Das geht schon unter die Haut. Ein Schattengesicht. Eher eine Fratze. Bedrohlich, übermächtig. Hände, die sich festklammern. Ein Schrei, ein Moment der Panik, ein Gesicht, das Leid spiegelt. Mit ganz wenigen Strichen schafft Norbert Kleinlein Bilder von Missbrauch und Gewalt. Man spürt den Schmerz, die Bedrohung. Und die Ohnmacht.
Hunderte Zeichnungen hat Norbert Kleinlein seit 2011 zum Thema Missbrauch geschaffen. Unter dem Titel "Nein zu Missbrauch und Gewalt " zeigt er einige aus dieser Reihe in St. Johannis. 2019 hat er Teile dieser in Paris entstandenen Zeichnungen schon einmal in seinem Atelier im Künstlerhof in Oberndorf gezeigt.
Vom 15. bis 29. Juli ist die Installation in der Turmkapelle von St. Johannis zu sehen. Die Bilder auszuwählen, war das schwierigste, sagt Kleinlein. Zusammen mit Dekan Oliver Bruckmann will er den Blick auf ein Thema lenken, das allgegenwärtig zu sein scheint: Missbrauch und Gewalt. Das Thema ist sensibel. Es geht um Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt. Das Thema: „Nein!“
Installation ist in der Turmkapelle von St. Johannis zu sehen

"Das ist ein Thema, über das wir reden müssen", ist sich Dekan Oliver Bruckmann sicher. Kunst zum Thema Missbrauch in einer Kirche auszustellen, erwarte wohl nicht jeder. Das verstärke aber die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Denn es soll nicht nur um das Thema Kirche und Missbrauch gehen. "Missbrauch und Gewalt gibt es überall, wo Menschen sind", sagt Oliver Bruckmann. Und überall da, wo es um die Machtfrage geht.
"Das Thema geht jeden an, die Bilder könnte man auch in einem Sportheim zeigen", sagt Norbert Kleinlein. Er freut sich aber, dass sein großes, starkes Nein in der Kirche zu sehen sein wird. Große Zeichnungen werden am Boden liegen, von Plexiglas geschützt. Man kann herumgehen, vielleicht auch ausweichen. Kleinere Zeichnungen liegen wahrscheinlich auf kreuzförmig angeordneten Tischen aus.

In der Turmkapelle von St. Johannis schaut eine gotische Madonna auf die Besucher. "Was mache ich mit ihr?", war eine Frage, die sich Norbert Kleinlein im Vorfeld gestellt hat. Wird sie verhängt? Mit dem tiefroten Stoff, der auf Einladung und Flyer zu sehen ist, der der Titel der Ausstellungs-Zeitung war? Wie würde sie reagieren? Würde sie sich abwenden, weil sie das Leid nicht ertragen kann? Das sind Gedanken, die sich Oliver Bruckmann macht.
"Man macht Kunst, damit es etwas bewirkt."
Norbert Kleinlein, Künstler
Wie werden die Leute reagieren? Auf das Thema? Auf den Ausstellungsort, auf die vielleicht verhängte Madonna? Das wird sich zeigen. Norbert Kleinlein jedenfalls ist es wichtig, etwas in Gang zu bringen. "Man macht Kunst, damit es etwas bewirkt."
Teil der Ausstellung 2019 war eine achtseitige Zeitung, die einen Teil der Zeichnungen zeigt. Oliver Bruckmann hat dafür ein eindringliches Gedicht geschrieben. Es geht darin um lebenslange Wunden ohne Zahl, um Macht und Machtmissbrauch. Und es geht um lebenslang Angst. Deswegen ist Kleinlein und Bruckmann wichtig, ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen, um den Menschen, die Gewalt und Missbrauch gezeichnet hat, zu zeigen: Ihr werdet wahrgenommen. Ihnen zu vermitteln: Wir können darüber reden.
Rahmenprogramm zur AusstellungDie Ausstellung "Nein zu Missbrauch und Gewalt" ist vom 15. bis 29. Juli in St. Johannis zu sehen. Eröffnung ist am Freitag, 15. Juli, um 19 Uhr. Die Einführung hält Dekan Oliver Bruckmann, Markus Zitzmann (Saxophon) begleitet musikalisch.Am Donnerstag, 21. Juli, geht es um das Thema: Am schlimmsten ist das Schweigen. Was Missbrauch mit Menschen macht. wer spricht, steht noch nicht fest.Am Freitag, 22. Juli, findet ein Tischgespräch zur Ausstellung statt mit Oliver Bruckmann und Norbert Kleinlein, Moderation Karl-Heinz Körblein.Regionalbischöfin Gisela Bornowski, Missbrauchsbeauftragte des Landeskirchenrates, spricht am Mittwoch, 27. Juli, zum Thema: Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.Die Finissage am Freitag, 29. Juli, gestaltet Oliver Bruckmann, begleitet von Stephanie Carr-Lemmerich am Marimbaphon.Die Veranstaltungen beginnen alle um 19 Uhr in der Kirche. Quelle: Veranstalter