Beim gut besuchten Online-Informationsabend von Bund Naturschutz und Freundeskreis Nationalpark Steigerwald berichteten Reinhard Kubat, ehemaliger Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg, Claus Günther als Geschäftsführer der Edersee-Touristik und Achim Frede, Leiter der Naturschutzabteilung im Nationalpark, über ihre Erfahrungen aus der nordhessischen Nationalparkregion Kellerwald-Edersee. Darüber informiert der Freundeskreis in einer Pressemitteilung.
Kubat sah große Parallelen in der Entstehungsgeschichte des Nationalparks zu den Diskussionen im Steigerwald. Er riet den anwesenden Bürgermeistern und Kommunalpolitikern zu einer offenen Diskussion über den Nationalpark. Für den Kellerwald bilanzierte der langjährige Landrat: „Auch bei uns gab es viele Befürchtungen zum Nationalpark, aber davon ist nichts eingetreten“.
Appell: Offene Diskussion führen
Frede bestätigt eine durchweg positive Resonanz in den Regionen für alle deutschen Nationalparke. Günther berichtete von millionenhohen Fördermitteln, internationalen Wettbewerbsvorteilen und vielen neuen Arbeitsplätzen, die auch durch den Nationalpark entstehen. Das Fazit aus der Kellerwaldregion zum Nationalpark war eindeutig: Es hat sich gelohnt, trotz der Bedenken vor der Ausweisung, offen über den Nationalpark zu diskutieren. „Wir appellieren an die Kommunalpolitiker im Steigerwald eine offene Diskussion über die Auswirkungen des Nationalparks zu führen“, so Ralf Straußberger und Ulla Reck vom Bund Naturschutz.
Eingebettet im großen Naturpark liegt der Nationalpark Kellerwald-Edersee, der 2004 nach jahrzehntelangem erbittertem Streit ausgewiesen wurde. 2011 wurden Teilgebiete zum „Weltnaturerbe Buchenwälder“ erklärt, was zu großer internationaler Bekanntheit führte und mehr Gäste aus dem Ausland anlockt, heißt es in der Mitteilung.
Großflächige nutzungsfreie Gebiete
Frede betont die Wichtigkeit großflächiger nutzungsfreier Gebiete: „Im Nationalpark werden Naturabläufe geschützt, die auch für eine Anpassung an den Klimawandel wichtig sind. In den großflächigen Naturwäldern können seltene Arten überleben, die in Wirtschaftswäldern ausfallen. Auch Bildung, Erholung und Forschung sind wichtige Aufgabenbereiche.“ Jährlich fließen vier bis fünf Millionen Euro in die Nationalparkverwaltung, die Mitarbeiterzahl hat sich von 30 im damaligen Forstamt auf heute 65 verdoppelt.
Claus Günther erklärt in der Online-Veranstaltung den hohen Wert von Tourismus für die ländliche Region: „Tourismus hat eine große Wirtschaftskraft, gerade Naturerleben ist heute einer der wichtigsten Punkte für eine Reiseentscheidung.“ Mit dem Nationalpark habe die Region ein ganz wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Die Besucher sorgen für 2,2 Millionen Übernachtungen und einen Bruttoumsatz von 570 Millionen Euro jährlich. Daraus resultieren rund 8970 Beschäftigungs-verhältnisse, von denen rund zehn dem Nationalpark zu verdanken sind.
Attraktives Wegenetz bietet Erholung
Es profitierten laut Geschäftsführer Günther lokale Betriebe, von denen viele als Nationalparkpartner zertifiziert sind, der Einzelhandel sowie Dienstleister oder Privatleute mit Ferienwohnungen. Kostenfreie Mobilität biete der Öffentliche Personennahverkehr mit Gästekarten. Heute habe jeder Ort sein Nationalpark-Tor, es gibt zahlreiche Einrichtungen wie Nationalparkzentren, Wildtierpark oder Wildnisschule.
2020 wurde der Nationalpark auf Wunsch der Gemeinden erweitert um Gebiete am Edersee, heißt es in der Pressemitteilung. Bürgermeister und Vertreter des Nationalparks stimmen sich in gemeinsamen Gremien ab. Eine Bahnstrecke wurde reaktiviert und wird rege genutzt. Der Nationalpark ist Teil vom „Fahrtziel Natur“ der Deutschen Bahn. Naturpark und Nationalpark arbeiten eng zusammen. Aktuell läuft ein Naturschutzgroßprojekt des Bundes mit Förderumfang von 6,7 Millionen Euro.
Kritische Stimmen sind verstummt
Beim Einlesen in die Situation im Steigerwald habe er ein Déjà-vu gehabt, so der langjährige Landrat Kubat: Auch im Kellerwald habe es damals eine Spaltung in Befürworter und Gegner des Nationalparks gegeben, die Gräben gingen sogar durch Familien. Schlimme Auswirkungen des Nationalparks wurden prophezeit, wie Schäden durch Wild auf angrenzenden Flächen. Heute könne Kubat sagen, dass nichts von all dem eingetreten ist: „Natur- und Biodiversitätsschutz sind ein gesellschaftlicher Auftrag und der Nationalpark ist auch ein exzellentes Instrument für die Regionalentwicklung, alles andere fällt dahinter weit ab. Die kritischen Stimmen sind verstummt. Die Einwohner aus kleinen Dörfern sehen, was sie da Tolles vor der Haustür haben und sagen ,Ihr hattet recht damals'.“