. Gerne saß er nach Feierabend auch noch mit Kollegen bei einem Bier zusammen; wenn dann sein Chef Fritz Meister vorbeikam, ist er kurzerhand im Abschreckbecken abgetaucht.

    Dabei erinnern sich die meisten gerne an Fritz Meister, dessen Steckenpferd die Schreinerei war. Egerer erzählt, dass er, als für die Nähmaschinen keine Schreinerei mehr gebraucht wurde, von seinen Schreinern Jugendzimmer bauen ließ, das ging viele Jahre gut. Doch dann wurde die Schreinerei geschlossen. Warum, ist Egerer bis heute ein Rätsel.

    Betroffen von der Schließung war Heinz Rerzel, 23 Jahre hat er in dieser Schreinerei gearbeitet und ist sicher: „Wir waren die bestausgestattete Schreinerei in ganz Unterfranken.“

    Während seine Vorgänger nach dem Krieg die Furniere noch mit dem Taschenmesser schneiden mussten, hat Meister seine Schreinerei immer mit den besten und neuesten Maschinen ausgestattet. Oft ist er früh gekommen im schwarzen Anzug mit weißem Hemd, hat die Jacke ausgezogen, ist an die Pressmaschine, hat die Sockel verleimt und die Überstände abgefräst.

    Schreinerei Hobby des Chefs

    „Das war sein Steckenpferd“, betont Rerzel. Wenn er mit seiner Arbeit fertig war, habe er sich mit Pressluft abgeblasen und sei wieder in seine Anzugjacke geschlüpft. Auch die ehemaligen Auszubildenden haben viel zu erzählen. Adolf Richmann erzählt, wie gerne sie die Klinke zu den Damentoiletten mit Maschinenfett eingestrichen haben. Einmal habe die Frau vom Chef da reingelangt. „Da war was los!“

    Oder wenn jemand neu kam, wurde der von einem in ein Gespräch verwickelt, während ihm ein anderer Kaurith-Leim an die Fersen schmierte.

    Einmal, erzählt er, habe er für Fritz Meister das Essen aus dem Hotel geholt und sei mit dem Fahrrad ein bisschen zu schnell in die Kurve gefahren. Die Essengefäße seien in alle Einzelteile zerbrochen, „aber Meister hat nicht geschimpft“.

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